Julia Westlake moderiert das traditionsreiche „Bücherjournal“ seit 2011. Nun soll die Sendung weggespart werden. Foto: NDR/Dirk Uhlenbrock

Der NDR muss sparen - und will darum auch seine Literatursendung kippen. Dafür muss er sich nun heftige Vorwürfe anhören.

Frankfurt/Darmstadt - Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und zahlreiche Schriftsteller und Literaturexperten werfen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor, Sendeplätze für Buchthemen zu streichen. In den Programmen von ARD und ZDF hätten Bücher „massiv an Sichtbarkeit eingebüßt“, sagte die Vorsteherin des Börsenvereins, Karin Schmidt-Friderichs, am Mittwoch in Frankfurt.

Literatur und das Gespräch darüber trügen aber zu einer freien, demokratischen Gesellschaft bei: „Bücher stehen für solide recherchierte und differenzierte Informationen, sie vermitteln komplexe Zusammenhänge, geben dialektische Denkanstöße und tragen neue Themen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit.“

Wichtige Funktion

Schmidt-Friderichs sagte, öffentliche Sender hätten eine wichtige Funktion für gesellschaftliche Debatten. Zudem ermöglichten Literatursendungen kulturelle Teilhabe. „Bücher zunehmend aus der Wahrnehmung der Menschen zu rücken, ist nicht erst in Zeiten von Fake News und Verschwörungstheorien fatal“, so die Verlegerin.

Sie bezog sich auf die Ankündigung des Norddeutschen Rundfunks (NDR), die seit 30 Jahren laufende Sendung „Bücherjournal“ zum Jahresende einstellen zu wollen. ARD und ZDF hätten zudem in den vergangenen Jahren Sendungen wie „Lesezeichen“, „Lesenswert Sachbuch“, „Lesen!“ oder „Die Vorleser“ gestrichen.

Ein fatales Signal?

Auch die Autorenvereinigung PEN nannte die Einstellung des „Bücherjournals“ ein „fatales Zeichen“. Anstatt einen Rückgang der Lesekultur zu beklagen, hätten öffentlich-rechtliche Sender die Aufgabe, diese Entwicklung zu stoppen und Leselust zu wecken.

In einem Offenen Brief an NDR-Intendant Joachim Knuth protestierten rund 130 Kulturschaffende aus dem Bereich Literatur gegen die Einstellung des „Bücherjournals“. Derzeit werde in der Öffentlichkeit darum gekämpft, dass durch die Corona-Pandemie das kulturelle Leben nicht dauerhaft zerstört werde, heißt es in dem am Mittwoch in Hamburg veröffentlichten Schreiben. Das geplante Aus für die seit über 30 Jahren laufende und damit älteste Büchersendung im deutschen Fernsehen sei angesichts dessen „eine folgenreiche Fehlentscheidung, von der ein fatales Signal ausgeht“.

Alles auf dem Prüfstand

Zu den Unterzeichnern des Offenen Briefs gehören Schriftsteller, Übersetzer, Verleger und Buchhändler sowie weitere Prominente. Darunter sind die Autorinnen Ulla Hahn und Kirsten Boie, der Autor und Schauspieler Ulrich Tukur, der ehemalige Erste Bürgermeister der Stadt Hamburg, Klaus von Dohnanyi, und sein Bruder, der Dirigent und Intendant Christoph von Dohnanyi.

Dem NDR zufolge will der Sender in den kommenden Jahren rund 300 Millionen Euro einsparen. Dabei stünden alle Formate auf dem Prüfstand. Vor dem Hintergrund, dass es in der ARD mit „Druckfrisch“ ein Literaturmagazin gebe und Literatur keine regionalen Grenzen kenne, sei das „Bücherjournal“ als eigenständige Sendung nicht zwingend notwendig, sagte eine Sprecherin.

Wer die Sendung nicht kennt und sich ein eigenes Bild von ihrem Charakter verschaffen will, findet in der ARD-Mediathek zumindest Häppchen aus vergangenen Ausgaben.