Kretschmann (2.v. re.) und Stich bei der Protestkundgebung im März. Foto: dpa

Der Landesregierung und ihrer Sparpläne droht neuer Ärger: Die Beamten protestieren.

Stuttgart - Als Winfried Kretschmann noch nicht Ministerpräsident war, da kam er schon mal ohne Krawatte in den Landtag und pflegte damit den leger-grünen Stil. Nun sieht man ihn nur noch selten so – außer, er befindet sich in gemütlicher Runde. Dieser Tage war das wieder mal der Fall. Der Beamtenbund hatte Vertreter von CDU, FDP, SPD und Grünen zum politischen Sommerfest geladen, und das ist seit jeher ein Pflichttermin für einen Ministerpräsidenten, weil man sich bei Steak, Kartoffelsalat und Bier auch mal mit seinen Kritikern offen austauschen kann. Volker Stich, Landeschef des Beamtenbunds, jedenfalls machte ihm klar, dass die Beamtenschaft im Land „von großem Pflichtbewusstsein und Solidarität“ geprägt sei, man aber nicht immer der Einzige sein wolle, der „die Zeche für eine Sanierung des Landeshaushalts zahlen“ muss. Vor allem die Grünen, so Stich, hätten den Beamten zuletzt herzlich wenig Respekt und Verständnis entgegengebracht. „Sie sollten unsere Sorgen ernst nehmen“, bat Stich.

Und Kretschmann? Er suchte eine Mischung aus Angriff und Verteidigung. Einerseits habe er „die gigantische Aufgabe“ vor sich, eine 2,5 Milliarden Euro große Lücke im Landeshaushalt zu schließen, und angesichts eines Personalkostenanteils von 42 Prozent müsse er diesen Bereich angehen. Andererseits schätze er die Staatsdiener: „Die Regierung hat nichts gegen Beamte, sondern mag sie. Ohne sie könnte ich nicht arbeiten.“ Er jedenfalls werde „den Gesprächsfaden nicht durchschneiden“.

Nun aber, wenige Tage später, muss der Faden bereits einiges aushalten. Denn die Sparpläne von Grün-Rot für den Doppelhaushalt 2013/2014 und die Folgejahre werden konkreter. Erst traf sich Stich am Freitag mit Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD), danach mit Kretschmanns rechter Hand, Staatssekretär Klaus-Peter Murawski (Grüne). Das Ergebnis: Die Fronten scheinen verhärtet. Während die Regierung die aktuelle Lage nicht kommentieren wollte, sind die Staatsdiener sauer. „Die Verärgerung bei den Beamten ist groß“, sagte Stich. Obwohl das Sparpaket für den Haushalt 2012 noch nicht mal abgearbeitet sei – Grün-Rot hatte die Besoldungserhöhung für dieses Jahr verschoben und damit rund 120 Millionen Euro eingespart –, gebe es nun bereits die nächsten Sparpläne. Und die sehen unter anderem folgende Überlegungen vor:

Welche Maßnahmen kommen, ist unklar

Absenkung der Eingangsbesoldung für neue Beamten um eine Gehaltsstufe für jeweils vier Jahre. Einspareffekt für das Land: mittelfristig 35 Millionen pro Jahr.

Streichung des zehnprozentigen Zuschlags für jene Beamte, die freiwillig länger als bis zum Pensionsalter arbeiten. Einspareffekt: 16 Millionen Euro pro Jahr.

Streichung der vermögenswirksamen Leistungen (außer für Beamte im mittleren Dienst). Einspareffekt: 8,4 Millionen Euro.Absenkung der Beihilfe für Ehepartner sowie Reduzierung der Beihilfe für zahntechnische Leistungen: Einspareffekt: zusammen rund 28 Millionen Euro pro Jahr.

Welche der Maßnahmen am Ende kommen , ist derzeit unklar. Erst nach den Sommerferien will die Haushalts- und Strukturkommission der Landesregierung über die Details beraten. Dass gespart werden soll, ist freilich klar. Grün-Rot will bekanntlich nächstes Jahr rund 550 Millionen Euro im Etat kürzen und 2014 nochmals 250 Millionen Euro. Einen Teil davon sollen die Ministerien beisteuern, einen Teil will sich die Regierung bei den Kommunen holen, und ein Teil soll aus den Personalkosten kommen.

Stich warnte die Regierung am Freitag vor einer falschen Prioritätensetzung. Man sei „weiter zum Gespräch“ bereit, appelliere aber an Grün-Rot, wie bei früheren Regierungen, einen Vertrag mit dem Beamtenbund zu schließen: „Wir wollen verlässliche Zusagen haben.“ Aus Sicht von Stich müsse dabei auch festgeschrieben werden, dass Tarifabschlüsse aus dem öffentlichen Dienst auf die Beamten übertragen werden. So sieht das auch DGB-Landeschef Nikolaus Landgraf: „Die Beamten müssen darauf vertrauen können, dass es keine Salamitaktik der Landesregierung auf ihre Kosten gibt.“

Und so verwiesen die Gewerkschaften am Freitag auf Bayern. Dort hat die Landesregierung die vor 19 Monaten beschlossene Absenkung der Eingangsbesoldung für junge Beamte gestoppt und gebe jetzt wieder 250 Millionen Euro mehr in die Entlohnung. Aus Sicht von Stich ist das mehr als ein Geschenk Seehofers vor der Landtagswahl. „In Bayern hat man gemerkt, dass der Beruf des Beamten unattraktiv wird, wenn die Nachwuchskräfte schlechter bezahlt werden.“