Etwa 17 CAP-Lebensmittelmärkte betreibt die Neue Arbeit im Großraum Stuttgart. Foto: Lichtgut

Der vormalige Chef des Sozialverbundes Neue Arbeit geht vor Gericht gegen seine fristlose Kündigung vor. Es ist nicht das letzte Kapitel in der Aufarbeitung einer größeren Affäre.

Fast ein Jahr ist es her, dass die Europäische Staatsanwaltschaft Anfang September ihre Ermittlungen gegen den Unternehmensverbund Neue Arbeit wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug durch mehrere Mitarbeiter öffentlich machte. Das Sozialministerium hatte bei der Prüfung verschiedener ESF-Projekte, die aus dem Europäischen Sozialfonds öffentlich gefördert wurden, und teils auch bei Jobcenter-Projekten Unregelmäßigkeiten entdeckt. Diese führten dazu, dass sechsstellige Rückzahlungssummen, insgesamt im niedrigen siebenstelligen Bereich, gegen das Unternehmen geltend gemacht wurden.

 

Nach 23 Jahren im Führungsamt fristlos gekündigt

Seither ist bei der Neuen Arbeit, größtes diakonisches Arbeitshilfeunternehmen bundesweit, kein Stein auf dem anderen geblieben – speziell aufgrund des Drucks vom Ministerium, das eine „Selbstreinigung“ gefordert hatte. Die Führung wurde umfassend ausgetauscht. Nun ist zumindest eines der belastenden Kapitel abgeschlossen: Am Mittwoch wehrte sich der frühere Geschäftsführer Marc Hentschke vor dem Stuttgarter Landgericht gegen die außerordentliche Kündigung, die sein alter Arbeitgeber ihm gegenüber Anfang Oktober ausgesprochen hatte – nach 23 Jahren in dem Führungsamt. Seine Klage gegen die abrupte Beendigung des Geschäftsführer-Dienstvertrages mündete nun in einen Vergleich.

Die fristlose Kündigung war vor allem damit begründet worden, dass der damalige Geschäftsführer bei dem Unternehmen keine Struktur geschaffen hätte, die eine ordnungsgemäße Dokumentation ermöglicht. Als weiterer Grund wurde angeführt, dass Hentschke, nachdem er von den Rückforderungen erfahren hätte, den Aufsichtsrat über seine Kenntnisse nicht korrekt informiert und Dokumente zurückgehalten habe.

Die zunächst konfrontative Haltung wurde durch eine vorläufige Rechtsauffassung des Gerichts zu sogenannten Wertungsfragen aufgelöst. Demnach sah es „Anhaltspunkte“, die zugunsten der Arbeitgeberseite sprechen. Letztlich willigten beide Seiten in den daraufhin angeregten Vergleich ein.

Dienstverhältnis rückwirkend zum 31. Dezember 2024 beendet

Dieser sieht vor, dass das Dienstverhältnis ordentlich erst zum 31. Dezember 2024 beendet wird. Hentschke erhält nachträglich seine jeweils fünfstelligen Bruttomonatsbezüge für Oktober (sofern noch offen), November und Dezember. Das Dienstzeugnis soll „wohlwollend qualifiziert“ ausfallen, Leistung und Führungsverhalten sollen entsprechend gut bewertet werden, um dem weiteren Berufsweg nicht übermäßig zu schaden – wobei auch hier noch um Details gefeilscht wurde. Das Verfahren wurde vor dem Landgericht geführt, weil das Arbeitsgericht in der Regel keine Zuständigkeit für einen ehemaligen Geschäftsführer hat.

Hentschke hatte sich über seine lange Amtszeit hinweg in der sozialen Arbeit einen bekannten Namen geschaffen – er war bundesweit gut vernetzt. Aktuell ist er auf Honorarbasis tätig und auf der Suche nach einer neuen festen Aufgabe. Auch weil er für die Politik nicht immer bequem gewesen sei, so vermuten Kenner der Szene, habe der Arbeitgeber keine frühe Verständigung auf einen einvernehmlichen Abgang gewollt.

Der Aufsichtsratsvorsitzende akzeptiert die Einigung

Hauptgesellschafterin der Neuen Arbeit ist zu 98 Prozent die Evangelische Gesellschaft (Eva) mit Sitz in Stuttgart. Insofern trägt deren Vorstandsvorsitzender, Pfarrer Klaus Käpplinger, als Aufsichtsratsvorsitzender der Neuen Arbeit auch die Hauptverantwortung für die Kündigung. „Wir akzeptieren die vom Gericht angeregte Einigung“, sagte er auf Anfrage unserer Zeitung. Was sie für die Aufarbeitung der Betrugsvorwürfe bedeutet, bleibt demnach offen. „Ob diese Einigung von Interesse für das Sozialministerium ist, können wir nicht beurteilen“, so Käpplinger. Nach seinen Worten wäre es nicht möglich gewesen, den arbeitsrechtlichen Konflikt im Vorfeld der juristischen Auseinandersetzung aus dem Weg zu räumen. „Wir haben diese gerichtliche Einigung gebraucht, um mögliche versicherungsrechtliche Ansprüche nicht zu verlieren“, sagte der Eva-Chef.

Dass zu große Zugeständnisse Nachteile an dieser Stelle bringen könnten, war auch in der Verhandlung angeklungen. Vom Landgericht zu prüfen war ohnehin nur die außerordentliche Kündigung. Nicht erledigt sind damit die strafrechtlichen Ermittlungen. Dazu war zunächst keine Stellungnahme der Europäischen Staatsanwaltschaft zu bekommen; das Sozialministerium will sich aufgrund des laufenden Verfahrens nicht äußern.