Ältere Menschen brauchen Hilfe beim Essen zubereiten. Foto: dpa

Vor allem im Stadtteil Münchingen brauchen immer mehr ältere Bürger eine Hilfe im Haushalt.

Korntal-Münchingen - Wenn Barbara Schlotter gefragt wird, was sie an ihrer Arbeit am meisten schätzt, dann antwortet sie: „Die Dankbarkeit, die die Kunden mir entgegenbringen.“ Dankbarkeit dafür, dass jemand sich Zeit für sie nimmt und sie unterstützt – bei Arbeiten, die sie nicht mehr selbst erledigen können, weil sie alt oder krank sind: einkaufen, kochen, spülen, staubsaugen, putzen, Wäsche waschen.

Schlotter verdient ihr Geld, indem sie sieben Tage die Woche solche Arbeiten erledigt. Als Leiterin des Haus- und Hilfsdienstes Münchingen – ein Kooperationspartner der Sozialstation Korntal-Münchingen – helfen sie und ihr Team in Münchingen, Kallenberg und Müllerheim derzeit rund 70 vor allem älteren Menschen im Haushalt, bei Arztbesuchen und Behördengängen. „Wichtig sind auch Gespräche und Spaziergänge. Viele Ältere sind einsam“, sagt Schlotter. Sie verbringt oft mehr als eine Stunde bei einem Kunden. Für diesen wird sie schnell wie ein Teil der Familie.

Familienstrukturen lösen sich auf

Der Haus- und Hilfsdienst ist eine Art Türöffner: Es ist häufig der Haushalt, den viele Ältere zuerst nicht mehr allein schaffen, bevor sie dann Pflegebedarf haben. In Münchingen ist das Angebot stark gefragt. 2016 kümmerten sich Schlotter und ihr Team nur um etwa 42 Menschen. Damit ist die Nachfrage im Jahr 2017 um fast 70 Prozent gestiegen. In Korntal ist die Zahl der Kunden um rund 20 Prozent auf 116 gewachsen. Das hat mehrere Gründe.

„In Münchingen lösen sich die bisher dörflich geprägten Familienstrukturen zunehmend auf“, beobachtet Jörg Henschke, der Geschäftsführer der Sozialstation. Hat sich bis vor rund zehn Jahren noch die Familie, vor allem die Ehefrau, Tochter oder Schwester um die Pflege eines Angehörigen gekümmert, übernehmen dies immer öfter Pflegedienste, weil jene Frauen verstärkt ihrem Beruf nachgehen wollen.

Ambulante Pflege gestärkt

Auch die Pflegereform spielt eine Rolle. Im Januar ist das Pflegestärkungsgesetz II in Kraft getreten, es stärkt die ambulante Pflege. Wer daheim gepflegt wird, erhält mehr Geld aus der Pflegekasse. Statt drei Pflegestufen gibt es nun fünf Pflegegrade. Dadurch können insgesamt mehr Menschen als bisher Leistungen in Anspruch nehmen. Besonders Demenzkranke haben jetzt einen besseren Zugang zu Leistungen. Die Zahl der Mitarbeiter der Sozialstationen ist indes weitgehend stabil geblieben – sofern die Einrichtungen nicht ohnehin schon unter Fachkräftemangel leiden.

In Korntal-Münchingen kommt das Personal vor allem in der Ferienzeit kaum noch mit der Arbeit hinterher, in der Pflege wie im hauswirtschaftlichen Bereich. Jede zehnte Anfrage muss dann abgelehnt werden. „Die Leute planen ihren Urlaub, denken aber zu spät daran, dass sich auch in der Zeit jemand um die Angehörigen kümmern muss“, sagt die Pflegedienstleiterin Silvia Berthele, zuständig für die häusliche Krankenpflege. Schlimmstenfalls findet sich kein Ersatz. Berthele rät daher, sich rechtzeitig um einen Pflegedienst zu kümmern. Wer auf der Warteliste steht, wartet etwa einen Monat auf die gewünschte Leistung.

Kampf gegen den Fachkräftemangel

Laut Geschäftsführer Henschke könnte die Sozialstation, die von November an 55 Mitarbeiter hat, ihr Personal um zehn bis 15 Prozent aufstocken. Arbeit gebe es angesichts des demografischen Wandels genug. Rund 300 Menschen betreut die Sozialstation momentan ambulant. Doch es fehlen Fachkräfte. Aus Henschkes Sicht bekommen Pflegekräfte zu wenig Anerkennung. Er kritisiert: „Es heißt immer, wie wichtig der Pflegeberuf ist, aber das spiegelt sich nicht einmal finanziell wider.“

Henschke ist überzeugt, dass man als Arbeitgeber selbst einiges gegen den Fachkräftemangel tun kann – was sich im besten Fall herumspricht. Der Chef vermittelt seinen Mitarbeitern Wertschätzung, indem er etwa gemeinsame Ausflüge organisiert. Flexible Arbeitszeiten und Einsatzmöglichkeiten erleichtern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In der Sozialstation arbeiten 90 Prozent Frauen.