509 Menschen suchten im vergangenen Jahr beim Arbeitskreis Leben Unterstützung. Foto:  

Ein Verein hilft seit Jahrzehnten Menschen in schweren Krisen oder nach einem missglückten Suizid. Das Sozialreferat in Stuttgart möchte dafür einspringen, zumal der Verein seit bald zehn Jahren keine höheren Zuschüsse erhielt. Doch der Finanzbürgermeister rät davon ab.

Stuttgart - Die Drucksache 118 aus diesem Jahr ist eine von 30 Vorlagen der Sozialverwaltung, die derzeit in den Ausschüssen des Gemeindrats diskutiert werden. In 118 geht es um eine bessere finanzielle Unterstützung des Arbeitskreises Leben (AKL), eines Vereins, der Menschen in Lebenskrisen, mit Suizidgedanken oder nach einem Suizidversuch zur Seite steht und auch Angehörige nach einem Suizid auffängt.

Bisher hat sich der Verein mit Hilfe eines Fördervereins, Zuschüssen von Land und Stadt sowie aus zwei großen Bußgeldzuwendungen finanziert. Der Etat lag zuletzt bei rund 200 000 Euro, doch die Bußgeldzuwendungen der Gerichte wurden nicht wiederholt, es entstand eine Finanzierungslücke.

Jährlich rund 30 000 Euro mehr

Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) hält das Angebot des AKL „aus sozialplanerischer Sicht für unverzichtbar“ und schlägt vor, die seit zehn Jahren unveränderte Förderung von 64,8 auf 80 Prozent zu erhöhen, was in den beiden kommenden Jahren insgesamt rund 63 000 Euro mehr kosten würde. Er argumentiert außerdem, dass der Fördersatz somit angeglichen wäre an jenen, den die Sozialpsychiatrischen und Gerontopsychiatrischen Dienste von der Stadt bekommen.

Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) ist anderer Meinung: Das Referat sei „der Auffassung, dass es nicht zwangsläufig Aufgabe der Landeshauptstadt ist, den Wegfall der Finanzierung aus Drittmitteln durch städtische Fördermittel zu kompensieren“. Das Finanzreferat empfiehlt außerdem, die Höhe der Förderung davon abhängig zu machen, „inwieweit der Nutzerkreis des Beratungsangebotes aus der Landeshauptstadt stammt“. Da keine 100, sondern nur 72 Prozent der Ratsuchenden aus Stuttgart kämen, sei „ein Fördersatz von 80 Prozent nicht angemessen“.

Verein müsste Angebote einschränken

Luigi Pantisano von der Fraktion SÖS/Linke plus nannte die Stellungnahme des Finanzreferats „erschütternd“, woraufhin Wölfle ihn darauf hinwies, dass es Fölls Aufgabe sei, auf solche Dinge aufmerksam zu machen. Den Stadträten zugewandt sagte er jedoch: „Sie sind Herr des Verfahrens.“

Sollte sich die Mehrheit des Gemeindrats während der Haushaltsplanberatungen also einig sein, kann der AKL wie gehabt weiterarbeiten. „Wenn nicht, müssen wir unser Angebot einschränken“, sagte Dietrich Sprandel nach der Sitzung des Sozialausschusses am Montag. Der Vorsitzende des Vereins verwies darauf, dass der Verein ohnehin schon mit lediglich vier Hauptamtlichen in Teilzeit arbeite. Diese müssten regelmäßig 30 Ehrenamtliche schulen und ihnen Supervision anbieten. Zuletzt sei, wie in Vereinen allgemein zu beobachten, die Verweildauer der Ehrenamtlichen gesunken, was den Schulungsaufwand erhöhe. „Außerdem muss ein erster Ansprechpartner da sein, wenn jemand zu uns kommt und Hilfe braucht“. Im Jahr 2015 waren das immerhin 509 Menschen.