Es brodelt am Himmel über der SPD – die Mitglieder entscheiden über den Chefposten und damit auch die zukünftige Ausrichtung ihrer Partei. (Symbolbild) Foto: AP/MARKUS SCHREIBER

Die letzte Stimme ist abgegeben, in wenigen Stunden soll das Ergebnis der SPD-Chefsuche verkündet werden. Die Parteiprominenz wendet sich schon vorher an die Mitglieder - und schaut voraus.

Berlin - In der Zentrale der SPD läuft die Auszählung des Mitgliederentscheids über den künftigen Parteivorsitz. Im Willy-Brandt-Haus in Berlin sortieren und öffnen seit dem frühen Samstagmorgen 180 Helfer tausende Wahlbriefe. Außerdem muss das Ergebnis der Online-Abstimmung ausgelesen werden. Am frühen Abend sollen die Gewinner verkündet werden.

Gewählt werden die Nachfolger der zurückgetretenen Parteichefin Andrea Nahles. Fest steht bereits, dass die älteste Partei Deutschlands künftig von einer Doppelspitze geführt wird. Entweder stehen künftig Vizekanzler Olaf Scholz und seine Brandenburger Partnerin Klara Geywitz an der SPD-Spitze - oder der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans und die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken. Beide Teams hatten es nach einer ersten Abstimmungsrunde im Oktober in eine Stichwahl geschafft. Endgültig gewählt werden die Gewinner allerdings erst bei einem Parteitag am kommenden Wochenende in Berlin.

Unterstützer beider Teams hatten in den vergangenen Wochen vor allem in sozialen Netzwerken engagiert Wahlkampf betrieben. Bereits vor Verkündung des Ergebnisses riefen prominente SPD-Mitglieder beide Lager auf, unabhängig vom Ausgang zusammenzustehen. „Denn uns eint viel mehr als uns trennt“, heißt es in der Videobotschaft von Interims-Parteichefin Malu Dreyer, Generalsekretär Lars Klingbeil, Juso-Chef Kevin Kühnert und Familienministerin Franziska Giffey. „Wir haben ein gemeinsames Ziel: Wir wollen die SPD wieder stark machen.“

Die Spannung steigt

Dreyer rief die Partei auf, verantwortungsvoll mit dem Ergebnis umzugehen. „Die Zeit des internen Wettbewerbs ist jetzt vorbei. Die Entscheidungen sind demokratisch gefallen, das muss jeder akzeptieren“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“. Außenminister Heiko Maas sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wer diese Mitgliederbefragung gewinnt, hat die volle Unterstützung der gesamten Partei verdient. Wir brauchen absolute Geschlossenheit, um unsere Themen der sozialen Gerechtigkeit glaubwürdig zu verkörpern.“

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), in den vergangenen Tagen seien die Unterschiede zwischen den Bewerberteams deutlich geworden. „Wenn die Wahl jedoch getroffen ist, muss für alle gelten, hinter der neuen Parteiführung zu stehen und sie mit aller Kraft und von Herzen zu unterstützen“, forderte sie.

Abstimmung ist ein Machtkampf

Tatsächlich treffen Welten auf einander: Auf der einen Seite der machtbewusste Vizekanzler Scholz und seine pragmatische Team-Partnerin Geywitz, auf der anderen zwei Verfechter einer Politik der Ideale und der gesellschaftlichen Umverteilung. Verlässliche Prognosen für den Ausgang der Stichwahl gibt es nicht. In der ersten Runde hatten Scholz und Geywitz knapp 22,7 Prozent der Stimmen bekommen, Walter-Borjans und Esken gut 21 Prozent.

Die Wahl gilt auch als entscheidend für die Zukunft der großen Koalition. Denn auf dem Parteitag in einer Woche will die SPD auch diskutieren, ob sie aus dem Bündnis aussteigt - die neuen Vorsitzenden dürften ein gewichtiges Wort mitreden. Esken und Walter-Borjans liebäugeln mit einem Austritt. Sie wollen nur dann weitermachen, wenn die Union den Koalitionsvertrag erneuert und beispielsweise einem höheren Mindestlohn sowie weiteren Milliardeninvestitionen in Klima und Infrastruktur zustimmt. Geywitz und Scholz dagegen wollen das Bündnis mit der Union ohne Neuverhandlung des Koalitionsvertrags fortsetzen.