Die Bausünden vergangener Jahre sind noch unverkennbar, doch Málaga hat sich rund um die berühmte Stierkampfarena fein gemacht. Foto: Otto

Málaga war lange das Stiefkind Andalusiens. Doch die Stadt des Meisters hat sich fein gemacht.

El Pimpi ist einer, der einen guten Tropfen liebt. Oder gleich mehrere. El Pimpi frönt dem süßen Nichtstun, er lässt Tage und Nächte an den Theken und in den Gassen verstreichen. In der spanischen Umgangssprache ist El Pimpi ein Lebenskünstler. Es könnte deshalb keinen besseren Namen für eine Weinbar geben. Die Bodega in der Altstadt von Málaga ist ein alteingesessener Treffpunkt. Für die älteren Malagueños ist sie tagsüber das zweite Wohnzimmer. Den Jüngeren taugt sie als Startrampe in die heißen Nächte, vor allem am Wochenende. Eine Wand aus Weinfässern zieht die Blicke auf sich. Als Behälter haben sie längst ausgedient. Nun sind sie die Wall of Fame von Málaga. Jeder, der Rang und Namen hat, darf sein Servus auf die Fässer pinseln: Politiker, Sportler, Schauspieler – und Paloma Picasso, die berühmte Designerin. Ihr Vater ist freilich noch eine Spur berühmter: Pablo Picasso, das Kunstgenie, unbestritten der größte Sohn Málagas. Wie in spanischen Bars üblich baumeln im El Pimpi feinste Schinken von der Decke. Der verführerische Duft steigt in die Nase und benebelt die Sinne. Unterdessen verrichten die Ohren Schwerstarbeit: Denn typisch ist auch der Geräuschpegel. Man parliert nicht in gedämpftem Ton, man schreit sich an, während man Oliven kaut und Weingläser schwenkt. Málaga lebt auf.

Touristisch gesehen war Málaga lange Zeit scheintot. Die zweitgrößte Stadt Andalusiens wurde links liegen gelassen. Am Flughafen von Málaga landeten jährlich zwar Millionen von Sonnenanbetern, doch die Mehrzahl zog es schnell weiter in die Urlaubsorte an der Costa del Sol. Nach Marbella oder Torremolinos. Mit 320 Sonnentagen im Jahr ist Andalusien nach wie vor eine der beliebtesten Grillstationen Europas. Kulturbeflissene steuerten mit Vorliebe Sevilla und Granada an. In deren Schatten dämmerte Málaga jahrzehntelang dahin. Außer ganzjährig milden Temperaturen gab es auch wenig Grund zu bleiben.

Denn Málaga hatte seine Seele dem Spekulantentum untergeordnet. Alte Gebäude wichen gesichtslosen Bürokomplexen und Wohnsilos. Sogar direkt am Stadtstrand Playa de la Malagueta türmt sich Beton auf. Die Stadtverwaltung litt unter Bauwut und hatte keinen Plan, um den Charakter Málagas zu bewahren. Sogar Teile der heruntergekommenen Altstadt sollten plattgemacht werden. Dann kam der Sinneswandel. Vor allem um die Plaza de Uncibay und Plaza del Siglo erstrahlen nun historische Bauten in frischem Glanz, verkehrsberuhigte Zonen laden zum Bummeln ein. Vorteilhaft gelegen im Schatten der Kathedrale und der Reste der maurischen Festung Alcazaba. Málaga zieht wieder Besucher an wie ein andalusischer Schinken die Nase. In einem dieser restaurierten Altbauten steht Inés. Ein Glas Moscatel, den typischen Wein der Region, in der Linken. Die schwarzhaarige Schönheit ist Stammgast in der Bar Il Clandestino. "Wir Malagueños sind ehrlich und bodenständig", sagt sie, "wenn diese Stadt etwas nicht hat, dann ist es eine Profilneurose." Aber seinen Stolz, den hat Málaga wiedergefunden. Ehrensache, handelt es sich doch um eine Stadt in Andalusien. Stolz ist im äußersten Süden Spaniens kein Charakterzug, es ist eine Gegebenheit. Inés palavert über dies und das, und vor allem über die Shopping-Möglichkeiten. Die zentrale Straße Marques de Larios hat sich zu einer der elegantesten Einkaufszonen Spaniens gemausert. "Hier bekomme ich alles. In die hässlichen Malls in den Vorstädten gehe ich nicht", sagt Inés. Auch in Sachen Gastronomie hat Málaga stark nachgelegt. Es gibt mittlerweile einige Feinschmeckerlokale mit todschickem Interieur. Hat nicht auch ganz in der Nähe Hollywood-Schauspieler Antonio Banderas, ein weiterer berühmter Sohn der Stadt, ein Restaurant eröffnet? "Antonio kann mir gestohlen bleiben", entfährt es Inés, "dieser Rummel, wenn er mal da ist, das ist alles so künstlich, nicht meine Welt." Da ist sie nicht die einzige Einheimische, die so denkt: Im Restaurant Posado de Antonio verkehren deshalb vor allem Touristen. In der Hoffnung, einen Blick auf den Leinwand-Beau zu erhaschen. Meist vergeblich. Viel Lärm um nichts.

