Wer wird die bisherige CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel beerben: Annegret Kramp-Karrenbauer, Jens Spahn (Mitte) oder Friedrich Merz? Foto: Getty Images

Die Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden steht an diesem Freitag an: Für wen werden sich die Delegierten entscheiden? Die Stärken und Schwächen der drei Topkandidaten im Überblick.

Berlin - Acht Regionalkonferenzen, unzählige Interviews, eine Vielzahl von Talkshows - die drei aussichtsreichsten Kandidaten für den CDU-Vorsitz haben einen kurzen und heftigen Wahlkampf hinter sich. Und in einer Sache dürfte sich die heiß umworbene CDU-Basis nun einig sein: Noch nie hatte sie die Wahl zwischen drei so unterschiedlichen Charakteren beim Kampf um den Parteivorsitz. Neben unterschiedlichen Stärken bringen alle drei Kandidaten auch ihre Schwächen mit – wie unser Überblick zeigt.

Jens Spahn – Der Jugendhafte

Positiv

– Das stärkste Pfund, mit dem Jens Spahn wuchern kann, ist sein Alter. Der 38-Jährige kann biografisch glaubhaft für sich in Anspruch nehmen, die Interessen der Jüngeren im Blick zu haben. Das macht ihn glaubwürdig, wenn er im Hinblick auf eine aus seiner Sicht zu üppige Sozial- und Rentenpolitik davor warnt, die Zukunft nachfolgender Generationen durch zu hohe Lasten zu beeinträchtigen. In diesen Fragen kann er als selbst von den Entscheidungen der Politik Betroffener auftreten.

– Ein zentrales strategisches Problem der Christdemokraten ist der Verlust städtischer und akademischer Milieus, der eng mit dem Aufstieg der Grünen einhergeht. Spahn hat wenig vom bräsigen traditionsverhafteten Honoratioren-Duktus, mit dem die CDU vor allem bei jungem akademischem Publikum mit kunterbunten Familienentwürfen und internationaler Orientierung nicht mehr recht ankommt. Spahn ist da absolut anschlussfähig.

– Für alle in der Union, die finden, dass es Zeit ist für einen echten Wechsel statt eines Weiter-so unter anderen personellen Vorzeichen, ist Spahn ein attraktives Angebot. Er hat zwar programmatische Gemeinsamkeiten mit Friedrich Merz, der für einen grundsätzlich neuen Ansatz steht, kann aber wesentlich besser integrieren. Spahn hat als langjähriger Gesundheitspolitiker den Kontakt zum Sozialflügel seiner Partei nicht verloren. Das kommt ihm nun zugute.

Negativ

– Spahn ist wenig beliebt. Das kann man durchaus unfair finden, aber ein Wählermagnet ist er ganz bestimmt nicht. Das zeigt eine Umfrage nach der anderen. Er strahlt die kühle Intellektualität eines Experten aus. Das kommt bei anderen Experten an, aber ein Menschenfänger ist er bestimmt nicht.

– Spahn ist ein junger und damit auch recht unerfahrener Politiker, auch wenn er schon lange im Geschäft ist. Ob er sich schon die Abgebrühtheit angeeignet hat, die nötig sein kann, wenn seine Partei für eine längere Periode im Sturm steht, ob er dann Strategien entwickeln kann, ist eine offene Frage. Er hat sich bisher als Fachpolitiker bewährt. Parteipolitiker, gar Vorsitzender – das ist eine ganz andere Sache.

– Spahn ist niemand, der abwartet. Für das Kohl’sche Aussitzen fehlt ihm alle Geduld. Wenn er ein Problem erkannt hat, geht er es an. So hält er es als Gesundheitsminister. Ob das als Parteichef auch funktioniert, ist zweifelhaft. In einer Partei ist immer manches krumm und schief, und es ist klug, an manchem nicht zu rühren, Unvollkommenheiten auszuhalten und nicht jeden gut eingefrorenen Konflikt neu aufzubrechen, um ihn endgültig klären zu wollen.

Annegret Kramp-Karrenbauer – Der Gewinnertyp

Positiv

– Annegret Kramp-Karrenbauer hat die meiste Regierungserfahrung, was für eine spätere Kanzlerkandidatur relevant ist. Im Saarland hat sie als Ministerpräsidentin die Regierung geführt. Ihre Empfehlung sind diverse gewonnene Wahlen. In der gesamten Anhängerschaft – also nicht nur unter den Mitgliedern – ist sie Umfragen zufolge die Nummer eins des Bewerbertrios.

– Sie kennt die Partei in ihrer Gänze am besten. Als Generalsekretärin hat die 56-Jährige auf ihrer „Zuhör-Tour“ mitbekommen, wo der Schuh drückt – und dass es noch großen Respekt für die Nochvorsitzende Angela Merkel gibt. Wegen ihrer thematischen Breite sind mit Kramp-Karrenbauer ähnlich viele Koalitionsmodelle denkbar wie mit der Kanzlerin. AKK punktet mit ihrem Einsatz für die Partei, für die sie das Regierungsamt im Saarland aufgab.

