Die Bänke auf der Königsstraße sollen für Bürger sein, die kurz verweilen möchten. So sieht es die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte. Foto: Martin Haar

Die Idee der Bezirksvosteherin, Sitzgelegenheiten an Brennpunkten zu verringern, stößt auf Widerstand. Die Fraktionsgemeinschaft SÖS/-Linke-plus findet das Vorhaben unmenschlich, die Caritas hält es für nicht hinnehmbar.

Stuttgart - Für Veronika Kienzle scheint der Zweck der Sitzgelegenheiten in der Königstraße und am Schlossplatz klar zu sein: Die Bänke sind für die Bürger da um „kurz zu verweilen“, wie die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte unserer Zeitung sagte. Dass dort Teile der Obdachlosenszene campierten und die Bänke nutzten, bezeichnete sie als „Zweckentfremdung“.

Für ihre Pläne, Teile der Bänke teilweise abzumontieren, erntet Kienzle jetzt Kritik. Stadtrat Christoph Ozasek (Linke) sieht in dem Vorhaben, das von der Bezirksvorsteherin, ansässigen Geschäftsleuten, der City-Initiative Stuttgart (CIS), Ordnungsamt und Polizei an einem runden Tisch erörtert wurde, Augenwischerei: „Eine örtliche Problemverlagerung sensibilisiert die Mehrheitsgesellschaft für die Ungerechtigkeiten unserer Zeit, mit Armut und sozialem Leid konfrontiert zu sein, wirklich nicht.“

Unsozial und unmenschlich

Darum hat die Fraktiongemeischaft SÖS/Linke-plus im Gemeinderat einen Antrag gestellt, in dem sie für die Erhaltung aller Bänke plädiert. „Wer die Konsequenz zieht, einfach alle Sitzgelegenheiten zu entfernen, hat etwas Grundlegendes nicht verstanden. Das ist unsozial und unmenschlich“, sagt Luigi Pantisano, der integrationspolitische Sprecher von SÖS/Linke-plus. Damit wäre das Thema wohl raus aus dem Bezirksbeirat Mitte, der eigentlich nach einer Ortsbegehung am Mittwoch Abend über das weitere Verfahren entscheiden wollte.

Doch nicht nur im Gemeinderat erntet der Plan, Sitzbänke abzumontieren, Kritik. Auch Leserreaktionen zeigen, dass das Thema auch jenseits der städtischen Gremien nicht unumstritten ist.

Keine Wohnsitzlosen vertreiben

Für ausreichend Sitzgelegenheiten in der City solle zwar gesorgt sein, schreibt Steffen Geis. „In keinem Fall darf das jedoch damit geschehen, wohnsitzlose Menschen zu vertreiben.“ Und fragt weiter: „Warum schlafen überhaupt Menschen bei diesen Temperaturen auf der rauen Königstraße und haben keinen festen Wohnsitz?“ Auch ein anderer hat nur Kopfschütteln für das Vorhaben übrig und schreibt: „Diese Menschen sind auch ein Teil unserer Gesellschaft, ob das Geschäftsleuten, der CIS, dem städtischen Ordnungsamt und der Polizei nun gefällt oder nicht.“

Letztere Zuschrift war auch an Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle direkt andressiert. Diese relativierte in ihrem Antwortschreiben einige ihrer Aussagen. Ursprünglich habe das Ordnungsamt das Abschrauben eines großen Teils der Sitze im unteren Teil der Königsstraße bereits angeordnet. Das habe Kienzle als „unangemessen“ empfunden. Ihre Intervention, die Sitzgelegenheiten anderenorts wieder aufzubauen, sei als Kompromiss zwischen Einzelhändlern und sozialen Randgruppen zu sehen.

Kompromiss mit Randgruppen

Veronika Kienzle beharrte allerdings auf ihrem Standpunkt, die Anzahl der Sitzgelegenheiten an den Brennpunkten zu reduzieren, an denen sie besonders viele Beschwerden von Passanten und Geschäftsleuten vernommen hat. Namentlich sind das die ersten drei Sitzreihen um die Bäume in der Königstraße aus Richtung Klett-Passage kommend.

Die Idee, soziale Brennpunkte zu bekämpfen, indem dort Übernachtungsmöglichkeiten rar gemacht werden, ist beim Ordnungsamt nicht neu. Pläne, das Klima in der Klett-Passage durch die Installation von Kunstwerken an den Schlafplätzen zu verbessern, die das Übernachten dort erschwert hätten, sind vor zwei Jahren gescheitert: Die Kunstakademie wollte sich für so etwas nicht hergeben.

Unterdessen hat sich auch die Caritas zu dem Thema positioniert. Laut Caritas-Vorstand Uwe Hardt sei die Haltung des Bezirksbeirates Mitte und dessen Vorsitzender Veronika Kienzle nicht hinnehmbar. Er ist er Auffassung, dass zur Stadtgesellschaft alle Menschen gehören, die in der Stadt leben. „Steigende Armutsquoten und eine besorgniserregende Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt bringen auch die reiche Stadt Stuttgart immer mehr in eine soziale Schieflage“, so Hardt, Eine Stadt für alle dürfe sich aber nicht einer unternehmerisch orientierten Stadtentwicklungspolitik unterwerfen, die zunehmend sozial schwache oder auffällige Menschen aus dem öffentlichen Raum ausschließe.