Crew und Gäste winken sich zum Abschied von der Kreuzfahrt zu und sagen: „Danke!“. Foto: Setzer

Zum dritten Mal ist im August die „Full Metal Cruise“ in See gestochen. Mehr Spaß hätte beim besten Willen nicht mehr auf die „Mein Schiff 1“ gepasst. Für Autor Michael Setzer war zum Glück noch Platz.

Kiel - Man hätte es auch schon früher wissen können. Doch Tui Cruises und ICS Festival-Service, der Veranstalter des Wacken-Festivals, haben 2013 tatsächlich als Erste in Deutschland die Metal-Fans als Zielgruppe für hochklassige Touristik ins Auge gefasst. Auch die dritte Auflage der Heavy Metal Kreuzfahrt „Full Metal Cruise“ ist eine Erfolgsgeschichte zwischen Kiel, Kopenhagen, Göteborg und Hamburg. Und, ja: mit lauter Musik, viel Bier und ehrlichem Spaß.

Passagiere
Es gibt sie alle hier. Trinkfreudige Jungs- und Mädchengruppen, Eltern mit Kindern, Kinder mit Eltern, Metal-Clubs, Biker, Scherzkekse, gesittete Ehepaare, schweigende Pärchen und die, die das Boot um 13.34 Uhr ungefragt, aber lautstark über ihre Zweisamkeit informieren.

Einige der Passagiere sind bereits seit der ersten Fahrt vor zweieinhalb Jahren mit dabei. „Klar!“, sagt Sylvia Hannemann, die nur zufällig fast wie Jeff Hanneman - der verstorbene Gitarrist der Band Slayer - heißt. Die 50-Jährige arbeitet als Filialleiterin in der Modebranche und schätzt den Luxus auf Kreuzfahrten. Sie fährt schon zum dritten Mal mit und zeigt stolz Cruise-Abzeichen auf ihrer Jacke - wie Seepferdchen von der DLRG. Insgesamt ist das bereits ihre achte Kreuzfahrt, aber eben die, bei der man im Sushi-Restaurant gedämpfte Musik von Iron Maiden hören darf.

Weil sich das nicht ausschließt und weil es an Bord der „Full Metal Cruise“ zum sprichwörtlich guten Ton gehört. So auch die Anrede für die täglichen Durchsagen auf See: „Ahoi, Metaller!“, schallt es aus den Bordlautsprechern. Oder „Metalheads!“. Und natürlich schwingt da auch wieder diese wunderbare Folklore von den Metallern mit, die alle so gemein und finster aussehen, aber doch so liebenswürdig, zuvorkommend und problemlos sind. Das stimmt auch alles. Doch es ist nicht „Metal“, sich auf den langen Gängen auf dem Schiff grundlos zu grüßen.

Es ist gute Stube. Wenn mehr als zwei Heavy-Metal-Fans aufeinandertreffen, müssen sich höchstens Bierfässer und die Hemmschwelle für Humor fürchten. Im Aufzug diskutieren derweil kurz nach dem Frühstück zwei Jungs angeregt, was denn bitte 2015 noch von Iron Maiden zu erwarten sei. Programm Das Wellness-Angebot an Bord ist inzwischen freilich auch etwas „metallischer“ gestaltet. So locken Behandlungen, die mitunter eher nach grober Körperverletzung als nach Entspannung klingen: „Neckbreaker Special“, „Bath of Hell“ oder „Full Metal Massage“ zum Beispiel. Muss man wollen.

„Die Massagen machen bei Ihnen also nur Frauen?“, fragt eine Frau am Tresen für ihren Mann, der neben ihr steht und das eigentlich auch selbst tun könnte. Er ballt die Becker-Faust, sagt: „Yeah!“ Alle lachen. Im benachbarten Fitness-Studio herrscht auch bereits ab dem frühen Mittag Andrang. Ab und an laufen Gäste mit Bierbecher vorbei, zeigen sich gegenseitig den Vogel und laufen ungläubig weiter. Mitglieder der Band Stratovarius stählen sich währenddessen oder versuchen ihrem Körper und Gewissen wenigstens etwas Gutes zu tun. Denn der Rest an Bord verleitet größtenteils zum Gegenteil: maßlosem Hedonismus.

