Befasst sich seit Jahren mit dem NSU-Komplex: Wolfgang Drexler. Foto: dpa

Der SPD-Politiker Wolfgang Drexler lobt das Münchner Urteil, sieht jedoch viele Fragen zum NSU-Komplex noch nicht beantwortet.

Stuttgart - Der langjährige SPD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Drexler leitete den ersten NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags. Auch dem zweiten Untersuchungsgremium NSU/Rechtsextremismus steht er vor. Im Interview äußert er sich zum Münchner NSU-Urteil.

Herr Drexler, wie bewerten Sie das Urteil im Münchner NSU-Prozess?
Ich begrüße das Urteil. Das Gericht bestätigt die Täterschaft des NSU-Trios für die Serie mit neun rassistisch geprägten Morden außerhalb von Baden-Württemberg, aber auch für den Mord an unserer Polizeibeamtin Michele Kiesewetter in Heilbronn am 25. April 2007. Damit wird die Ermittlungsarbeit des ersten NSU-Untersuchungsausschusses des Landtags bestätigt, wonach Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Täter von Heilbronn waren.
Auf dem Münchner Prozess lastete eine schwere Hypothek. Es schien ja nicht nur um den Tatbeitrag von Beate Zschäpe samt Helfern zu gehen, mitangeklagt schienen auch die Sicherheitsbehörden zu sein, die bei Verfolgung des Terrortrios eklatant versagt hatten. Wie hat das Gericht diese Herausforderung gemeistert?
Ich finde, das Gericht hat die Aufgabe gut gemeistert. Die Ermittlungsfehler waren ja auch nicht Gegenstand des Prozesses. Was trieben eigentlich die Geheimdienste? Wie sahen die Helferstrukturen aus? Für solche Fragen waren und sind in erster Linie Ermittlungsbehörden und Untersuchungsausschüsse zuständig. Das Gericht konnte sie nicht beantworten. Ich verstehe aber, dass es dafür Kritik von den Angehörigen der Opfer gibt.
Fünf Jahre wurde in München verhandelt, dazu die Untersuchungsausschüsse. Die Aufarbeitung des Falls ist beispiellos. Trotzdem kursieren angesichts der vielen Pannen und Ungereimtheiten weiterhin Theorien über eine staatliche Verschwörung im Sinne eines Wegschauens, Gewährenlassens oder gar einer Unterstützung des NSU. Wie begegnen Sie dem?
Wir müssen eingestehen, dass wir vieles noch nicht wissen. Es spricht einiges dafür, dass es Helfer gegeben haben muss. Man denke nur an die Auswahl der Ziele und Opfer, so wie in Heilbronn. Aber bisher haben wir in beiden Untersuchungsausschüssen des Landtags keine Helferstruktur gefunden, obwohl es insgesamt bis zu 30 Besuche des NSU-Trios in Nord-Württemberg gegeben hat. Das ist das eine.
Und das andere?
Ja, es sind schwere Fehler passiert. Aber wir haben keinerlei Hinweise darauf gefunden, dass die Verfassungsschutzämter die NSU-Verbrecher unterstützt oder von ihren Taten gewusst haben. Das schließt aber nicht aus, dass bei den vielen V-Leuten im Umfeld des Trios jemand dabei war, der durchaus wusste, in welchem Umfeld er oder sie sich bewegte.
Welche Chancen sehen Sie dafür, dass offene Fragen noch beantwortet werden können?
Ich sehe durchaus Chancen, aber dafür müsste Frau Zschäpe berichten, wie zum Beispiel die Orte ausgewählt wurden und wer sie vor Ort unterstützt hat. Das bekommt man nach zehn Jahren nicht mehr heraus, wenn nicht irgendjemand redet.