Der Träger der 1974 erbauten Einrichtung in der Wagnerstraße darf künftig auch nur noch Menschen auf-nehmen, die eine Sozialmiete erhalten. Foto: Patricia Sigerist

Obwohl es für den Bau des Trakts mit betreuten Wohnungen ein zinsverbilligtes Darlehen gab, hat die Trägerstiftung normale Marktpreise abkassiert. Dabei dürfen in den 43 Appartements eigentlich nur Menschen mit geringem Einkommen leben.

Fellbach - Die über Jahre vergessene Mietbremse für Senioren im Betreuten Wohnen des Fellbacher Philipp-Paulus-Heims könnte weit reichende Folgen haben. Denn die in Stuttgart sitzende Stiftung Evangelische Altenheimat muss etlichen Bewohnern nicht nur einen Teil der überhöhten Wohnungskosten erstatten. Der Träger der 1974 erbauten Einrichtung in der Wagnerstraße darf künftig auch nur noch Menschen auf-nehmen, die eine Sozialmiete erhalten.

Beim Bau der Wohnanlage nämlich flossen auch Steuergelder

Bisher kann lediglich ein Bewohner der 43 Appartements auch einen so genannten Wohnberechtigungsschein vorweisen. Den aber müssten eigentlich alle Menschen haben, die in dem Trakt leben. Beim Bau der Wohnanlage nämlich flossen auch Steuergelder – ein zinsverbilligter Landeskredit mit 83 Jahren Laufzeit war an die Verpflichtung gekoppelt, Menschen mit geringem Einkommen eine vergünstigte Miete zu gewähren. Diese Auflage freilich hat in den vergangenen Jahrzehnten bei der Belegung offenbar keine Rolle gespielt. Die 43 Appartements in der Wagnerstraße wurden nach Warteliste an Interessenten vergeben, samt Nebenkosten liegt der reguläre Quadratmeterpreis bei 20 Euro.

Aufs Thema Wohnberechtigungsschein aber wurden Interessenten nicht explizit hingewiesen. „Dass hier einmal Fördergeld geflossen ist und wir in der Vermietung gebunden sind, daran konnte sich selbst unser im vergangenen Jahr in Ruhestand gegangener Vorstandsvorsitzender Hans Kübler nicht mehr erinnern“, sagt Inge Deborre, die Sprecherin der Stiftung. Auch die im Vorstand der Altenheimat für die Bereiche Liegenschaften und Finanzen verantwortliche Gabriele Blume war von der Auflage mit der Sozialmiete nach ihren eigenen Worten „völlig überrascht.“

Auch im Fellbacher Rathaus waren die aktuellen Einkommensgrenzen erst kürzlich ein Thema

Nicht gerechnet hat die Kauffrau und gelernte Krankenschwester auch mit der Tatsache, dass inzwischen gut die Hälfte der Fellbacher Bürger in den Genuss einer preisreduzierten Miete kommen könnte. „Wir konnten das anfangs gar nicht recht glauben“, gibt Gabriele Blume zu Protokoll.

Die Einkommensgrenze für sozialen Wohnungsbau liegt bei einer Einzelperson bei 48 450 Euro. Bei einer vierköpfigen Familie gilt die Marke von 66 450 Euro „Wer hätte vor Jahren gedacht, dass ein solches Bruttoeinkommen zum Einzug in eine Sozialwohnung berechtigen könnte? Wohl niemand!“, wunderte sich jüngst Kernens Bürgermeister Stefan Altenberger über den Effekt des Wohnungsmangels. Auch im Fellbacher Rathaus waren die aktuellen Einkommensgrenzen erst kürzlich ein Thema – und ein Grund, bei der Wohnbauoffensive aufs Gaspedal zu drücken. Ans Licht kam die jahrelange Fehlbelegung im Betreuten Wohnen des Philipp-Paulus-Heims allerdings nicht erst jetzt. Bereits 2016 mahnte das Wirtschaftsministerium des Landes bei den Kommunen im Süd-westen eine Prüfung an, ob mit Steuergeld geförderter Wohnraum auch entsprechend belegt sei. Die Stadt forderte deshalb schon im Februar 2017 bei der Stiftung einen Nachweis über die korrekte Vergabe an.

Wer seit Jahren „unberechtigt“ im Betreuten Wohnen lebte, muss sich allerdings keine Sorgen über einen Umzug machen.

Dennoch dauerte es laut Rathaussprecherin Sabine Laartz fast zwei Jahre, bis die Stiftung reagierte: Ausgerechnet bei einer internen Weihnachtsfeier wurden die Senioren im Betreuten Wohnen von Heimleiter Hansjörg Krauß in Kenntnis gesetzt, dass sie sich um Wohnberechtigungs-scheine zu kümmern hätten. Mit der Nachricht bekamen die Bewohner ein vierseitiges Antragsformular in die Hand gedrückt. Weil das Papier etliche Bewohner reichlich überforderte, bot die Stadt Fellbach sogar zwei Beratungsnachmittage im Altenheim an, bei denen ein freundlicher Mitarbeiter den Senioren beim Ausfüllen des Antrags zur Hand ging. Über 30 Personen ließen sich einen Termin geben, mittlerweile sind offenbar ein halbes Dutzend Wohnberechtigungsscheine bereits erteilt worden. Rechtlich ist die Stiftung Evangelische Altenheimat verpflichtet, die Mieten der Bewohner mit Wohnberechtigungsschein zu kürzen. Außerdem muss sie die bislang zu viel kassierten Summen erstatten. Die Rede ist von einer Mietminderung von bis zu 15 Prozent – bei einem Preis von fast 900 Euro für ein Einzelzimmer kein kleiner Betrag. Unklar ist bisher allerdings, wie viele Jahre die Pflicht zur Nachzahlung zurückreicht. Die Stiftung geht aktuell von mindestens drei Jahren aus, für die sie zu viel gezahlte Mieten erstatten muss.

Wer seit Jahren „unberechtigt“ im Betreuten Wohnen lebte, muss sich allerdings keine Sorgen über einen Umzug machen. „Die Bestandsmieter dürfen auch weiterhin hier wohnen bleiben“, beruhigt Inge Deborre. Dass das Betreute Wohnen für die Stiftung nun aber finanziell „„wenig attraktiv“ ist, gibt Gabriele Blume unumwunden zu: „Wir schlagen aus dem Standort im Moment keine Gewinne.“

Auch für die Stadt gibt es Folgen: Wenn im Betreuten Wohnen des Philipp-Paulus-Heims künftig nur noch Menschen mit einer Sozialmiete ziehen dürfen, stellt sich die Frage nach einer Alternative für besser betuchtes Klientel. Das wird auch den Pflegeplan beeinflussen, an dem die Stadt aktuell arbeitet. Gesprächsbedarf ist da: Künftige Interessenten am Betreuten Wohnen werden am Donnerstag um 17.30 Uhr im Gemeinschaftsraum des Philipp-Paulus-Heims über die Entwicklung informiert.