Essen
Wer Zeit und Kraft hat, kann an Bord vier Tage lang durchgängig kauen - Schnitzel, Burger, Würstchen, Brötchen, 5-Gänge-Menü, Pizza, Pasta, vegetarisch, auf Anfrage vegan - alles da, vom Snack bis zur Sterneküche. Das meiste davon, wie auch ein Großteil der Getränke, ist im Fahrpreis enthalten. Dennoch: Das alles ist weit davon entfernt, ins Uferlose abzugleiten. Höchstens der Bierkonsum: Der ist laut dem Manager der Cruise sechsmal so hoch wie bei anderen Kreuzfahrten.

Bands
Die Annahme, Metal-Fans würden vieles kritiklos abnicken, Hauptsache, es gibt ausreichend Metal und Bier, ist allerdings Quatsch. Schon Monate vor der Metal Cruise wurde hitzig diskutiert, ob das musikalische Programm der Kreuzfahrt an Klasse vermissen ließe beziehungsweise, ob „die Szene“ derartige Happenings überhaupt brauche. Gerade weil mittlerweile auch der Mainstream gemerkt hat, dass mit der treuen Metal-Gemeinde gut Kasse oder Quote zu machen ist. Dem Programm tut das keinen Abbruch.

Arch Enemy, Stratovarius, Die Apokalyptischen Reiter, Pyogenesis, Emil Bulls, Beyond the Black, Mambo Kurt, Lord of the Lost, The Quireboys oder Betontod - im Verlauf von vier Abenden spielen sie sich allesamt quer über das Schiff. Mal auf der Poolbühne, mal im kleinen Kasino oder auf der großen Bühne im Theater. Die „Full Metal Cruise“ bietet Heavy Metal in all seinen kunterschwarzen Facetten - aber mehr noch: Urlaub und Vergnügen. „Leute, manchmal glaube ich fast, ich hätte hier mehr Spaß als ihr“, feixt Bülent Ceylan weit nach Mitternacht von der Bühne im voll besetzten Theater.

Auch der Comedian aus Mannheim tritt hier zweimal auf. Er ist der Star auf dem Schiff. „Schau mal, ich habe ein Foto von Bülent Ceylan und mir“, erzählt eine Frau und hält stolz ihr Mobiltelefon hoch. Nur wenige Sekunden später haben auch drei Männer aus dem Ruhrgebiet die Telefone gezückt. Einer sagt lachend: „Wer nicht?“ Und auch das ist die „Full Metal Cruise“: Ob Bands oder Bülent - man trifft sie überall an Bord auf Augenhöhe. Ohne Backstage-Ausweis.

Party
„Oh, das sieht lecker aus. Ich möchte auch so ein Getränk“, sagt Flo Schwarz, Sänger und Gitarrist der Metal-Band Pyogenesis, an der Poolbar - es ist später Vormittag. Als er bemerkt, dass der fruchtig rote Cocktail alkoholfrei ist, flüstert er dem Barkeeper zu: „Können Sie da eventuell noch etwas Wodka reinmachen? Oder ist das jetzt eher doof?“ Die Lacher und der Service sind auf seiner Seite. Die Party sowieso. Denn die beginnt hier bereits kurz nach dem späten Frühstück.

