Auf Du und Du mit SPD-Chef Martin Schulz: Wer sich bei den Messenger-Dienste der Parteizentrale anmeldet, darf sich als Teil der Familie fühlen. Foto: Maron

Und sie bewegt sich doch: Die alte Tante SPD entdeckt mehr und mehr die Strahlkraft der sozialen Medien, wie etwa WhatsApp. Wer sich anmeldet, wird bedient – und ist auf Du und Du mit dem Parteichef.

Berlin - Um 21.48 Uhr summen, trällern oder piepen am 31. Januar in Deutschland Tausende Smartphones, so sie denn entsprechend eingestellt sind. „Hallo, Lars hier!“ steht in der Textblase des Messenger-Dienstes „Whatsapp“, die sich daraufhin öffnen lässt. Der Lars heißt mit Nachnamen Klingbeil, ist Generalsekretär der SPD. Er maßt sich das familiäre Du an, weil seine Nachricht ja eigentlich für Genossen bestimmt ist, die sich für den Fortgang der Dinge bei den Koalitionsverhandlungen interessieren. Und wenn Sozis unter sich sind, ist nun mal sogar SPD-Chef Schulz ein Martin unter vielen.

Lars Klingbeil ist 39, die digitale Welt begreift er als Chance, nicht, wie so viele andere Genossen als fremde Bedrohung. Und er hat sich, als er im Dezember zum Generalsekretär gewählt wurde, fest vorgenommen, die alte Tante SPD endlich ankommen zu lassen in dieser neuen Zeit der Klicks und Bytes. Einer Welt, in der politische Informationen immer seltener bei Ortvereinssitzungen im Alten Dorfkrug ausgetauscht werden und stattdessen im digitalen Orbit ihre Empfänger suchen. Nur wer auch da effektiv auf Sendung geht, kann künftig im politischen Wettbewerb mithalten, davon ist Klingbeil überzeugt. Seinen Wahlkampf im erzkonservativen Heidekreis hat er deshalb mittels Facebook so zielgenau auf jene zugeschnitten, die der SPD nicht prinzipiell abgeneigt sind, dass er seinen Konkurrenten von der CDU erstmals mit einem überragenden Ergebnis abhängte. Und als er Generalsekretär wurde, postete er eine Handynummer als Whatsapp-Kontakt, unter der SPD-Mitglieder und alle, die es gut mit der SPD meinen, ihm ihre Ideen für die Erneuerung der Partei schicken konnten.

Jeder kann mitmachen

In diese Richtung will Klingbeil weiter gehen, die kommunikative Kraft der so genannten „sozialen Medien“ nutzen. Ein Gesamtkonzept hat er noch nicht, dazu fehlte die Zeit, aber ein neuer Puzzle-Stein sind die regelmäßigen Meldungen schon, die man seit Beginn der Koalitionsverhandlungen abonnieren kann. Malu Dreyer erklärt da in einem kurzen Video, warum die Einigung im Bereich der Pflege aus Sicht der SPD ein voller Erfolg war. Und auch „Martin“ meldete sich schon zu Wort, um etwa zu verkünden, dass sich die SPD beim Familiennachzug durchgesetzt habe – eine Sicht der Dinge, die der Parteichef selbst in Reihen der SPD ziemlich exklusiv haben dürfte.

Rund 16 000 Nutzer haben sich schon angemeldet, senden ihrerseits fleißig Kommentare, auch über Facebook, Instagram und Telegram werden die Nachrichten ausgespielt. Anmelden kann sich jeder, weshalb Klingbeil, versehen mit einem augenzwinkernden Smiley, Mitglieder mit großem Datendurst nach vertraulichen Infos darauf hinweist, dass „sich hier inzwischen auch viele Journalisten angemeldet haben.“ Die Rückmeldungen seien extrem positiv, heißt es in der SPD-Zentrale. Gut möglich, dass man dieses Konzept nach den Verhandlungen weiter ausbaut – und damit zu anderen Parteien wie Grüne oder FDP aufschließt, die so genannte „soziale Medien“ als gigantische Debattenblase längst entdeckt haben und bisher deutlich virtuoser bespielen.