Geht es da nach Stuttgart? Peter Hofelich (links) und Sascha Binder sind trotz ihres Wiedereinzugs nicht glücklich. Foto: Michael Steinert

Die Landtagswahl endet im Landkreis Göppingen mit einem Paradoxon. Ausgerechnet die gebeutelte SPD wird als einzige Partei im Kreis zwei Abgeordnete nach Stuttgart entsenden.

Göppingen - Gerade noch hat Sascha Binder tief enttäuscht den Wahlausgang analysiert, da wird er von seinen Geislingern Lügen gestraft. „Unsere Philosophie, nah bei den Leuten zu sein, hat gegenüber der Stimmung im Land nicht Stand gehalten“, hatte Binder erklärt. Da wird das letzte noch ausstehende Ergebnis – das der Stadt Geislingen – hereingereicht. „SPD 22,5 Prozent“, verkündet die SPD-Kreisvorsitzende Sabrina Hartmann und zum ersten Mal an diesem Abend im SPD-Wahlkreisbüro am Göppinger Schillerplatz kommt bei den Genossen so etwas wie Stimmung auf.

In der Stadt, in der Binder geboren und aufgewachsen ist, wo er beim Zeltlager der Turngemeinde hilft und seit 2014 auch im Gemeinderat sitzt, holt er ein Ergebnis, das zehn Prozentpunkte über dem Landesschnitt und sieben über seinem Landkreisergebnis liegt. „Das hat mich umgehauen“, sagt Binder. Ja es sei fast schon eine Liebeserklärung seiner Geislinger – der einzige Lichtblick an einem sonst düsteren Wahlabend.

Binder rettet Razavi das Direktmandat

Das Ergebnis der Stadt Geislingen hat Folgen. Es dürfte auch der CDU-Abgeordneten Nicole Razavi geholfen haben, ihr Direktmandat zu verteidigen. Am Ende fehlen dem Grünen Eckhart Klein zum Sieg im Wahlkreis nur 285 Stimmen. Die hätte er in Geislingen aufholen können, wenn sein Zuwachs dort auch nur annähernd im Durchschnitt gelegen hätte. Doch Klein gilt im Grünen-Ortsverband zwar als fleißig, ist in der Stadt Geislingen aber kaum bekannt. Bei der Gemeinderatswahl 2014 landete er auf dem vorletzten Platz seiner Partei. Binder wurde damals hingegen aus dem Stand fast Stimmenkönig aller Kandidaten.

Auch ihm selbst helfen die 22,5 Prozent aus seiner Heimatstadt. In der Tabelle der SPD-Kandidaten im Regierungsbezirk Stuttgart schwemmen die Stimmen aus Geislingen den 33-Jährigen weit nach oben. Als spät in der Nacht der Landeswahlleiter die Zweitmandate verteilt, liegt Binder auf Platz fünf der SPD-internen Liste. Vor fünf Jahren war er Zehnter. Was damals locker reichte, hätte diesmal den Mandatsverlust bedeutet.

Der „Liegewagen namens Kretschmann“

Auch seinen Göppinger Kollegen Peter Hofelich lässt er hinter sich. Dem gelingt mit dem siebtbesten SPD-Ergebnis im Regierungsbezirk aber ebenfalls der Sprung ins Parlament. Dennoch: er sei politisch und persönlich tief enttäuscht. Der bisherige Staatssekretär im Finanz- und Wirtschaftsministerium spart nicht mit Spitzen gegen den siegreichen Koalitionspartner. Viele Grünen-Kandidaten seien „im Liegewagen mit Namen Kretschmann ins Parlament gekommen“.

Seine Partei habe an Grüne und AfD verloren und zudem unter einem negativen Bundestrend gelitten. Im Wahlkampf habe er viele Hausbesuche gemacht, „da bekommt man ein Gespür. Es gibt hier Stadtteile, die sind vom politischen Leben abgehängt“, sagt Hofelich. Dort habe die Landes- oder Wahlkreispolitik überhaupt keine Rolle gespielt. „Es ging nur um das Flüchtlingsthema.“ Und um die Frage, die dahinter stehe: „Warum habe ich nie etwas bekommen?“ Das, so glaubt Hofelich, sei für die SPD die Schlüsselfrage.

Das SPD-Tandem will angreifen

Das Wahlergebnis besitzt für den Kreis Göppingen eine ironische Note. Denn ausgerechnet die gebeutelten Genossen stellen im neuen Parlament als einzige zwei Abgeordnete. Nicole Razavi (CDU) ist allein, ebenso geht es Alex Maier (Grüne) und Heinrich Fiechtner (AfD), die im Wahlkreis Göppingen siegreich waren. Während die Konkurrenz sich also um jeweils zwei Wahlkreise kümmern muss, können sich Hofelich und Binder als Tandem ganz auf ihr jeweils angestammtes Gebiet konzentrieren. „Das wird uns in die Lage versetzen, aus der Situation wieder herauszukommen“, sagt Hofelich.