Blickt sorgenvoll in die Zukunft: Sparkassenpräsident Peter Schneider warnt vor den Nebenwirkungen der Niedrigzinspolitik Foto: dpa

Der Staat ist der Gewinner der Niedrigzinspolitik, sagt Sparkassenpräsident Peter Schneider und fordert den Staat auf, einen Teil an die Sparer zurückzugeben. „Das ist mehr als recht und billig.“

Stuttgart - Beim Thema Niedrigzinsen gerät Sparkassenpräsident Peter Schneider so richtig in Fahrt. Die Europäische Zentralbank (EZB) richte ihren Blick zu sehr auf die Problemländer. Die Nebenwirkungen der Niedrigzinssituation in Deutschland „werden heillos unterschätzt“, wettert der baden-württembergische Sparkassenkassenpräsident und warnt vor gravierenden Fehlentwicklungen: Immer mehr Menschen wenden sich vom Spargedanken ab und stock-solide Geschäftsmodelle geraten unter Druck.

Verlierer der Niedrigzinsphase seien die Sparer, Gewinner seien alle, die einen Kredit brauchen. „Der größte Gewinner ist der Fiskus“, so Schneider. Nach Hochrechnungen der Deutschen Bundesbank habe die öffentliche Hand in den vergangenen Jahren weit über 100 Milliarden Euro Zinsen gespart. Einen Teil dieser Ersparnis solle der Fiskus an die Sparer zurückgeben, „damit die Sparkultur nicht vor die Hunde geht“.

Schneider schlägt vor, das alte Modell des Prämiensparens wieder aufleben zu lassen, das bis in die 80er Jahre hinein galt. Angepasst an die heutige Situation sollten bis zu 1200 Euro pro Jahr auf ein Prämien-Sparbuch eingezahlt werden können, die wie ein Sparbuch verzinst würden – aktuell mit mageren 0,1 bis 0,5 Prozent. Die Sparphase solle sieben Jahre betragen. Am Ende sollte eine staatliche Prämie in Höhe von beispielsweise fünf Prozent dazukommen. „Ein solches Produkt würde Sparen wieder deutlich attraktiver machen.“

Dass die 53 Sparkassen im Land die Strafzinsen, die sie für Einlagen bei der EZB zahlen müssen, an Kunden weiterreichen, sieht der Sparkassenpräsident nicht. „Negativzinsen sind für unser Geschäftsmodell undenkbar“. Privatkunden würden sonst ihr Geld abheben und unters Kopfkissen oder in den Tresor legen, ist Schneider überzeugt. Verbandsgeschäftsführer Joachim Herrmann räumt ein, dass negative Zinsen an Firmenkunden und institutionelle Kunden in Form von Gebühren weitergereicht werden. Da könne es sein, dass die Zinsen unter null geraten.

Schneider verteidigt das Vorgehen der Landesbausparkasse Baden-Württemberg (LBS), die wie viele andere Bausparkassen Verträge kündigt, wenn Kunden zehn Jahre nach der Zuteilung das Darlehen nicht in Anspruch genommen haben. Ein Bausparvertrag sei kein Anlageprodukt für die Unendlichkeit. Durch die Niedrigzinsphase sind Altverträge für Sparer attraktiv, den Instituten sind die Verträge inzwischen zu teuer. Auf die Situation müsse die LBS mit Hochdruck reagieren, sagt Schneider, der dem Verwaltungsrat der LBS vorsitzt. „Ich kann nicht zusehen, wie das Ergebnis bei der LBS erodiert.“

Der Sparkassenverband hofft auf Rückendeckung durch die Politik. Konkret, dass Kündigungen von Altverträgen erleichtert werden. „Der Gesetzgeber wird reagieren“, ist Schneider überzeugt, weil das Super- Geschäftsmodell der Bausparkassen in der Niedrigzinsphase unter Druck kommt. Lebensversicherung und Bausparkasse in der Sparkassen-Finanzgruppe „verfügen über starke Reserven“, stellt der Verbandspräsident klar. Das Dilemma der gesamten Finanzbranche sei aber, dass sie „Zahlungsverpflichtungen aus der Zeit der Vor-Niedrigzinsphase“ habe. Das belaste die heutigen Ergebnisse sehr stark. Schneider schließt nicht aus, dass der Gesetzgeber in Eigentumspositionen eingreifen wird. „Ich prognostiziere Einschnitte, die wir uns noch nicht vorstellen können“, so Schneider. Auch, dass „vertraglich fixierte Positionen vom Gesetzgeber relativiert werden“.

Der hohe Belastung durch die Niedrigzinsphase lässt sich in den Ergebnissen der 53 Sparkassen im Südwesten für das Jahr 2014 noch nicht ablesen. Das Betriebsergebnis vor Bewertung erreichte 1,7 Milliarden Euro. Das war „ein leichtes Minus“ gegenüber 2013, „aber immer noch ein sehr gutes Ergebnis“. Der Zinsüberschuss, der 80 Prozent zum Ertrag der Sparkassen beisteuert, ist mit 3,4 Milliarden Euro konstant. In Zukunft werde es schwerer, dieses Ergebnis zu erreichen.Im Fokus standen erneut Immobilienfinanzierungen. Die Kreditsumme für Immobilien erreichte mit über 50 Milliarden Euro einen neuen Höchstwert.