Das Mittagessen gibt dem Miki in Stuttgart-Birkach hseinen Namen. Aber es geht um viel mehr. Foto: Theresa Ritzer

Die Frauen, die einmal die Woche mit ihren Kindern zum Miki in Stuttgart-Birkach kommen, haben oft weder Anschluss noch Geld. Beim gemeinsamen Mittagessen lassen sie die Sorgen für kurze Zeit Sorgen sein.

Birkach - Gedrängelt wird nicht. Eine nach der anderen betreten die Frauen die kleine Küche. Neben Nurja Kazimi steht abwartend ihr zweijähriger Sohn Ayhan. Joanna Schwitalik reicht jedem von ihnen einen Teller mit Mittagessen: Eiauflauf mit klein geschnittenen Karotten und Kohlrabi in einer Kräutersauce. Dazu gibt es einen Salat. Ayhan balanciert seinen Teller selbst an den Esstisch im Nebenraum.

Seit mittlerweile sechs Jahren besucht Kazimi das Zentrum des Arbeitskreises Birkach-Nord an der Erisdorfer Straße 88. Dienstags können dort Mütter mit ihren Kindern zu Mittag essen – „Miki“, wird die wöchentliche Mahlzeit abgekürzt. Die Kinder sind meist bis zu drei Jahren alt. Eine Freundin hat Kazimi davon erzählt, nachdem sie gerade frisch nach Birkach gezogen war. „Ich dachte mir, das probiere ich einmal aus“, sagt sie. Und es habe ihr so gut gefallen, dass sie seit damals zu jedem Miki gekommen sei.

Die Reste werden heimlich eingepackt

Zwölf Frauen scharen sich um den großen Tisch im Zimmer, zwischen ihnen vier Kinder. Zehn Portionen bestellt Maria Fecht aktuell vom Nikolaus-Cusanus-Haus. Das reicht aus. Wenn etwas übrigbleibt, können die Frauen es mit nach Hause nehmen. „Manche schämen sich dafür, dass sie diese Hilfe brauchen“, sagt Fecht, die Leiterin des Miki. Diesen Frauen würde sie dann heimlich etwas einpacken.

Die Pädagogin leitet den Treff seit zwei Jahren. Sie übernahm die Aufgabe von einer Kollegin aus dem Städtischen Elternseminar und einer Mitarbeiterin der Mobilen Jugendarbeit. Diese Einrichtung hatte einst auch die Idee für das Miki. Der Arbeitskreis Birkach-Nord hilft seit mehr als zehn Jahren schon mit im Miki-Team. „Wir treffen uns 30-mal im Jahr“, sagt Fecht. Immer dienstags ist Miki-Zeit. Nur in den Ferien nicht. „Dann müssten die Frauen ja ihre schulpflichtigen Kinder mitbringen und die, die in den Kindergarten gehen“, sagt Fecht. „Das könnten wir schon vom Platz her gar nicht leisten.“

Mittagessen für einen Euro

Schon jetzt sitzen die Frauen dicht an dicht. Nicht alle finden einen Platz am Tisch; Joanna Schwitalik und Aneta Budzilowicz bleiben in der Küche. Beide gehören zum Betreuerteam und haben zuvor die großen Warmhaltekisten vom Nikolaus-Cusanus-Haus hergeschleppt. „Will noch jemand einen Nachschlag?“ fragt Schwitalik aus der offenen Küchentür. Zwei der Frauen stehen auf, ihre Teller in der Hand. Ayhan holt sich lieber den Nachtisch: eine Schale Vanillepudding.

Einen Euro pro Familie bezahlen die Frauen für das Mittagessen. Als symbolischen Betrag will Maria Fecht das aber nicht verstanden wissen. „Für manche der Frauen, die hierher kommen, ist das schon ein nicht unerheblicher Betrag“, sagt sie. Einige leben von Arbeitslosengeld oder hätten nur schlecht bezahlte Jobs, sodass sie aufstocken müssten.

In Birkach leben – im Vergleich zu den restlichen Filderbezirken Stuttgarts – die meisten Kinder, die unter 15 Jahre und arm sind. Im Jahr 2016 lag die Quote bei 15 Prozent. Besonders betroffen sind dabei Kinder, die mit einem alleinerziehenden Elternteil zusammenleben. In den meisten Fällen ist dies die Mutter.

