Sarah Seibold (links) und Erika Kienzler vom Esslinger Verein „Frauen helfen Frauen“ müsse hilfesuchende Gewaltopfer immer häufiger vertrösten. Foto: Ines Rudel

Der Verein „Frauen helfen Frauen“ schlägt Alarm. Weil es in Esslingen keine Wohnungen gibt, müssen Bewohnerinnen länger als nötig im Frauenhaus bleiben.

Esslingen - Früher war eine Bewohnerin höchstens sechs Monate im Frauenhaus, heute sind es bis zu neun Monate. Der Grund ist die anhaltende Wohnungsnot und das Fehlen von Sozialwohnungen in Esslingen. Deswegen können Frauen, die den schwierigen Weg in die Trennung von ihrem gewalttätigen Partner gegangen sind, nicht aus dem Frauenhaus ausziehen, um ein neues Leben zu beginnen. Das bedeutet allerdings auch, dass Plätze nicht mehr so schnell frei werden und andere bedrohte Frauen keinen Platz im Esslinger Frauenhaus erhalten.

Oft machen Frauen eine mehrjährige Gewalterfahrung

„Wir können nur sagen, es tut uns leid“, sagt die Sozialarbeiterin Erika Kienzler, und man merkt ihr an, wie sehr es sie schmerzt, hier nicht helfen zu können. Schließlich sind es Frauen, die sich oft nach mehrjähriger Gewalterfahrung an die Beratungsstelle wenden.

Die Polizei ist im vergangenen Jahr in Esslingen 107 Mal wegen häuslicher Gewalt eingeschritten und hat 38 Platzverweise ausgesprochen. Meist sind es Männer, die dann ihren Wohnungsschlüssel zunächst einmal für drei Tage bei der Polizei abgeben müssen. Gibt es keine Einigung zwischen den Streitenden, können sich die weiblichen Opfer an den Verein „Frauen helfen Frauen“ wenden und einen Platz in einem Frauenhaus suchen. Diese Häuser werden vom Verein geheimgehalten, um die Frauen vor Nachstellungen zu schützen. Meist wechseln die Opfer die Stadt, das bedeutet, dass sich in Esslingen zuallermeist Frauen von außerhalb aufhalten. Schließlich gibt es Männer, die nicht nur die Frauen abpassen wollen, sondern auch die Kinder, „das geht dann bis zur Gefährdung des Kindeswohls“, sagt Sarah Seibold, die ebenfalls als Beraterin beim Verein „Frauen helfen Frauen“ tätig ist.

Es geht nicht nur um körperliche Gewalt

Die Frauen haben hier einen erweiterten Gewaltbegriff. Es geht nicht nur um körperliche Gewalt. Es geht um verbale Gewalt, Erniedrigungen, hundertfach geäußerte Sätze, wie „Du bist nichts wert, du kannst nichts“, die das Selbstbewusstsein der Opfer zermürben, bis schließlich nichts mehr davon übrig ist. Ebenso zählt zur Gewalt der Entzug von Geld oder von Freiheit.

Etwa 30 Frauen nimmt das Frauenhaus Esslingen pro Jahr auf, meist mit den Kindern. Das heißt, es gibt bei jedem Neuzugang eine Menge Arbeit für die Sozialarbeiterinnen. Sie müssen die Frauen psychisch wieder aufbauen, einen Anwalt besorgen, die Kinder in einen Kindergarten bringen und eine Wohnung suchen. Beim Thema Kindergärten scheint der Verein das Problem gelöst zu haben. „Wir kooperieren gut mit den Kindergärten. Sie halten Plätze für uns frei“, sagt Erika Kienzler. Etwa 70 Mitglieder hat der Esslinger Verein „Frauen helfen Frauen“, davon sind sechs hauptamtlich tätig.

Auch Männer sind Opfer von häuslicher Gewalt. Nur gibt es darüber praktisch keine aktuellen Untersuchungen, die Schätzungen schwanken von drei bis 50 Prozent aller Opfer. Männer werden naturgemäß viel eher Opfer von psychischer Gewalt als von physischer. Die Frauen kontrollieren sie, zerstören ihre Freundschaften oder drohen damit, ihnen das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder zu entziehen. Aber auch Männer, die Opfer von häuslicher Gewalt sind, finden Anlaufstellen. Sie können sich an die Fachberatungsstelle für Gewaltprävention in Stuttgart wenden.

Notfälle: Frauen finden Hilfe unter der Telefonnummer 07 11/35 72 12 oder 07 11/37 10 41. Männer können sich an die Fachberatungsstelle Gewaltprävention wenden. Hier hilft Jürgen Waldmann (07 11 / 945 58 53 14) weiter.