L-Bank-Vorstand Ulrich Theileis verteidigt die Eigenheimförderung in Zeiten der Niedrigzinspolitik: Auch das trägt zur Entspannung am Wohnungsmarkt in der Stadt bei. Foto: Lg/Piechowski

Mit Geld allein lässt sich der Wohnungsmangel nicht beheben. Warum es nicht helfen würde, die Fördermittel jetzt auszuweiten, sagt Ulrich Theileis, Vize-Chef der L-Bank, im Interview.

Stuttgart - Der Bestand an Sozialwohnungen wird nach einer Prognose in den nächsten Jahren drastisch einbrechen. Ohne das neue Förderprogramm des Landes würde sich der Mangel verschärfen. Warum es nicht helfen würde, die Fördermittel jetzt auszuweiten, sagt Ulrich Theileis, Vize-Chef der L-Bank, im Interview.

Herr Theileis, die steigende Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum gibt es nicht erst seit gestern. Im Land fehlen 88 000 Wohnungen. Hätte die Politik früher gegensteuern müssen?
Im Nachhinein lässt sich die Frage leicht beantworten. Heute kann man sicherlich sagen, man hat vor ein paar Jahren die Wohnraumsituation unterschätzt. Aber das ist kein Vorwurf. Die demografischen Studien, die vorlagen, gingen von einer abnehmenden Bevölkerungszahl aus. Hätten wir vor einigen Jahren mehr Mittel in den Wohnungsbau gesteckt, hätten wir viel Gegenwind gespürt.
Das Land hat im Frühjahr ein neues Programm zur sozialen Wohnraumförderung aufgelegt. Reichen die Mittel von 250 Millionen Euro aus, um die Lücke zu schließen?
Im Moment reichen die Gelder aus, auch deshalb, weil es im sozialen Wohnungsbau verschiedene limitierende Faktoren gibt. Das Zusammenwirken von Wohnungsbaugesellschaften, Kommunen, der Finanzierung und den Handwerkern muss passen.
Wo sehen Sie einen Engpass?
Wir haben in ganz Baden-Württemberg ein starkes Zusammenspiel von Wohnungsbaugesellschaften. Hier sind wir exzellent aufgestellt. Auch das Volumen des Landeswohnraumförderungsprogramms reicht momentan aus. Die beiden begrenzenden Faktoren sind die öffentliche Hand und das Handwerk.
Wo klemmt es konkret?
Der Engpass im öffentlichen Bereich reicht von der Verwaltung, die teilweise bei Bauanträgen und Genehmigungen nicht hinterher kommt, bis hin zur Flächenbeschaffung, die sicherlich nicht überall im Vordergrund steht. Im Handwerk sind jetzt langsam die Folgen der fragwürdigen Niedrigzinspolitik zu spüren. Der dadurch ausgelöste Bauboom führt dazu, dass es teilweise bei größeren Projekten auf Ausschreibungen gar keine Bewerbungen mehr gibt oder der Auftrag teuer wird.