Dann werden an der Poolbar die ersten Bierchen gezischt und für den Abend und den Rest der Kreuzfahrt gleichermaßen vorgeglüht. Manch einer versackt derweil in den Whirlpools an Deck oder liest „Harry Potter“-Bücher auf der Sonnenliege. Gegen Nachmittag startet dann das Bandprogramm. Das nächtliche Amüsement findet u. a. im Kasino des Schiffes statt. Die Spieltische sind abgedeckt, denn hier hat jeder das Glück längst gefunden. Und das ist laut und Metal. Hinter der Bar informiert ein Flatscreen: „Wolfsburg gegen Schalke 1:0.“ Kaum etwas könnte egaler sein. Alle trinken, feiern oder schreien sich gegenseitig an, weil’s eben sowieso laut ist.

Auf der kleinen Showbühne brüllt die Bierzeltpunkband Betontod: „Wir müssen aufhören, weniger zu trinken.“ Keiner widerspricht. Im Gegenteil. Ein Kerl in einem T-Shirt der Band Eyehategod läuft etwas ziellos mit zwei Cocktails durch die Gänge. „Mist. Ich wurde gerade von einer Frau versetzt. Willst du?“, und hält einem anderen Mann im Eyehategod-T-Shirt eines der Gläser entgegen. Er sagt: „Ladykiller heißt das Getränk.“ Er muss schmunzeln, als er das sagt. Doch es ist das Lächeln aufrechter Männer, die das Tourshirt ihres Gegenübers mögen. Frauen können viel davon lernen. Über die unverfängliche Liebe zwischen Männern, die gleich gekleidet sind und gemeinsam darauf anstoßen. Gegen 3 Uhr in der Nacht kehrt langsam Ruhe ein.

Landausflüge
Die Landausflüge erfreuen sich ebenfalls großer Beliebtheit, doch auch hier hat Metal Vorrang. Da ist Kopenhagen nicht die dänische Hauptstadt, sondern der Geburtsort der Band Mercyful Fate, und mit Göteborg werden In Flames, At the Gates bzw. die Bands des „Göteborg-Sounds“ verknüpft. Einem Gast ist das alles egal. Er zeigt auf ein paar kaum noch sichtbare Boote am Horizont. „Schau, das da drüben ist meine Champions League. Da finden heute die America’s Cup World Series im Segeln statt.“ Dann verabschiedet er sich aufgeregt. Lediglich der letzte Landausflug bringt keinen Spaß mehr. Es ist 11 Uhr, am Montagmorgen, und die Shuttlebusse bringen die müden Passagiere zum Hamburger Hauptbahnhof. Keiner redet. Nur einer lässt auf seiner Soundanlage im Bus „Battle Hymn“ von Manowar laufen. Das wehmütige Lied klang nie trauriger.

Infos zur Full Metal Cruise

Veranstalter
Auf der „Full Metal Cruise III“ von Tui Cruises, die mit dem Sonntag Aktuell Touristikpreis ausgezeichnet worden ist, nahmen knapp 2000 Gäste und Künstler aus 21 Nationen teil. Die Crew an Bord: 820 Menschen aus 32 Nationen. Im Verlauf der Kreuzfahrt wurden unter anderem 25 000 Liter Bier, 1400 Liter Wein und Sekt sowie 3500 Liter Wasser getrunken. Die Kabinen kosten ab 1200 Euro aufwärts. www.full-metal-cruise.com, www.tuicruises.com

Die Full Metal Cruise IV, die vom 3. bis 8. September 2016 zwischen Hamburg, Kopenhagen, Oslo und Kiel fahren wird, ist bereits restlos ausverkauft. Die nächste Veranstaltung: Full Metal Mountain, Ende März 2016 in Kärnten. Ein Ski-Event im Zeichen des Metal, www.full-metal-mountain.com

Sonntag Aktuell Touristikpreis
Auch 2016 wird wieder ein Sonntag Aktuell Touristikpreis vergeben. Die Leser(innen) dürfen ihre Favoriten aus einer Vorauswahl von Reisereportagen über verschiedene Destinationen wählen. Unter allen Teilnehmern werden Gewinne verlost. Die Wahl findet im November dieses Jahres statt.