Ein positiver Schwangerschaftstest löst nicht immer Freude aus. Foto: imago//Zhuykov

Der Sozialdienst katholischer Frauen will künftig wieder alle Schwangeren beraten – auch jene, die sich am Ende vielleicht gegen das ungeborene Kind entscheiden.

Stuttgart - Die Schwangerenberatung des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) soll wieder werden, wie sie vor der Jahrtausendwende war: eine echte ergebnisoffene Beratung, die unter Umständen auch in dem Entschluss gegen das ungeborene Kind enden kann. Seit 20 Jahren darf der SkF nicht mehr im Konfliktfall beraten, sondern ist ausschließlich für Schwangere zuständig, die sich bereits für ihr Kind entschieden haben. Die Ehrenvorsitzende des Vereins, Therese Wieland, betont, dass durch die umfassende Aufklärung über die Hilfen, die eine werdende Mutter erhalten kann, manche Frau umgestimmt worden sei. Seit 1977 hatten die Sozialarbeiterinnen beim SkF Frauen in Konfliktsituationen auf der Grundlage der damaligen Indikationsregelung bei Schwangerschaftsabbrüchen beraten.

Rom befahl den Verzicht auf die Beratung

Die fünfte Gesetzesnovelle 1995 löste das Indikationsmodell ab und bereitete in der katholischen Kirche erheblichen Unmut, weil eine Schwangere, die ihr Kind nicht austragen will oder nicht kann, bei einer staatlichen Beratungsstelle eine schriftliche Bescheinigung über das Gespräch ausstellen lassen muss und damit bei einem Arzt einen Abtreibungstermin vereinbaren kann.

Am 31. Dezember 2000 verkündete auf Weisung Roms der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, den Ausstieg der katholischen Anlaufstellen aus dem staatlichen Beratungssystem. Der SkF hätte sich als Verein theoretisch diesem Verbot widersetzen können, er wird aber von der katholischen Kirche finanziert. „Hätten wir damals weitergemacht, wären zugunsten der Konfliktberatung alle unsere anderen Angebote für Frauen in schwierigen Lebenslagen ohne Finanzierung gewesen“, erklärt die Abteilungsleiterin Offene Dienste beim SkF, Christa Reuschle-Grundmann.

Nun sehen sie und Geschäftsführerin Angela Riße durch die aufkeimenden progressiven Strömungen in der katholischen Kirche eine Chance, wieder in eine ergebnisoffene Beratung einsteigen zu können. „Die Beratung von Frauen im Schwangerschaftskonflikt gehört zu den Kernaufgaben des Vereins“, betont Therese Wieland. Die Art der Konflikte, in denen viele Frauen stecken, seien ein Seismograf für die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse, so Angela Riße. Allein 2020 hat der Verein in Stuttgart und der Region über eine halbe Million Euro an bedürftige Schwangere verteilt. „Die Frauen können von dem Regelbedarf durch das Arbeitslosengeld II nicht leben“, rechnet die Geschäftsführerin vor, und Christa Reuschle-Grundmann sieht in den horrenden Mieten und den Schwierigkeiten, überhaupt eine Wohnung zu finden, ein großes Konfliktpotenzial für Schwangere.

Vom Strampler bis zum Mutter-Kind-Programm

„Wir können den Frauen zwar keine Wohnung zaubern, aber wir können sie in vielen anderen Bereichen beraten“, betont sie. Dazu gehört die Information der Betroffenen über die ihnen zustehenden Leistungen, die Korrespondenz mit dem Jobcenter, die Klärung von Fragen des Aufenthaltsrechts oder des Sorgerechts. Die Begleitung durch den SkF kann bis zu drei Jahre nach der Geburt des Kindes fortgeführt werden und beginnt schon mit dem Angebot in dessen Kleiderkammer mit kostenlosen Strampelhosen und Kinderbetten bis hin zur Unterstützung durch das Projekt Miriam, das unter anderem von der Spendenaktion der Stuttgarter Zeitung, „Hilfe für den Nachbarn“ e. V., ermöglicht wurde. 1147 Klientinnen mit und ohne Partner haben 2020 die Beratung des SkF in seinen Büros in Stuttgart, Waiblingen, Nürtingen, Esslingen sowie in Ludwigsburg und Bietigheim aufgesucht. „Die Beratungsarbeit ist nicht weniger geworden“, sagt Therese Wieland. Gerade deshalb will der SkF wieder eine Schwangerenberatungsstelle für alle Frauen sein.