Die Führung des Autobauers geht davon aus, dass die Zahl der deutschen Arbeitsplätze – im Bild ein Montageband im Daimler-Werk Rastatt – langfristig stabil bleibt. Foto: dpa

Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht lehnt die Sparpläne ab und erinnert den Vorstand an den Konflikt in Untertürkheim. Daimler-Chef Dieter Zetsche versuchte auf der Automesse IAA in Frankfurt die Wogen zu glätten.

Stuttgart - Die Pläne des Daimler-Vorstands stoßen beim Betriebsrat auf Widerstand. Am Montag hatte der Vorstand bei einer Analystenveranstaltung überraschend ein Sparprogramm („Fit for Leadership 4.0“) im Umfang von vier Milliarden Euro bekannt gegeben und zugleich die Absicht bekräftigt, bei der Umstellung auf die Elektromobilität die Fertigungstiefe zu reduzieren. „Wir werden nicht tolerieren, dass die Beschäftigten heute das Wachstum des Konzerns ermöglichen, aber die Fertigungstiefe durch das Programm ‚Fit for Leadership 4.0‘ bis 2025 verringert werden soll“, sagte Michael Brecht, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats von Daimler.

Brecht machte kein Hehl daraus, worauf sich die Konzernführung einstellen muss: „Wenn der Vorstand das will, muss er sich nicht über Konflikte wie diesen Sommer in Untertürkheim wundern.“ Der Untertürkheimer Betriebsrat verweigerte Überstunden, weil sich die Werkleitung zunächst dagegen gesperrt hatte, dass Wertschöpfung im Bereich Elektromobilität – unter anderem eine Batteriemontage – in Untertürkheim angesiedelt wird. Nach einem wochenlangen Konflikt konnte sich der Betriebsrat durchsetzen.

Auch Untertürkheimer Betriebsrat zeigt kein Verständnis

Brecht will die Folgen einer sinkenden Fertigungstiefe bei E-Autos gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor kompensieren. „Der Gesamtbetriebsrat wird hier definitiv in die Diskussion gehen und sich dafür einsetzen, dass wir bei der Produktion von Elektrofahrzeugen die Fertigungstiefe erhöhen. Nur dadurch können wir langfristig das Know-how im Konzern halten und damit Arbeitsplätze sichern“, sagte Brecht, der Anfang August im Interview mit der Stuttgarter Zeitung gefordert hatte, bisher fremdvergebene Arbeiten in die eigenen Fabriken zu holen. Auch Wolfgang Nieke, der Untertürkheimer Betriebsratschef, zeigte kein Verständnis für das Management: „Es ist ärgerlich, dass der Vorstand jetzt wieder die Kostendebatte anheizt. Offensichtlich hat noch nicht jeder verstanden, dass man die Investitionen für die Zukunft mit der heutigen Belegschaft verdienen muss. Wer an der Stelle den Streit sucht, darf sich nicht wundern, wenn es kracht im Gebälk“, sagte er.

Daimler-Chef Dieter Zetsche versuchte auf der Automesse IAA in Frankfurt die Wogen zu glätten. So wird das geplante Sparpaket nach seinen Worten keine Auswirkungen auf die Beschäftigung haben. „Wir haben keine Pläne, deshalb Arbeitsplätze infrage zu stellen“, sagte er. Der Daimler-Chef erinnerte daran, dass in schwierigen Zeiten bisweilen die Kosten auch im Hauruckverfahren gesenkt worden seien. Teilweise seien dies jedoch Einmaleffekte gewesen, deren Wirkung wieder verpufft sei. In den vergangenen Jahren, so Zetsche, habe man das Geschäftssystem viel nachhaltiger weiterentwickeln können. Dies sei im Dialog mit den Betriebsräten geschehen. In Summe habe man die Beschäftigung kontinuierlich absichern und den Mitarbeitern mit Betriebsvereinbarungen immer Sicherheit über die Zukunft ihrer Arbeitsplätze geben können.

Bis 2025 sollen ein Viertel der Verkäufe E-Autos sein

Zetsche begründete das Sparpaket mit dem weitreichenden technologischen Wandel, zu dem auch der Vormarsch der Elektromobilität gehört. Der Autobauer hat im vergangenen Jahr eine Elektroauto-Offensive gestartet. Bis Mitte des nächsten Jahrzehnts sollen ein Viertel der verkauften Autos Stromer sein. Ungewiss sei allerdings, in welchem Tempo der Absatz von Elektroautos in den kommenden Jahren zunimmt und wie rasch damit auch durch eine steigende Stückzahl Kostenvorteile in der Produktion erreicht werden können. Der Daimler-Chef wies darauf hin, dass Elektroautos zumindest bis auf Weiteres geringere Gewinnmargen bringen als Autos mit Verbrennungsmotor. „Ohne Gegenmaßnahmen würde dies zu einer deutlichen Beeinträchtigung unserer Profitabilität führen“, sagte Zetsche. Der Vorstand will allenfalls einen Rückgang der Rendite auf acht Prozent hinnehmen; Ziel bleiben jedoch zehn Prozent. Gespart werden soll sowohl bei den Fixkosten als auch bei den Produktionskosten. „Das Gute ist, dass wir dies nicht kurzfristig, sondern über einen längeren Zeitraum erreichen müssen“, sagte der Daimler-Chef.

Warum die Produktion von E-Autos weniger Arbeitskräfte benötigt und welche Folgen das für die Region Stuttgart haben könnte, sehen Sie im Video:

Mercedes-Produktionsvorstand Markus Schäfer erläuterte, dass es in allen vier Konzernbereichen – Produktion, Entwicklung, Einkauf und Vertrieb – viele Ansätze gebe, um die Effizienz zu erhöhen. Daimler geht davon aus, dass der Absatz weiter steigen wird – aber vor allem im Ausland. Vor gut drei Jahren habe der Konzern noch etwa 1,5 Millionen Autos gebaut, heute steuere man auf 2,5 Millionen zu. Zudem könne man in der Logistik vieles verbessern, sagte Schäfer. Von den höheren Stückzahlen verspricht sich Schäfer bessere Konditionen im Einkauf. In der Produktion soll der Automatisierungsgrad verringert werden, um die Flexibilität zu erhöhen. „Da wir weiter wachsen wollen, heißt das eben nicht, dass wir weniger Arbeitsplätze brauchen werden“, sagte der Mercedes-Produktionschef. In bestimmten Bereichen würden sich nur die Aufgaben ändern. Schäfer geht davon aus, dass die Zahl der deutschen Werke und der deutschen Arbeitsplätze langfristig stabil bleiben.