Am ersten Tag des Southside-Festivals konnten die Besucher noch feiern. Foto: dpa

Nur wenige Stunden nach Beginn des Bühnenprogramms wurde das Southside-Festival am Freitagabend wegen heftiger Unwetter abgebrochen. Was bleibt ist der Frust über die entgangenen Auftritte. Und ein paar wenige musikalische Entdeckungen. Ein Resümee.

Neuhausen ob Eck - Irgendwie wurde “Hurra, die Welt geht unter” von K.I.Z. zum Lied des Southside-Festivals, obwohl die Band gar nicht auftreten konnte. Was von dem diesjährigen Open-Air-Fest bleibt, sind vor allem Bilder von düsteren Gewitterwolken, von matschigen Wegen, verwüsteten Zeltplätzen. Weltuntergangsstimmung eben. Dabei hatte nach dem Rabatz-und-Radau-Donnerstagabend im Partyzelt auch das Bandprogramm am Freitagnachmittag gut begonnen. Wer trotz der schwülen Hitze früh vor den Bühnen war, könnte immerhin ein paar musikalische Highlights erleben. Klar, kein Wanda, kein Annenmeykantereit, kein Two Door Cinema Club und eben auch keine Headliner wie Deichkind, The Prodigy, Mumford&Sons oder Rammstein. Aber eben doch gute Musik.

16 Uhr, Red Stage

Kann Country-Musik cool sein? Sie kann. Mit seinem obligatorischem Cowboyhut und der Mundharmonika steht Ryan Bingham am frühen Freitagnachmittag auf der Red Stage. Der Mann mit der rauen Stimme - der Mann, der für seinen Song “The Weary Kind” nicht nur einen Oscar, sondern auch einen Golden Globe und einen Grammy Award erhielt. In dem dunklen Zelt steht die Luft, es ist drückend heiß, dem Bassisten tropft der Schweiß auf die Gitarre. Und doch: Schwitzend, aber gut gelaunt, tanzt das Publikum zu Binghams Rock’n’Roll-schwangeren Countryliedern, wippt mit dem Kopf zu den gefühlvollen Lyrics. Nur wenige haben sich an diesem ersten Festivaltag vor der roten Bühne versammelt. Diejenigen, die da sind, scheinen Bingham zu schätzen und zu kennen: Sie singen seine Lieder mit, tragen den Strohhut tief im Nacken. “I’m a suicide man”, singt der Musiker kratzig-kraftvoll, man kann nicht anders als zu tanzen.

17 Uhr, Red Stage

Viel los ist auch um fünf Uhr nachmittags noch nicht, auf dem Bühnengelände. Ein paar Leute sitzen im Schatten des roten Zeltes im Gras, innen wird es etwas voller - und stickiger. Es ist fast dunkel, gedämpftes Neonlicht, weiße Shirts, die ein wenig leuchten. Das Scheinwerferlicht fällt auf einen Schlagzeuger, der leicht erhöht auf einem Podest in der Mitte der Bühne sitzt. Hier beginnen nun Balthazar zu spielen. “Thin Walls” heißt das dritte Album der fünf Musiker aus Belgien, das im vergangenen Frühjahr erschienen ist. Ein bisschen Indie, ein bisschen elektronischer Pop, gemischt mit einem Hauch Jazz und Retro-Rock - spürbar experimentierfreudige Musik. “Bunker” zum Beispiel beginnt mit einem schweren, tragenden Violin-Solo, dann das rhythmische Schlagzeug, das Rasseln des Tanburins, die schrillen Töne des Synthezisers. Das Scheinwerferlicht strahlt hell auf, Nebel umhüllt die Musiker auf der Bühne, fast melodramatisch, vor der Bühne klatschen die Menschen im Takt mit. Balthazar machen Musik zum mitsummen, mit viel “Ohhohh” und “ahhahhahh”, wie bei “The Oldest of Sisters”, einem Lied aus dem zweiten Album der Band, oder bei dem kuschelig-weichen “I looked for you”. Aber die Musiker können eben auch rockiger, funkiger, wie bei “Fifteen floors”, dem ersten Song, den Sänger und Gitarrist Jinte Deprez geschrieben hat, wie er sagt. Mit Trommelwirbel und Mithüpf-Rhythmen - wenn es nur nicht so heiß wäre, in dem Zelt.

18.30 Uhr White Stage

Auf der White Stage bringt die Band Hiatus Kaiyote das Publikum mit psychedelisch-elektrisierendem Sound zum Tanzen. Glitzernde Silberpants und einen weißen Plüschhut tragend, steigt Frontfrau Nai Palm mit dem Song „Jekyll“ Soul-gewaltig in den Auftritt ein. Unterstützt von Drums und Keyboard spielt die charismatische Sängerin Gitarre. Ein Mix aus Funk, Jazz, HipHop, R’n’B und afrikanischen Einflüssen: Das australische Neo-Soul-Quartett hat kompliziertere Beats zu bieten, als es die Masse gewohnt ist - vielleicht stehen auch deshalb nicht allzu viele Menschen vor der Bühne. In einem kleinen Club, mit einem Glas Rosmarin-Gin-Tonic in der Hand, würde sich die Gruppe besser hören. Würde ihr eckiger Groove besser von den Wänden prallen. Nichtsdestotrotz schwitzt, springt, schwingt die kleine Menge mit. Die Hitze ist fast unerträglich.

19.15 Uhr Blue Stage

Um kurz nach sieben dann wird es auf dem Festivalgelände allmählich voll. Auf der Blue Stage lockt der britische Singer-Songwriter Tom Odell mit seinen sanft-melodischen Songs. Zu diesem Zeitpunkt scheint noch die Sonne, viele Besucher sitzen im Gras, um dem gefühligen Piano-Pop zu lauschen. Odell singt von Liebe und Leid, von Trennungsschmerz, unerfüllter Sehnsucht und überhaupt von Emotionen. Nach “Long Way Down”, das 2013 erschien und nicht nur die Musikfans in Großbritannien begeisterte, erschien am 10. Juni “Wrong Crowd”. Sein Auftritt beim Southside, er hätte einen Einblick in die meisterhafte Mischung aus Pianoballaden und Soul-Stücken sein können, wenn da nicht irgendwann der Regen dazwischengekommen wäre.