Bundessozialministerin Andrea Nahles Foto: dpa

Ja, es gibt Verlierer bei der Ost-West-Rentenangleichung. Daher gehe es nun darum, die Löhne im Osten anzupassen, sagt Andrea Nahles. Und ja, die höhere Erwerbsminderungsrente kommt nur Neurentnern zugute.

Berlin - Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) hat noch vor Ende der Legislaturperiode zwei weitere heftig kritisierte Rentenprojekte auf den Weg gebracht. Das Kabinett verabschiedete am Mittwoch in Berlin ihre Gesetzentwürfe zur Ost-West-Rentenangleichung sowie für eine höhere Erwerbsminderungsrente für Menschen, die etwa aufgrund eines Unfalls nicht mehr voll arbeiten können. Zugleich verteidigte Nahles ihre Reformen gegen Kritik insbesondere ostdeutscher Ministerpräsidenten.

Die Renten in Ost- und Westdeutschland sollen bis zum 1. Januar 2025 vollständig angeglichen werden. Die Anhebung auf das Westniveau soll 2018 beginnen und in sieben Schritten vollzogen werden. Im Gegenzug soll die höhere Bewertung der Löhne für die Rentenberechnung im Osten ebenfalls in sieben Schritten gesenkt werden. Das bedeutet, dass künftige Rentnergenerationen im Osten auf die Höherbewertung ihrer Renten verzichten müssen.

Die jährlichen Kosten für die Angleichung sollen bei bis zu maximal 3,9 Milliarden Euro im Jahr 2025 liegen. Sie werden nach einem Kompromiss von Nahles mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aus Beitrags- und Steuermitteln finanziert. Dazu wird der Bundeszuschuss für die Rente erhöht - schrittweise auf bis zu zwei Milliarden Euro ab 2025.

Nach dem Gesetzentwurf zur Erwerbsminderungsrente sollen nur jene Menschen bessergestellt werden, die ab dem 1. Januar 2018 neu in eine Erwerbsminderungsrente gehen. Derzeit werden Betroffene bei der Rente so gestellt, als hätten sie bis zum 62. Lebensjahr weiter gearbeitet. Diese sogenannte Zurechnungszeit soll für künftige Erwerbsminderungsrentner stufenweise bis 2024 um drei Jahre auf 65 Jahre verlängert werden.

Die Anpassung koste 1,5 Milliarden Euro, sagte Nahles. Sie bedauerte, dass nach der üblichen Rentensystematik die Anhebung der Erwerbsminderungsrente nicht auch für jene 1,8 Millionen Betroffenen gilt, die schon in Rente sind. Gerade bei diesen Menschen sei das Risiko von Altersarmut besonders hoch.

Der Sozialverband VdK übt Kritik

Aus Sicht von Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) erfolgt die Rentenangleichung „später als im Koalitionsvertrag ursprünglich vereinbart“. Zudem erfolge die Abschmelzung des Höherwertungsfaktors für Berufstätige im Osten zu abrupt, was spätere Rentenbezieher benachteilige. Grundsätzlich begrüße er die Gesetzesinitiative aber.

Nahles räumte ein, dass Ost-Arbeitnehmer nach der Angleichung künftig bei der Bewertung ihrer Renten benachteiligt würden. Das sei aber ein Problem des unterschiedlichen Lohnniveaus in Ost und West. Daher gelte es in den nächsten Jahren eine vernünftige Strategie zu entwickeln, um die Löhne im Osten entsprechend anzupassen. Sie könne daher nicht verstehen, dass sich gerade Ost-Ministerpräsidenten gegen den von ihr durchgesetzten Mindestlohn gesperrt hätten.

Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA, Steffen Kampeter, erklärte: „Die Ost-West-Angleichung ist überfällig und ein wichtiger Schritt, um die deutsche Einheit zu vollenden. Auch die Lage von Menschen mit Erwerbsminderung zu verbessern, ist richtig.“ Beide Beschlüsse würden aber Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusätzlich belasten.

Der Sozialverband VdK kritisierte: „Wer aufgrund gesundheitlicher Probleme vorzeitig aus dem Beruf aussteigen muss, wird oft mit einer Armutsrente bestraft. Leider ändert sich durch die aktuell geplanten Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner kaum etwas an dieser Situation.“ Die Betroffenen seien im Durchschnitt erst 50 Jahre alt. Schon heute seien 40 Prozent der Menschen, die in Haushalten von Erwerbsminderungsrentnern leben, von Armut bedroht.