Uwe Skrzypek beklagt sich, dass in Vaihingen viel auf ihn projiziert worden sei, was ihn nicht ausmache. Foto: Simon Granville

Der Oberbürgermeister Uwe Skrzypek in Vaihingen (Kreis Ludwigsburg) hat nach Spannungen im Gemeinderat einen Prozess zur Konfliktlösung eingeleitet – und hofft, die Stimmung zu verbessern.

Der Oberbürgermeister der Stadt Vaihingen Uwe Skrzypek will mit einer Konflikt-Moderation eine bessere Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat erreichen. Im Gespräch schildert er die Hintergründe und welche Erwartungen er an den gemeinsamen Prozess hat.

Herr Skrzypek, wie fühlen Sie sich nach zwei Jahren im Amt?

Ich bin im Rathaus ganz angekommen und habe das volle Spektrum der kommunalen Aufgaben gut erfasst, wie ich meine. Die letzten zwei Jahre waren für mich außerordentlich lehr- und erkenntnisreich.

Wir hörten, Sie hätten einen Mediator für ein besseres Miteinander im Gemeinderat eingeschaltet. Was hat Sie dazu bewogen?

Wir sind in einer Umbruchsituation zwischen altem und neuem Gemeinderatsgremium. Wir haben keine klassische Mediation vereinbart, sondern eine Konfliktberatung im Dreieck zwischen Gemeinderat, Oberbürgermeister und Bürgermeister. Ich bin als Demokrat zutiefst davon überzeugt, dass man Menschen durch Argumente erreichen kann. Das ist Grundvoraussetzung, um auf der Sachebene gute Entscheidungen zu treffen. Ich habe aber auch gelernt: Damit man auf der Sachebene gut miteinander diskutieren kann, muss die Beziehungsebene geklärt sein. Darum muss man sich kümmern: Wie gehen wir miteinander um?

Wann entstand die Idee zur Konflikt-Moderation?

Zwei politisch interessierte Bürger schlugen im Frühjahr vor, mit einer Mediation auf einen konstruktiveren Umgang im Gemeinderat und innerhalb der Verwaltungsspitze hinzuarbeiten. Ich bin auf das Gremium zugegangen und habe dort Zuspruch erfahren. Die Mehrheit war dafür, es so schnell wie möglich anzupacken. Wir wollen uns nun in einem Klausurwochenende im September darüber austauschen.

Wie bewerten Sie den bisherigen Umgang in Ihrem Umfeld?

Im Rückblick stelle ich fest: Die Wahlbewerbung zum Oberbürgermeister ist intensiv geführt worden – intensiver als in vielen anderen Kommunen. Das hat seinen Grund in einer Polarisierung der Bürgerschaft, die über viele Jahre gewachsen ist. Und diese Polarisierung hält leider an und behindert.

Der OB beklagt eine Polarisierung in der Bürgerschaft. Foto: Simon Granville

Worin besteht Ihrer Meinung nach diese Polarisierung?

Sie hat zunächst nichts mit mir zu tun, weder inhaltlich noch persönlich: Sie ist seit Jahren in Vaihingen spürbar. In der Wahlbewerbung zum Amt des Oberbürgermeister ist vieles auf mich projiziert worden, was mit meinen Aussagen und mit meinen Grundüberzeugungen als Mensch nichts zu tun hatte.

Sie waren Manager bei Daimler und gingen in die Politik. Hat das Ressentiments verursacht?

In einer polarisierten Stimmung gibt es immer Vorurteile und unbewusste Ablehnung.

Wie sehen Sie Ihren Status im Umfeld des Gemeinderats?

Ich bin parteilos und per se unabhängig. Bei mir ist Parteilosigkeit keine Orientierungslosigkeit, sondern unbedingte Voraussetzung, um ein sehr heterogenes Gremium unabhängig führen zu können. Obwohl wir im Gemeinderat mit neun unterschiedlichen Farben vertreten sind, bin ich jemand, der diesen mit großer Unabhängigkeit und Neutralität führen will. Aber: Parteipolitisch sozialisierte Menschen fragen sich in der Regel: Gehört er zu uns oder gehört er zu den anderen? Aus dieser Perspektive gehöre ich immer zu den anderen (lächelt). Ich bin nicht der klassische Parteipolitiker, der eine Hausmacht hat im Parlament, sondern verstehe mich als neutral, und so möchte ich gesehen werden. In Vaihingen ist aber noch der parteipolitische Blick vorherrschend. Deshalb strebe ich einen Wandel im Umgang miteinander an, es ist ein kultureller Wandel.

Was meinen Sie mit dem kulturellen Wandel?

Die Parteipolitik reagiert zunehmend mit einfachen Lösungen – komplexe Sachverhalte kommen zu kurz. Wir müssten aber mehr erklären: in der Bundes- und Landespolitik bis in den ländlichen Raum. Politikverdrossenheit hat drei Hauptgründe: Handlungsunfähigkeit durch Überbürokratisierung, parteitaktischer Populismus und eine mangelnde finanzielle Ausstattung für verpflichtende Aufgaben der Kommune. Ein Beispiel: Der Bund beschließt eine Pflicht zur Ganztagsbetreuung in Grundschulen von 2026 an. Jetzt sind wir mit drei Grundschulen in einem Losverfahren für Landes-Fördermittel. Ich frage mich, wie will man die Kommunen überhaupt in die Lage versetzen, diese Pflicht zu erfüllen?

