Sparkassenpräsident Peter Schneider übt harsche Kritik an der Justiz Foto: Peter-Michael Petsch

Sparkassenpräsident Peter Schneider sieht die hohen Beraterkosten bei der LBBW „sehr, sehr kritisch“. Es habe „eine Absicherungsmentalität“ Einzug gehalten. Für operative Entscheidungen sei das nicht gut.

Sparkassenpräsident Peter Schneider sieht die hohen Beraterkosten bei der LBBW „sehr, sehr kritisch“. Es habe „eine Absicherungsmentalität“ Einzug gehalten. Für operative Entscheidungen sei das nicht gut.

Stuttgart - Herr Schneider, sind Sie froh, dass der Strafprozess gegen ehemalige LBBW-Vorstände endlich zu Ende ist?
Ja klar. Der Prozess war auch eine Belastung für die Sparkassen-Finanzgruppe. Hier geht es nicht nur um Zahlen und Fakten, sondern auch um Emotionalität und Kollegialität. Wir haben in der Gruppe mit den Vorständen mitgelitten und mitgefühlt.
Ist es aus Ihrer Sicht ein glückliches Ende?
Ja, weil es ohne einen Strafvorwurf zu Ende ist. Aus meiner Sicht hätten die Vorstände einen Freispruch verdient. Aus der Distanz ist das Bemühen der Justiz zu erkennen, nicht als Verlierer auf ganzer Linie aus dem Prozess zu gehen.
Sie sind Jurist. Können Sie erklären, weshalb seit Beginn der Ermittlungen bis Ende des Verfahrens fünf Jahre vergangen sind?
Nein, das kann ich nicht erklären. Die groß angelegte Hausdurchsuchung der LBBW im Dezember 2009 war nicht von großer Sachkunde getragen. Die Ermittler hätten den Vorwurf, der im Raume stand, ohne Aufheben mit zwei Leuten an einem Nachmittag abgreifen können mit genau demselben Ermittlungserfolg. Der Anfangsvorwurf der Untreue hat sich als nicht haltbar erwiesen. Übrig blieben Bilanzthemen sowie die Darstellung im Lagebericht. Als jemand, der die Zeit in der Bank 2008 erlebt hat, habe ich dafür wenig Verständnis, dass man deshalb noch groß ein Verfahren aufzieht.
Haben Sie nicht Verständnis dafür, dass der Staatsanwalt auch in Chefetagen ermittelt und dass er dort auch kraftvoll auftritt? Bei der LBBW wurden 2500 Arbeitsplätze abgebaut.
Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass man die Sache strafrechtlich beleuchten muss. Trotzdem: So einem Strafvorwurf muss man nicht mit so viel Getöse nachgehen, sondern in der notwendigen Sachlichkeit und Kompetenz. Das Verfahren hat sehr lange gedauert, selbst wenn ich berücksichtige, dass es sicher nicht einfach war, sich in die Themen einzuarbeiten.
Kann LBBW-Vize Michael Horn, der wegen des Verfahrens freigestellt wurde, unbelastet in sein Vorstandsamt zurückkehren?
Für die Sparkassen ist klar: Er kehrt zurück, und das völlig unbelastet. Herr Horn ist einer von uns, er ist der Vorstand, der für die Geschäfte und Kontakte mit den Sparkassen zuständig ist. Wir haben von Anfang an gesagt: Wir stehen zu ihm. Ich habe keinen Hehl daraus gemacht, dass ich eine Freistellung nicht für erforderlich gehalten habe. Uns war völlig klar, dass es völlig abstrus ist, ihm eine Schädigungsabsicht im Sinne von Untreue zu unterstellen. Das gilt ganz genauso für die anderen ehemaligen Vorstände. Die Schwierigkeiten, in die der Vorstand in der Außendarstellung kam, hatte er nicht allein zu verantworten.
Sie spielen darauf an, dass es einige Zeit dauerte, bis die Eigner Stadt, Land und Sparkassen zugestimmt haben, fünf Milliarden Euro zur Rettung der Bank aufzubringen?
Genau. Wir Träger haben uns damals enorm schwergetan mit der Entscheidung, so viel Kapital aufzubringen und in die Bank zu stecken. Insbesondere ein Träger hat lange gebraucht, bis er zu den notwendigen Beschlüssen kam. Wenn man das miterlebt hat, kann man den Vorwurf der Anklage einordnen. Und schließlich habe ich als Jurist auch ein Rechtsgefühl. Wir haben doch nicht mit kriminellem Hintergrund gehandelt. Um Himmels willen. Unser ganzer Antrieb war, diese Bank als Hauptfinanzierer der baden-württembergischen Wirtschaft, die auch von der Krise tief getroffen war, zu retten. Wir können doch in so einer Lage nicht weglaufen.
Nach der Razzia im Dezember 2009 haben Kunden der LBBW Einlagen abgezogen. Sie haben das seinerzeit dokumentieren lassen, um gegebenenfalls einmal Schadenersatz geltend zu machen. Was wird daraus?