– Den offenen Kommunikationsstil, mit dem sie einen Kontrapunkt zur Merkel-Ära setzen will, hat sie in den vergangenen Monaten bereits gelebt. In ihren regelmäßigen Mails an die Mitglieder hat Kramp-Karrenbauer schon häufig den richtigen Ton gefunden und ist dabei vor kontroversen Themen nicht zurückgeschreckt. Beim Thema Diesel war sie es, die den Schwenk der CDU hin zur Forderung nach Hardware-Nachrüstungen durch die Industrie öffentlich machte.

Negativ

– Vielen in der CDU ist es wichtig, dass es einen radikalen Bruch mit der Ära Merkel gibt. Dass Kramp-Karrenbauer für einen moderaten Neuanfang steht, ist parteiintern zugleich ihr größter Nachteil. Weil sie Teil der CDU-Führungsspitze war, die den Kurs der Kanzlerin mittrug, dürfte sie es schwer haben, die Enttäuschten oder zur AfD Abgewanderten zurück zur Union zu holen.

– In gesellschaftlichen Fragen ist die Mutter dreier Kinder sehr konservativ. Möglicherweise zu konservativ, um den von der CDU ersehnten Anschluss an die urbanen Milieus zu schaffen. Ihre Vorstellungen zum Lebensschutz, aber auch zur gleichgeschlechtlichen Ehe sind heftig umstritten. Ihr Argument, dass dann auch eine Ehe zwischen mehreren Partnern oder zwischen Geschwistern möglich werde, erzürnte nicht zuletzt den mit einem Mann verheirateten Gegenkandidaten Jens Spahn.

– Die Sorge in der CDU ist groß, dass die Vorsitzendenwahl zu einer tiefen Spaltung der Partei führen könnte. Nicht wenige glauben, dass diese Gefahr bei einer Wahl Kramp-Karrenbauers am größten wäre – weil sich die durch Merz neu motivierten oder zurückgekehrten Parteigänger endgültig verabschieden und eine besonders große Unruhe auslösen könnten.

Friedrich Merz – Der Hoffnungsträger

Positiv

– Er hat etwas, das sich die Öffentlichkeit immer wieder von Politikern wünscht: Friedrich Merz ist kein Apparatschik, der seit Jahrzehnten nicht anderes macht als Politik. Er kommt als einziger der drei Kandidaten praktisch von außen und hat die vergangenen Jahre in der freien Wirtschaft verbracht. Gleichzeitig leidet er nicht unter den Nachteilen eines klassischen Quereinsteigers, weil er politische Führungserfahrung hat und in der Partei gut vernetzt ist.

– Viele seiner Anhänger verbinden mit Merz die Hoffnung, dass er die CDU nach Merkel weg von der Mitte und damit klarer im konservativen Spektrum verorten könnte. Merz bringt als Mann des scharfen Wortes auch einen emotionalen, bisweilen populistischen Faktor in die Debatte ein. Es besteht zumindest die Chance, dass eine Lagerpolitik die politische Landschaft insgesamt neu ordnen, die Volksparteien stärken und die Ränder schwächen könnte.

– Merz ist Wirtschaftsexperte und genießt das Vertrauen des Mittelstands. Er steht für einen proeuropäischen und marktliberalen Kurs. Es ist spürbar, dass Merz für diese Themen brennt – auch nach seinem Rückzug aus dem Bundestag meldete er sich mit seinen Ansichten zur Finanzmarktkrise, zur Steuerpolitik oder zur Energiewende zu Wort.

Negativ

– Eine Million Euro Jahresgehalt sind eine tolle Sache. Aber wenn er sich damit zur gehobenen Mittelschicht zählt, ist das ein Hinweis auf eine verrutschte Sicht auf die Gesellschaft. Nicht nur mit dieser Äußerung hat Merz den Verdacht genährt, dass ihm die Fühlung zur Lebenswirklichkeit der Mehrheit abhandengekommen sein könnte. Auch der Vorstoß, den Kauf von Aktien für die private Altersversorgung steuerfrei zu stellen, geht an der Realität vieler Menschen vorbei.

– Auch wenn man mit 63 Jahren in der Politik im besten Alter ist, verkörpert Merz keinen zeitgemäßen Politikstil. Er war gut eine Dekade lang abwesend, in einer Phase, in der sich nicht nur manche Debatte weiterentwickelt, sondern auch das politische Geschäft massiv verändert hat. Sein Debattenvorstoß zum Grundrecht auf Asyl wirkte, als sei er nicht auf der Höhe der Zeit. Mit den sozialen Netzwerken fremdelt er.

– Wann immer die CDU über mögliche Heilsbringer diskutierte, fiel der Name Merz. Es könnte eine gehörige Portion Projektion im Spiel sein. Merz ging, als Merkel kam, er wollte sich nicht unterordnen. Er blieb so lange weg, bis die Führungsrolle vakant wurde. Damals hat der Kandidat nicht bewiesen, dass er einen moderierenden Politikstil pflegt, der die Parteibasis mitnimmt. In Umfragen schnitt Merz seinerzeit bei den Beliebtheitswerten nicht gut ab.