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Der Bestand an Sozialwohnungen im Land wird bis 2030 um 36 Prozent einbrechen. Spitzt sich die Lage für Wohnungssuchende weiter zu?
Für sich betrachtet ja. Durch das Auslaufen der Mietpreisbindung im sozialen Wohnungsbau fallen zwangsläufig preisgünstige Wohnungen weg. Mit dem ganzen Paket an Maßnahmen, die das Land mit uns als seinem Wohnungsförderer ergriffen hat, steuern wir dagegen. Unser Ziel ist es, nicht nur den Wegfall von Sozialwohnungen zu kompensieren, sondern auch darüber hinaus neue Wohnungen zu schaffen.
Hat man gedacht, in einem so prosperierenden Land wie Baden-Württemberg habe sich der soziale Wohnungsbau überholt?
Baden-Württemberg steht im Durchschnitt sehr gut da – hinsichtlich der Arbeitsplätze, der Verdienstmöglichkeiten und der Bildung. Aber: es gibt ein weites Feld an Menschen mit einem unterdurchschnittlichen Einkommen. Wir haben einen Bedarf an sozialem Wohnraum, wie es ihn woanders auch gibt.
Ist der Wohnungsmangel nicht längst ein Hemmnis bei der Suche nach Fachkräften?
Das ist eindeutig so. Es gibt gerade hier in der Region viele Mittelständler, die an ihre Wachstumsgrenzen stoßen werden, weil Fachkräfte fehlen. Die Qualität des Wohnraums ist einer der durchaus entscheidenden Faktoren für eine Arbeitsplatzwahl.
Wie ist nach gut einem halben Jahr die Nachfrage nach dem neuen Wohnraumförderprogramm, das die L-Bank bearbeitet?
Der Start war zögerlich, das ist aber nicht verwunderlich. Wohnungsbau ist keine spontane Aktivität, hier wird langfristig geplant. Inzwischen läuft das Programm sehr gut. Die Nachfrage entspricht absolut den Erwartungen. Die Arbeit, die das Wirtschaftsministerium und die Beteiligten der Wohnraum-Allianz in die Entwicklung des Programms gesteckt haben, zahlt sich jetzt aus.
Gibt es Pläne, das Volumen des Programms auszuweiten?
Eine Ausweitung des Volumens würde nicht den gewünschten Effekt haben, weil wir immer noch die begrenzenden Faktoren haben. Was recht gut anläuft ist die nachträgliche Mittelbindung oder die Bindungsverlängerung, die das Programm auch vorsieht.
Wie funktioniert das?
Bei der klassischen sozialen Wohnraumförderung läuft die Mietpreisbindung nach 15 Jahren aus. Danach kann der Investor oder die Wohnungsbaugesellschaft frei darüber verfügen. Viele solche Wohnungen fallen demnächst aus der Bindung heraus. Jetzt kann der Mieter, wenn er die Kriterien für eine Sozialwohnung nachweist, weiter zu den günstigen Bedingungen wohnen bleiben. Die Wohnungsbaugesellschaft kann zudem nicht sozial genutzte Wohnungen freiwillig umwidmen. In beiden Fällen gibt es eine entsprechende Kompensation für die Gesellschaft aus dem Programm.
Fließen die Fördermittel in die Ballungszentren oder verteilen sie sich gleichmäßig über das ganze Land?
Wir haben durch das neue Programm ein flächendeckendes Angebot, aber das Gros der Mittel läuft in die Ballungsräume. Dort ist aber auch die Wohnungsnot am größten. Wir haben unverändert die Bewegung vom ländlichen Raum in die Zentren. In den Hochschulstädten kommen noch die Studenten dazu.
Sie fördern neben dem sozialen Wohnungsbau auch das Eigenheim. Braucht es in Zeiten von Niedrigzinsen diese Förderung noch?
Ja, die Eigenheimförderung ist wichtig. Wenn wir das Eigenheim fördern, trägt das auch zur Entspannung am Wohnungsmarkt in der Stadt bei. Die Eigenheimförderung ist zudem ein Programm zur Altersvorsorge und zum Zusammenleben von Generationen. Wir wollen als Förderbank aber auch ein verlässlicher Partner sein – auch für die, die heute noch nicht genügend angespart haben. Nicht zu vergessen die soziale Komponente: Unsere Eigenheimförderung hat Einkommensgrenzen. Die Landesregierung will Familien unterstützen, die sich nicht so leicht tun.
Werden alle, die jetzt bauen, die Finanzierung auch noch durchhalten, wenn die Zinswende kommt?
Unser Ansatz ist da konservativ, wir fordern eine Tilgung von mindestens zwei Prozent. Wer heute sein Eigenheim so kalkuliert, dass es nur mit einem Prozent Tilgung klappt, handelt fahrlässig. Wenn dann eine Zinsbindung von nur zehn Jahren dazu kommt, birgt das große Risiken.
Wo werden denn die neuen Wohnungen, die gefördert werden entstehen?
Wir werden nicht alles in der Innenstadt vereinen: Den gläsernen Wohnturm für Vermögende neben dem historischen Stadtzentrum und den Sozialwohnungen. Wir müssen uns davon lösen, dass alles in der Fußgängerzone funktioniert.
Sie appellieren dafür, Wohnen am Stadtrand zu fördern?
Ja, aber das ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Wenn ich in so genannten Randlagen die Schule, das Krankenhaus und den Lebensmittelladen schließe und obendrein funktioniert der Nahverkehr nicht, dann zieht es dort keinen hin. Wenn ich aber nicht nur Wohnblöcke baue, sondern Stadtviertel erschaffe mit allem, was es braucht, könnte das für Entlastung in den Stadtzentren sorgen. Vielleicht wohnt es sich in so genannten B-Lagen sogar schöner als mittendrin. Aber wir müssen diese Lagen verkehrstechnisch besser anbinden an die Zentren.