Foto: Spang

Das war das Comeback, das Präsident Obama brauchte. Stilistisch und inhaltlich dominierte er die 90 Minuten der Bürgersprechstunde an der University of Hostra in New York.  

Das war das Comeback, das Präsident Obama brauchte. Stilistisch und inhaltlich dominierte er die 90 Minuten der Bürgersprechstunde an der University of Hostra in New York. Nicht ganz so wie Mitt Romney in der ersten Debatte, aber doch genug, um das Narrativ in dem Rennen um das Weiße Haus wieder umzudrehen. Die Rückkehr eines Präsidenten, der mit Leidenschaft um vier weitere Jahre im Weißen Haus kämpft.

Die Instant-Umfragen bestätigten den Eindruck an der Mattscheibe. Die Befragten einer CNN-Erhebung sehen Obama mit 46 zu 39 Prozent als Sieger. Wobei man wissen muss, dass diesmal acht Prozent mehr Republikaner die Debatte verfolgten als Demokraten. In der Umfrage unter Unentschiedenen bei CBS hatte Obama ebenfalls die Nase vorn. Er führte mit 37 Prozent zu 30 Prozent für Romney, während 33 Prozent unentschieden blieben.

Was ist geschehen?

- Ein Riesen-Patzer Romneys, der bestimmt endlos im Fernsehen wiederholt wird: Der Rosengarten-Moment. Romney dachte, er habe Obama beim Thema Libyen in der Falle. Triumphierend hält der Herausforderer dem Präsidenten vor, er habe den Anschlag auf Botschafter Chris Stevens und drei seiner Mitarbeiter erst nach 14 Tagen als Terrorakt bezeichnet. Die souveräne Moderatorin Candy Crowley hielt dem die Fakten entgegen. “Können Sie das lauter sagen”, legt Obama nach, der mit Genugtuung die Bestätigung aufnahm, bereits am ersten Tag nach den Attacken im Rosengarten von einem Terroranschlag gesprochen zu haben. Romney steht blamiert dar. Die Leute fragen sich: Weiß er worüber er spricht?

- Obama hat dem Republikaner diesmal nicht die Bühne überlassen. Er forderte ihn von Anfang an heraus. Dabei gelang ihm die Gratwanderung, Romney ins Gesicht zu sagen, dass er die Unwahrheit sagt, ohne sich im Ton zu vergreifen. Gleich am Anfang setzt er den Ton. ”Nicht wahr”, hält er Romneys Job-Ideen entgegen. “Er hat keinen Fünfpunkte-Plan, er hat einen Einpunkteplan: Die Reichen sollen mehr Steuererleichterungen bekommen.” So geht es weiter. Aggressiv in der ersten Viertelstunde. Dann mit ruhigerem Ton, aber genauso hart in der Sache.

- Die Fragen aus dem Publikum umfassten ein weiteres Themenfeld als in der vergangenen Debatte. Obama kann endlich über Themen sprechen, bei denen er einen Vorteil hat: Einwanderung, Bildung, Gleichberechtigung. In all diesen Bereichen machte Romney eine schlechte Figur. Er musste sich während der republikanischen Vorwahlen so weit nach rechts bewegen, dass er nicht in die Mitte zurück kam.

Obama versetzte seinem Herausforderer bei der letzten Frage einen Ko-Schlag

- Obama brachte ihn bei den Frauen in die Defensive. Romneys Antwort auf die Frage, was er für Frauen tun werde, die gleichen Lohn für gleiche Arbeit erwarten, schwafelte er über seine Zeit als Gouverneur in Massachusetts. Er habe damals “Ordner voll mit Frauen” erhalten, als er nach “geeignetem” weiblichen Personal für sein Kabinett Ausschau hielt. Das mag in den 50er Jahren als fortschrittlich gegolten haben. Heute klingt es herablassend.

- Romney verlor bei den Latinos, denen er einigermaßen hilflos zu erklären versucht, was er damit meinte, als er sich bei den Primaries für “Selbstdeportation” einsetzte. Kein Thema, mit dem er in dieser Gemeinde Punkte machen kann.

- Obama versetzte seinem Herausforderer bei der letzten Frage einen Ko-Schlag. Bis zu diesem Moment hatte er sich die abfälligen Bemerkungen Romneys vor seinen reichen Geldgebern über die “47 Prozent” der Amerikaner aufgespart, die angeblich Kostgänger des Staates seien. Kurioserweise hatte der Gouverneur die Steilvorlage dazu geliefert. ”Ich kümmere mich um 100 Prozent der Amerikaner”, sagte er, bevor Obama das letzte Wort erhielt.  ”Ich glaube, Romney ist eine nette Person”, setzt der Präsident an.  ”Aber er bezeichnete 47 Prozent der Amerikaner als Opfer – was glauben Sie, über wen er da sprach?” Es folgt ein glühender Appell für eine gerechtere Gesellschaft. Romney darf nicht mehr antworten.

- Dabei war der Republikaner der “Bully” in der Debatte. Romney machte gleich am Anfang klar, dass er sich an die Übereinkunft hält, die seine Mitarbeiter ausgehandelt haben. Wie im richtigen Leben demonstrierte er auf der Bühne, das Regeln vielleicht für andere gelten, nicht für ihn. Er überzog die Zeit, unterbrach den Präsidenten, stellte direkte Fragen und versuchte die Moderatorin zu lehr-meistern. Er verhielt sich wie ein Passagier an Bord eines Linienflugs, der meint, er müsse sein Telefon nicht ausschalten.

Kommentatoren: Obama tat, was er tun musste

Romney versuchte während der Bürgersprechstunde die gleiche Taktik wie in der ersten Debatte. Nur traf er diesmal auf einen kampfeslustigen und gut vorbereiteten Amtsinhaber, der seinen Herausforderer entzauberte.

Die Kommentatoren waren sich sehr schnell einig, dass Obama tat, was er tun musste. Diese Runde ging eindeutig an den Präsidenten, der bei der dritten und letzten Debatte am kommenden Montag in einer sehr viel besseren Position ist. Dann geht es um die Außenpolitik – einem Bereich, in dem der Präsident klare Vorteile hat.

Das mindeste, was Obama in der zweiten Debatte erreichte ist, den Abwärtstrend in entscheidenden Wechselwähler-Staaten wie Ohio zu stoppen. Mit dieser Leistung ist schwer zu sehen, wie Romney ihn in dem “Muss”-Staat für Republikaner überholen will. Ein strategischer Sieg für Obama, der heute alle Chancen wahrte, sein Amt zu verteidigen.