Das Il Clandestino dagegen war eine kleine Revolution in Málaga: Als allererste Bar der City hatte sie rund um die Uhr geöffnet. Die Altstadtbelebung macht den jüngeren Malagueños gehörig Appetit. Nicht nur auf Tapas & Co., sondern vor allem auf urbanes Leben. Ausgehen und Flanieren in der Altstadt sind schwer angesagt. An den Wochenenden tummeln sich Tausende rund um den Plaza de la Merced. Neben einer Handvoll uriger Tapas-Bars und Szene-Cafés steht hier auch das Geburtshaus von Pablo Picasso. Im Inneren zeigt es Werke des jungen Künstlers. Vor dem Haus flattern unzählige Tauben herum. Nicht wenige stolzieren sogar in die Bars. Man lässt sie gewähren. Immerhin waren Tauben die erklärten Freunde Picassos. Das offizielle Picasso-Museum befindet sich ein paar Ecken weiter. "Ohne Paloma würde es hier traurig aussehen", sagt Inés. Die Tochter Picassos war treibende Kraft bei der Verwirklichung des Museo Picasso. Sie knüpfte harte Bedingungen an ihr Engagement: Die historische Umgebung müsse erhalten und saniert werden. Etwas unverhofft wurde die Picasso damit zur Wegbereiterin des wieder erwachten Tourismus in Málaga. Inés kennt noch einen anderen, kuriosen Grund für die Wiedergeburt der Altstadt: einen ausgetrockneten Fluss. Wenige Hundert Meter westlich vom historischen Zentrum fließt der Rio Guadalmedina – oder das, was von ihm übrig blieb. Wegen des Ableitens vieler Bäche im Hinterland fließt der einst stolze Rio heute nur noch als Rinnsal durch das breite Flussbett. Es hat die Malagueños zusammengebracht. "Der Rio war eine natürliche Grenze in der Stadt", erzählt Inés. Rechts von ihm wohnte die kleine Oberschicht, links von ihm die armen Massen. Diese Schranke im Kopf existiert nicht mehr.

Das Rinnsal mündet in den Hafen. Auch er hat eine Aufhübschung erfahren. Immer mehr Kreuzfahrtschiffe legen deshalb hier an. Die Touristen stürzen sich als Erstes auf die Alcazaba oder die Kathedrale. Im Volksmund heißt sie la manquita, die Einarmige – weil sie nur über einen Turm verfügt. Der zweite wurde aus Geldmangel nie vollendet. Sie mussten deshalb viel Spott ertragen, vor allem aus Sevilla. Doch das haut die Malagueños nicht mehr um. Im Gegenteil, es macht sie stolz. "Welche Stadt hat schon eine Einarmige als Wahrzeichen?", fragt Inés.

Málaga

Anreise
Ab Stuttgart mit Air Berlin ( www.airberlin.de) oder Germanwings ( www.germanwings.de).

Unterkunft
Zentrumsnah beim Picasso-Museum liegt das Hotel del Pintor, ein sympathisches Designerhotel. Sämtliche Räume in dem sanierten Altstadthaus sind in Schwarz, Rot und Weiß gehalten. DZ ab 49 Euro, www.hoteldelpintor.com. Eines der wenigen internationalen Hotels in der City ist das NH Málaga. In dem funktional wirkenden Neubau nahe der Puente de la Esperanza verbergen sich schicke Zimmer im Boutiquestil. DZ ab 89 Euro, www.nh-hotels.com.

Preise
Boquerones (eingelegte Sardellen) 5 Euro
0,1-l-Glas Moscatel 2 Euro
Tapas 2 bis 6 Euro
Eintritt Picasso-Museum 6 Euro

Allgemeines
Informationen im Internet unter www.malagaturismo.com und www.visitcostadelsol.com.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall die Féria anschauen; das riesige Volksfest mit viel Wein, Kostümen und Flamenco steigt immer im August. Einen Besuch lohnen auch zwei hübsche botanische Gärten, sie spenden in der brütenden andalusischen Sonne etwas Schatten. Nahe am Hafen befindet sich der Paseo del Parque, und in den Hügeln außerhalb steht der märchenhafte Jardín Botánico-Histórico La Concepción mit allerlei tropischen Pflanzen. Auf keinen Fall nachts in den Außenbezirken allein unterwegs sein, vor allem, wenn man sich nicht auskennt.