Wenn Bürger über neue Baugebiete mitentscheiden, so fürchtet die CDU, verzögert dies die Sache Foto: dpa

Monatelang hat sich der Landtag um weitere Mitwirkungsrechte für Bürger gestritten, ehe ein Kompromiss stand. Kurz vor dem Finale will die CDU das Paket nun wieder aufschnüren, weil sie längere Bauverfahren befürchtet.

Stuttgart - Der Zeitplan für die geplante Erleichterung der Bürgermitsprache gerät in Rutschen: Kurz vor der für Mittwoch geplanten ersten Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften meldet die CDU überraschend Änderungswünsche an.

Dabei geht es um das Recht für Bürger, künftig auch über die sogenannte Bauleitplanung in Gemeinden abzustimmen. Bisher ist ein Bürgerentscheid über solche Fragen generell ausgeschlossen. Die Fraktionen haben sich jedoch darauf geeinigt, dass künftig zumindest jener Beschluss, der das gesamte Bauverfahren einleitet, in Frage gestellt werden darf.

CDU-Fraktionschef Guido Wolf befürchtet nun, dass die Ausweisung neuer Baugebiete und die Änderung bestehender Bebauungspläne dadurch „erheblich erschwert“ wird. In einem Brief, der unserer Zeitung vorliegt, schreibt Wolf an die drei anderen Fraktionschefs, die Mitsprache sei hochproblematisch: „So könnten die bereits erheblichen Probleme der Kommunen, ausreichend Flächen für die Unterbringung von Flüchtlingen zu finden, weiter verschärft werden.“

Grün-Rot verweist auf die zähen Verhandlungen

Wolf beruft sich dabei auf Stellungnahmen der Kommunen, die erhebliche Bedenken gegen die geplante Gesetzesänderung vorgebracht hätten. Bei einer unveränderten Verabschiedung des Entwurfs sei zu befürchten, dass durch die zusätzlich zu erwartenden Bürgerentscheide „eine geordnete Stadtentwicklung gefährdet“ werde. Er schlägt deshalb vor, diesen Punkt der Vereinbarung zu streichen.

Bei Edith Sitzmann (Grüne) und Claus Schmiedel (SPD) findet er dafür jedoch kein offenes Ohr. Es sei „nicht zielführend“, dass die Regelung zum Bauleitplan nun erneut verhandelt werden solle, antworten die beiden Fraktionsvorsitzenden in einem Brief.

Die vorgesehene Änderung sei doch ein „nach langem Ringen erzielter ausgewogener Kompromiss, den auch Ihre Fraktion schlussendlich mitgetragen hat“. Sitzmann und Schmiedel bitten Wolf deshalb, zu der Zusage zu stehen.

FDP zeigt Verständnis

Auf Verständnis für den Änderungswunsch stößt Wolf hingegen bei FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Das Thema werde zwar erst in der kommenden Woche von seiner Fraktion diskutiert, sagte Rülke unserer Zeitung. „Ich persönlich meine aber, dass man in der Tat noch einmal darüber nachdenken sollte, weil sich durch den Flüchtlingszustrom eine besondere Herausforderung ergeben hat.“ Land und Kommunen könnten es sich nicht leisten, wenn der wichtige Bau neuer Wohnungen künftig behindert werde.

Tatsächlich wird die geplante Änderung vom Gemeindetag, vom Städtetag, von der Landesvereinigung der Bauwirtschaft und vom Handwerkstag abgelehnt. „Als Argumente werden die vielschichtigen Abwägungsprozesse beim verfahrenseinleitenden Beschluss im Bauleitplanverfahren genannt, für die ein Bürgerentscheid ungeeignet sei“, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfes. Außerdem werden Verzögerungen im Verfahren oder die Verhinderung notwendiger Bauvorhaben befürchtet.

Die kritischen Stellungnahmen der Kommunen stammen jedoch bereits vom vergangenen März. Man könne nicht wenige Tage vor der Landtagslesung eine Kehrtwende vollziehen, heißt es bei Rot-Grün. Außerdem zeige die Erfahrung anderer Bundesländer, dass die Bürger verantwortungsvoll mit solchen Abstimmungen umgingen.