Anderen Frauen helfen, hier anzukommen

Das Mittagessen könne für die Frauen ein Anreiz für das Miki sein, sagt Fecht. „Für manche der Frauen ist es die einzige Möglichkeit in der Woche, aus dem Haus zu kommen“, sagt sie – manchmal wegen der Kinder, manchmal aus einem anderen Grund. „Oft kommen Frauen, die kein Wort Deutsch sprechen“, sagt zum Beispiel Budzilowicz. Diesen Frauen könne das Miki helfen, Anschluss zu finden. „Es ist ein Integrationsprojekt“, sagt Budzilowicz. Sie kann gut nachvollziehen, wie sich diese Frauen fühlen. „Ich bin selbst mit meiner Familie nach Deutschland gekommen, ohne ein Wort Deutsch zu können“, sagt sie. Über den Kontakt mit anderen Frauen habe sie damals nicht nur die Sprache gelernt, sondern sei hier angekommen. „Dabei möchte ich nun auch den Frauen, die zum Miki kommen, helfen“, sagt sie.

Zum Miki gehört mehr als das namensgebende Mittagessen. Schon um kurz nach halb elf, eineinhalb Stunden vor dem Mittagessen, klingelt es zum ersten Mal. Nurja Kazimi und Ayhan kommen an diesem Tag als Erste. Ayhan strebt direkt aufs Spielzimmer zu. Er holt zwei Spielzeugautos aus einer Kiste und rutscht mit ihnen auf dem blauen Teppich herum. Ein anderes Kind klopft währendessen auf ein Tamburin.

Vorbereitung für den Kindergarten

Für Aneta Budzilowicz ist die Kinderbetreuung die Hauptaufgabe. „Die Mütter sollen das Vertrauen fassen, ihr Kind anderen Menschen anzuvertrauen, zum Beispiel den Erziehern im Kindergarten“, sagt sie. Für Frauen aus anderen Kulturkreisen, die keine Kindergärten oder Tagesstätten kennen würden, sei das manchmal gar nicht so einfach.

Dabei hätten die Kinder jede Menge Spaß, sagt Nurja Kazimi. „Ayhan kann sich so schon einmal auf den Kindergarten vorbereiten“, sagt sie. In den kommt er nämlich nächstes Jahr. Dabei sei er ziemlich schüchtern. Im Miki treffe er heute schon andere Kinder und lerne, dass seine Mutter auch mal weg sein kann.

Fragen zu Fernsehen und Ämtern

Die Frauen sitzen in dieser Zeit nebenan am Tisch. Sie diskutieren über Themen aus ihrem Alltag, zum Beispiel darüber, wie oft Kinder fernsehen oder wie lange sie im Internet surfen dürfen. Das ist auch für die Frauen wichtig, deren Kinder schon zu alt für das Miki sind. „Mein Jüngster ist jetzt in den Kindergarten gekommen“, sagt Füsun Ozbeyk, doch zuvor habe sie ihn hierher mitgebracht. „Er hat immer darauf gewartet, dass Dienstag ist“, sagt Ozbeyk.

Aber auch ohne ihre Kinder kommt Ozbeyk regelmäßig vorbei. „Hier sehe ich meine Freundinnen“, sagt sie. Deshalb schaue sie immer vorbei, wenn sie bei der Arbeit frei habe. Andere haben Fragen zu Papieren, die sie von Ämtern geschickt bekommen haben, zum Kindergeld oder zum Arbeitslosengeld.

Besteck klappert, Geschirr klirrt. Aneta Budzilowicz räumt die letzten Teller in die Spülmaschine. Es ist 13 Uhr. Nacheinander schauen die Frauen in der Küche vorbei und verabschieden sich von den Betreuerinnen. „Bis nächste Woche!“, wenn das Miki wieder seine Türen öffnet.

Um Projekte wie das Miki weiterhin finanzieren zu können, bittet der Arbeitskreis Birkach-Nord um Spenden. Diese gehen an die Evangelische Kirchengemeinde Birkach unter dem Kennwort AKBiNo. Die IBAN lautet: DE96 6005 0101 0002 5612 62.