Wo knirscht es im Gemeinderat?

Dass die Umgangsformen in den Sitzungen nur gut sind, würde ich nicht behaupten. Ich habe den Anspruch, dass wir 27 Ratsmitglieder respektvoll miteinander umgehen. Ich sehe meine Rolle darin, als Vorsitzender und Moderator ein Regulativ zu sein. Ich möchte aber auch, dass mir gegenüber ein Standard erhalten bleibt und dieser aus den Reihen des Rates selbst eingefordert wird. Es sollte eine Kultur des Miteinanders sein – das sollten wir vereinbaren.

Sie gingen bei der Auflösung des Wärmeversorgungskonzepts Leimengrube und Fuchsloch III mit Meinungsführern im Gemeinderat in den Konflikt. Wie sehr hängt Ihnen das nach?

Dieser notwendige Schritt, der uns energiewirtschaftlich wieder handlungsfähig gemacht hat, hat atmosphärisch Spuren hinterlassen. Ich sehe einen parteipolitischen Pauschalmechanismus am Werk. Wir müssen unterscheiden: Was ist richtig und was ist falsch – und nicht: wer ist mein Parteifreund oder Fraktionskollege?

Wie weit ist der Moderationsprozess?

Wir haben mit dem alten Gremium vor den Kommunalwahlen am 9. Juni begonnen. Es ist keine klassische Mediation, sondern ein „Vaihinger Weg“. Die Berater führten bereits Gespräche mit allen Gruppierungen. Sie holten ein Stimmungsbild ein, das sie im September präsentieren. Sie sind damit auch die Moderatoren der Klausur für den neuen Gemeinderat.

Wie läuft die Konfliktklärung ab?

Die Gespräche werden nicht nur zwischen Räten und Oberbürgermeister geführt, sondern in einem Dreieck: mit mir als Oberbürgermeister, mit den Gemeinderatsgruppierungen und mit Bürgermeister Klaus Reitze. Die Berater, eine erfahrene Kommunalberaterin und ein ehemaliger Bürgermeister-Kollege, tragen diese Stimmen in die Klausur. Ich bin mir sicher, dass wir einen großen Schritt aufeinander zu machen können.

In einer Klausur lässt Uwe Skrzypek Ergebnisse aus Gesprächen präsentieren. Foto: Simon Granville

Das Amt des Oberbürgermeisters gilt als arbeitsintensiv. Wie sind Ihre Erfahrungen damit?

Ich dachte zu Beginn, mir nach einem Jahr Stück für Stück persönliche und private Freiräume zurückerobern zu können. Aber es wird eine ganze Legislatur dauern. Kultureller Wandel braucht Zeit, auch innerhalb des Rathauses. Die Geschwindigkeit eines einzelnen ist in einer Organisation mit 700 Mitarbeitenden nicht relevant. Es gilt, sich gegenseitig mitzunehmen, aber auch Verantwortlichkeiten zu klären. Wir sind auf einem guten Weg, viele Mitarbeitende sind motiviert und qualifiziert, unsere kommunale Zukunft zu gestalten.

Die Gartenschau für 2029 ist beschlossen. Was darf sie kosten, und was ist nötig, damit die Stadt diesen Kraftakt schafft?

Der Schlüssel liegt in der Priorisierung. Und in der Förderung: Wie machen wir aus einem investierten Euro möglichst viel? Zum Ausbau des Radweges auf der alten Vaihinger WEG-Bahntrasse haben wir mehr als 90 Prozent Förderung erhalten. Die Gartenschau zahlt auf die Lebensqualität in der Gesamtstadt ein. Unser Ziel ist, die Stadt im Zeitraffer weiterzuentwickeln, wie das nur durch eine Gartenschau in Baden-Württemberg möglich ist.

Vom Daimler-Manager zum Oberbürgermeister

Uwe Skrzypek
 ist 53 Jahre alt, er kam im ostwestfälischen Bad Oeynhausen zur Welt. Er studierte nach einer Ausbildung zum Modellbauer-Gesellen an einer Hochschule Fahrzeugbau und arbeitete danach bei Automobilzulieferern. Bei der Daimler AG war er danach 22 Jahre lang in leitender Position in Forschung, Entwicklung und Design von Automobilen tätig.

Oberbürgermeister
 Uwe Skrzypek ist seit dem 1. September 2022 als Oberbürgermeister im Amt. Die Bürger wählten ihn mit 52,4 Prozent im zweiten Wahlgang. Er ist verheiratet mit Dr. med. Nathalie Skrzypek-Muth. Drei Kinder aus erster Ehe. Hobbys: Bewegung und Natur, am liebsten mit Hund Fidelio – und Lesen.