Mit der De-Mail sparen Bürger Wege und Behörden Geld. Für Masseneinsatz fehlt gesetzliche Grundlage.

Stuttgart - Wenn sie De-Mail statt Normalbriefe verschicken, gewinnen Unternehmen Zeit und Geld. Bis Ende des Jahres werden bundesweit sieben Anbieter um den Milliardenmarkt konkurrieren. Aber auch die Bürger können profitieren.

Peter O. hat keine Zeit, zur Postfiliale zu laufen, um die Kündigung seiner Versicherung als Einschreiben wegzuschicken. Eine E-Mail akzeptiert das Unternehmen aber nicht. Deshalb ist O. dankbar, dass es jetzt die De-Mail gibt. Unabhängig von den Öffnungszeiten kann er Briefe, die rechtssicher ankommen müssen und seine Unterschrift benötigen, wie eine E-Mail verschicken. Er muss sich dafür zuvor lediglich bei einem Anbieter für elektronische Einschreiben identifizieren lassen. Per De-Mail können auch rechtsverbindliche Schreiben wie Mahnungen, Rechnungen oder Kündigungen verschickt werden. Der Transfer gilt dank einer speziellen Technik als schnell, sicher und günstig.

Seit März können Kunden der IT-Tochter T-Systems rechtssichere E-Mails verschicken

Vor einem Jahr wurde mit dem De-Mail-Gesetz die rechtliche Basis für die sichere Post verabschiedet und durch die Regelung des vertraulichen Versands elektronischer Dokumente innerhalb Deutschlands eine Rechtslücke geschlossen, zehn Monate später mit der Deutschen Telekom, ihrer Tochter T-Systems und der Mentana-Claimsoft die ersten Anbieter zugelassen. Sie konnten eine Zertifizierung, eine Art Betriebserlaubnis, durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vorweisen.

Seit März können Kunden der IT-Tochter T-Systems verbindliche und rechtssichere E-Mails verschicken. Im September will der Mutterkonzern sein Angebot für private und kleinere Geschäftskunden schalten, United Internet will noch 2012 mit den Marken GMX.de, Web.de, 1&1 Internet sowie United Internet Dialog ((UID) mit der De-Mail ins Geschäft kommen. Und angeblich plant auch die Deutsche Post, die seit zwei Jahren mit dem lediglich mit einem Tüv-Siegel versehenen E-Postbrief am Markt ist, ebenfalls eine De-Mail-Alternative anzubieten.

90 Prozent des heutigen Briefverkehrs sind geschäftlicher Natur

Wie T-Systems werden die Anbieter zunächst um Großkunden buhlen, schließlich sind 90 Prozent des heutigen Briefverkehrs geschäftlicher Natur. Pilotprojekte mit dem sicheren elektronischen Versand jedenfalls ließen hoffen. Die ZF Friedrichshafen etwa hat vor zwei Jahren an einem Pilotversuch des Bundesinnenministeriums teilgenommen und 50 ihrer monatlich 37.000 Lohnabrechnungen per De-Mail verschickt. Die Mitarbeiter waren begeistert: Sie hatten die Post drei Tage früher und konnten sie gleich am PC archivieren. Das Unternehmen wiederum sah ein immenses Einsparpotenzial, kostet doch eine herkömmliche Gehaltsabrechnung bisher 70 Cent, Eintüten und Papierkosten inklusive. Über De-Mail dürften sich die Kosten in etwa halbieren.

Der Markt ist riesig. Die Anbieter peilen ein gemeinsames Umsatzvolumen von jährlich 7,5 Milliarden Euro an. „Jährlich werden 1800 Milliarden E-Mails versendet“, rechnet Telekom-Sprecher Rainer Knirsch vor. „Wenn nur ein Prozent davon aus Gründen der Sicherheit künftig per De-Mail gesendet werden, wären dies bereits 18 Milliarden.“ Hinzu kämen jährlich 17,5 Milliarden Briefe, von denen sich die Hälfte durch De-Mails ersetzen ließen. Und würden 39 Prozent der jährlich 5,4 Milliarden Faxsendungen dazugerechnet, wären dies weitere 2,1 Milliarden De-Mails.

Banken, Versicherungen und vor allem Behörden sind für die Provider nicht nur wegen der hohen Stückzahlen interessant. Sie werden auch private Nutzer zur De-Mail motivieren könnten, wenn das Geschäft mal läuft. Bisher erschließen sich denen die Vorteile nämlich kaum. Die meisten bekommen oder senden in der Regel kaum mehr als drei Einschreiben im Jahr.

„Viele werden den Mobilitätsvorteil schätzen“

Unter den schätzungsweise zwei Millionen Interessenten, die sich bereits bei den Anbietern ihren De-Mail-Account reservieren ließen. „Es ist ein komplett neues Medium“, sagt Knirsch. „Viele werden den Mobilitätsvorteil schätzen. Sie haben von überall auf der Welt Zugriff auf ihre De-Mails.“

Der große Ansturm hat zunächst nicht stattgefunden. Selbst ZF Friedrichshafen lässt sich Zeit. „Derzeit werden Angebote eingeholt und geprüft“, bestätigt ein Sprecher. „Entschieden ist noch nichts – weder pro noch contra De-Mail.“ – „Neue Technik muss ihren Markt erst mal finden“, sagt Pablo Mentzinis vom IT-Branchenverband Bitkom. „Auch bei der E-Mail gingen zehn Jahre ins Land, bis sie breite Bevölkerungsteile erreicht hatte.“ Die De-Mail, da sind sich Beobachter einig, wird schneller aufgeschlossen haben. Gleichwohl können die Verbraucher einen Strich durch die Rechnung machen. Die Teilnahme am De-Mail-Verfahren ist freiwillig.

Der Impuls für ein breiteres Interesse der Verbraucher dürfte von der öffentlichen Hand kommen, wenn das sogenannte E-Government-Gesetz wie geplant Anfang kommenden Jahres in Kraft tritt. Damit soll der Einsatz der De-Mail sowie des neuen Personalausweises der eigenhändigen Unterschrift gleichgesetzt werden. Eine De-Mail mit der Versandoption „absenderbestätigt“ zum Beispiel entspräche dann einer Unterschrift, ein Formular aus dem Netz gälte als unterschrieben, wenn der elektronische Identifikationsnachweis mit dem Personalausweis vorgenommen wurde. Auch sollen alle Bundesbehörden verpflichtet werden, per De-Mail erreichbar zu sein. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause im Bundestag beraten werden. Ausgehend von einem Internet-Nutzungsgrad von 80 Prozent ergäbe sich nach einer Berechnung des Bundesinnenministeriums (BMI) allein in der Verwaltung ein jährliches Einsparpotenzial von 39 bis 79 Millionen Euro, das Porto noch gar nicht berücksichtigt.