Das riesige Fernrohr folgt der Sonne automatisch. Foto: Weingand / StZ/StZ / Weingand

Am Dienstag verdeckte der Mond teilweise die Sonne. Wir haben das Ereignis von der Sternwarte Welzheim aus verfolgt – dem wohl besten Ort in der Region, um Sterne und Planeten zu betrachten.

Die Kleinste im Raum macht die wohl größten Augen. „Die Sonne sieht aus, als hätte sie jemand angeknabbert“, sagt die fünfjährige Natália staunend. Ihr Vater Gerhard Wahle nickt stolz: So eine Sonnenfinsternis, auch wenn es nur eine partielle ist, ist ein beeindruckender Anblick. Weiter und weiter schiebt sich der Mond vor die Sonne. Mit bloßem Auge ist das nicht zu erkennen, mit der Sonnenfinsternis-Brille nur ein wenig. Das riesige Teleskop der Sternwarte Welzheim lässt Besucher das Geschehen dagegen ganz genau betrachten.

Von 11.13 bis 13.11 Uhr hat der dunkle Neumond am Dienstag die Sonnenscheibe bedeckt. 21,5 Prozent der Oberfläche des Gestirns waren dabei maximal verdeckt. Gut 20 Menschen haben sich in der Sternwarte eingefunden, um das Spektakel zu beobachten. Manche sind Rentner, auch ein Schul- und ein Kitakind sind dabei. Sie können das Geschehen auf einem projizierten Bild ansehen – dieses ist so scharf, dass Sonnenflecken und sogar die Krater auf der Oberfläche des Mondes darauf zu erkennen sind. Faszinierend ist auch der Blick durch eines der Okulare des dreilinsigen Refraktors, das nur das H-Alpha-Licht im rötlichen Bereich der Sonnenstrahlen durchlässt. Wer hineinsieht, erblickt quasi eine gigantische Blutorange und sogar die Protuberanzen, Materieströme aus der Sonne. Diese Bögen wirken von Welzheim aus winzig – tatsächlich sind sie ein Vielfaches des Erddurchmessers groß.

Die Führungen in der Sternwarte Welzheim sind sehr beliebt

Manchen Besuchern fällt in der Kuppel ein leises Surren auf. Der riesige Refraktor dreht sich automatisch mit dem Lauf der Sonne mit, hin und wieder wird auch die Kuppel gedreht, damit das Teleskop weiterhin freie Sicht auf die Sonne hat.

Das Observatorium im Schwäbischen Wald ist in der Region Stuttgart gewissermaßen die Pole-Position, wenn es darum geht, Himmelsphänomene zu erkunden. Die offizielle Außenstelle des Planetariums Stuttgart wurde in Welzheim eingerichtet, weil durch den Staub und die Dunstglocken in der lichtüberfluteten Landeshauptstadt kaum noch Beobachtungen von dort aus möglich sind. Die Sternwarte wurde bereits im Jahr 1992 in Betrieb genommen, seitdem haben tausende Besucher durch die Teleskope in den inzwischen drei Kuppeln den Sternenhimmel, den Mond und die Sonne beobachtet. „Samstags sind wir bis in den Januar hinein ausgebucht“, sagt Hans-Ulrich Keller, der Leiter der Sternwarte.

Die Sonnenfinsternis 2022 wird mit Teleskopen fotografiert

Wegen Corona gilt in der relativ engen Sternwarte noch immer eine Besucherzahlbegrenzung. „Aber das ist für die Besucher schön, dadurch hat jeder die Möglichkeit, etwas zu sehen“, sagt Keller. Davon machen die Besucherinnen und Besucher auch am Dienstag regen Gebrauch – schließlich kann man die Sonne nicht jeden Tag derart im Detail betrachten. „Bitte nicht am Fernrohr festhalten“, bittet Keller eine Dame, die allzu sehr am großen Refraktor hängt.

Bei schlechtem Wetter sind natürlich auch die Hochleistungsteleskope in Welzheim machtlos. Daher finden Sternenführungen dort nur bei klarem Himmel statt. Wer sich am Dienstag die Sonnenfinsternis ansehen wollte, hatte dafür immer wieder auf die anfangs gar nicht rosige Wettervorhersage geblickt. Tatsächlich strahlte die Sonne dann, als es darauf ankam, in voller Pracht vom Himmel. Sofern man bei gut einem Fünftel an Verdeckung durch den Mond von voller Pracht sprechen kann.

Kellers Stellvertreter Martin Gertz ist zu diesem Zeitpunkt in der kleinen Südkuppel zugange. Sein Handy klingelt: Der Südwestrundfunk braucht einen Interviewpartner, der den Hörern etwas über die partielle Sonnenfinsternis erzählen kann. Gertz telefoniert mit den Radioredakteuren – und bereitet nebenbei das wohl wichtigste Foto des Tages vor. Denn um 12.10 Uhr ist der Höhepunkt der Finsternis erreicht. Die Spiegelreflexkamera ist schon bereit, mit einem Adapter am Fernrohr befestigt. Die Sonnenfinsternis ist nicht der erste faszinierende Anblick, den Gertz einfängt.

Wenig später verstreuen sich die Besucher allmählich. „Here comes the sun“, tönen die Beatles aus dem Autoradio eines offenbar beeindruckten Sonnenanbeters, während er davonfährt. Auch Gerhard Wahle und sein Töchterchen sind angetan: Sie wollen bestimmt noch einmal in die Sternwarte kommen, sagt der Schorndorfer. Wahrscheinlich noch vor der nächsten partiellen Sonnenfinsternis. Diese findet in Baden-Württemberg im Jahr 2025 statt. Und ein Jahr darauf wird es im Ländle sogar eine 85-prozentige Finsternis zu sehen geben.

Weitere Informationen zur Sternwarte und dort angebotenen Führungen gibt es im Internet unter www.sternwarte-welzheim.de