Foto: Kathrin Harms

Eine Million Pilger verwandeln das Dorf El Rocío an Pfingsten in einen Rummelplatz.

Es rumpelt und wackelt auf dem Pferdewagen von Maribel. Adrett gekleidete Männer reiten auf Pferden vorbei, Bierdosen werden geöffnet, Weinflaschen entkorkt. Immer wieder ertönen laute Rufe, die wie eine Antwort auf die von Gitarren begleiteten Gesänge klingen: Viva! Die Pilgerfahrt nach El Rocío hat begonnen.

El Rocío ist ein 800-Seelen-Dorf, rund 80 Kilometer von Sevilla entfernt. Einmal im Jahr herrscht hier der Ausnahmezustand. Rund eine Million Pilger verwandeln das Dorf an Pfingsten in einen Rummelplatz. Vor und nach dem Ansturm der Massen herrscht geisterhafte Stille auf den ungeteerten, staubigen Straßen. Doch wenn der bunte Tross aus Sevilla und anderen andalusischen Städten erst einmal angerückt ist, wird in El Rocío gefeiert, Tag und Nacht.

Auf dem Pferdewagen von Maribel wird es langsam eng: Eine Tante und eine Cousine in bauschigen Flamencokleidern haben sich dazu gesellt, außerdem zwei Freunde in eng geschnittenen Hosen und kurzen Sakkos. Der eine stimmt seine Gitarre und summt mit einer Zigarette zwischen den Lippen ein Lied. Maribel ist jetzt 30 Jahre alt, seit 20 Jahren fährt sie nach El Rocío. An ihrem Hals baumelt ein silbernes Medaillon mit einem Abbild der Heiligen Jungfrau von Rocío. "Das hier", sagt sie, "habe ich zur Geburt bekommen." Sie und ihre Familie gehören zur katholischen Bruderschaft von Sevilla, einer von gut hundert Gemeinden, die sich traditionell gemeinsam auf die ein- bis fünftägige Wallfahrt begeben.