Nichts, ganz einfach, weil es verjährt ist. Nach drei Jahren ab Kenntnis verjähren die Ansprüche gegen den Staat. Vielleicht gibt es da auch einen Zusammenhang mit der langen Verfahrensdauer. In einem laufenden Verfahren erhebt man diese Ansprüche nicht, um den Angeklagten nicht noch zusätzliche Hürden für eine Beendigung aufzubauen. Das weiß auch die Justiz genau.
In welcher Größenordnung ist ein Schaden entstanden?
Es war ein beachtlicher Schaden, bedingt durch die Berichterstattung aufgrund dieser breit angelegten, aufsehenerregenden Hausdurchsuchung. Nach der Razzia konnten wir genau verfolgen, wie Einlagen abgezogen wurden und Geschäftsmöglichkeiten sich zerschlagen haben. Wir hatten auch infolge dieses Verfahrens und der Vorwürfe, die so lange im Raum standen, einen Reputationsschaden. Da hatten wir mal eine blitzeblanke „bärenstarke“ Landesbank. Dieses Ansehen bekam schwere Schrammen durch die eingetretenen Verluste, die Beihilfesituation und die Restrukturierung durch die EU. Und zu alledem kam noch das Strafverfahren. Das hat das Image nicht befördert.
Durch den Prozess hat sich die Bank verändert. Der jetzige Vorstand sichert sich eher zweimal juristisch ab, bevor etwas entschieden wird. Lässt sich so auf Dauer eine Bank steuern?
In der Tat haben wir heute viel mehr Gutachten in Schritten, die wir vorher in der gleichen Qualität und Verantwortlichkeit vollzogen haben. Ich möchte das nicht allein auf dieses Verfahren schieben, generell hat spürbar eine Absicherungsmentalität Einzug gehalten. Das ist für operative Entscheidungen, die immer zwischen Chancen und Risiken liegen, nicht gut. Heute sichert sich ein Vorstand in hohem Maße ab und dokumentiert seine Entscheidungen ganz anders. Das ist eine gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die uns nicht guttut.
Und es treibt die Beraterkosten hoch.
Wir haben unglaublich hohe Beraterkosten. In Angelegenheiten, bei denen ich früher nicht einmal an einen Berater gedacht habe, läuft er heute schon selbstverständlich zur Tür herein. Und es sind immer mehrere. Zum Teil wird es ganz schwarz im Raum. Ich sehe das mittlerweile sehr, sehr kritisch. Damit geht ein enormer Zeitaufwand einher. Wenn die Landesbank zum Schluss nur mit einer Absicherungsmentalität Geschäfte machen will, wird sie bei weitem nicht mehr so gut sein, wie sie mal war und wieder sein kann. Wir müssen uns frei machen von der Vorstellung, dass unternehmerisch handelnde Personen, auch in einer Bank, keine Fehler machen dürfen.
Die Entwicklung trifft auch die Politik. Der ehemalige Finanzminister von Rheinland-Pfalz ist wegen Untreue im Zusammenhang mit dem Nürburgring verurteilt worden.
Ja, es ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Wenn heute ein Politiker jahrelang ineffizient gearbeitet hat, ohne etwas voranzubringen, hat er überhaupt kein Problem. Dann scheidet er anschließend ungestraft aus. Wenn er aber Dinge voranbringt in einer unternehmerischen Art und Weise, dann läuft er heute viel schneller Gefahr, am Pranger zu stehen.
Die LBBW ist mit fünf Milliarden Euro gestützt worden. Eine Milliarde hat sie zurückgezahlt. Müssen sich die Eigner damit abfinden, dass es keine weitere Rückzahlung geben wird?
Nein. Ganz generell braucht die Landesbank das notwendige Kapital, aber nicht mehr. Das müssen wir immer wieder justieren. Wir haben heute eine gute Eigenkapitalausstattung. Als Träger sollten wir daran jetzt nicht rütteln. Wir müssen zunächst durch den Stresstest kommen. Im Moment werden sämtliche Bilanzbestandteile von der Europäischen Zentralbank geprüft, gewichtet, aufsichtsrechtlich scharf kontrolliert. und anschließend folgt der Stresstest. Zum Schluss steht eine Mindestkapitalanforderung. Die ganze Branche richtet sich danach aus, dies zu schaffen. Jetzt die Kapitalausstattung zu thematisieren ist Unfug.
Aber auf lange Sicht wollen die Sparkassen das Kapital, das sie zur Rettung bereitgestellt haben, wieder zurückhaben?
Die Eigenkapitalbindung der Sparkassen in der Landesbank ist hoch. Die wollen wir langfristig weiter zurückführen. Das ist ganz klar. Wir werden immer wieder die Eigenkapitalausstattung der Landesbank prüfen. Aber nicht zwanghaft. Wenn die Bank wachsen will, benötigt sie mehr Kapital. Wenn es anständig verzinst wird, lassen wir es lieber stehen als wenn nicht.