Gehobene Konversation mit der Jazzsängerin Camille Bertault Foto: AFP

Besser als jede Tonkonserve: Mit überbordender Spielfreude ging die letzte Song Conversation im Stuttgarter Kunstmuseum über die Bühne.

Stuttgart - Elektronisch erzeugte Sound-Wellen gleiten weich in den Raum, eine weibliche Stimme flüstert „Prélude“, und tatsächlich taucht aus dem Klanggemisch allmählich die vertraute Melodie eines Prélude von Chopin auf. Der junge Pianist David Helbock aus Vorarlberg beflügelt mit seinem klaren lyrischen Spiel die Jazzsängerin Camille Bertault und ihren Landsmann, den Trompeter, Perkussionisten und Vokalisten Médéric Collignon. Die drei haben sich erst am Vortag kennengelernt, sich auf eine Liste mit einem Dutzend Songs geeinigt und natürlich auch geprobt. Nun steht das Trio erstmals gemeinsam auf einer Bühne vor dem zahlreich erschienenen und erwartungsfrohen Publikum im Kunstmuseum Stuttgart.

Thomas Wördehoff, der Konzertgestalter und scheidende Intendant der Ludwigsburger Schlossfestspiele, hat diese drei Musiker ausgewählt, um das erfolgreiche und spannende Format Song Conversation ausklingen zu lassen. Es sollte aber kein wehmütiger, sondern ein sehr fröhlicher Abschied werden mit der überbordenden Spielfreude glücklicher Musiker und dem Jubel der Konzertbesucher.

Aus Frust zum Youtube-Star geworden

Dabei war es ein durchaus herausfordernder Abend mit Jazz, der oft ins Freie, in schroffe Klanglandschaften hinausführte, aber – angesteckt durch die lebensbejahend-spektakulären Interaktionen – war das Publikum gewillt, den Musiker auch in wilde Gefilde zu folgen. Die Auswahl hätte heterogener kaum sein können, da begegneten sich Thelonius Monk („Ask Me Now“) und Bach (Goldberg-Variation), traf Boris Vian („Je bois“) auf Prince („1999“) und Hermeto Pascoal („Nuvens“) auf „Giant Steps“ von John Coltrane. Und trotz dieses Eklektizismus vermittelte das Trio den Eindruck einer quicklebendigen Einheit. Egal, worüber improvisiert wurde. Mit einer irrwitzig rasanten Scat-Version der als schwierig geltenden Coltrane-Komposition ist die 32-jährige Pariserin Bertault – übrigens aus Frust nach einer nicht bestandenen Prüfung – zu einem Youtube-Star mit fast einer Million Clicks geworden.

„Pas de géant“ singt die zierliche Frau mit der großen Stimme in atemberaubendem Tempo und gleichwohl federleicht. Sie wird rhythmisch präzise und mit entschiedenem Tastenspiel begleitet von David Helbock, der spürbar Freude daran hat, musikalische Grenzen zu überschreiten, und auf der anderen Seite von dem hyperaktiven Musikclown Collignon an der Miles-Davis-Gedächtnistrompete, der mit seinem elektronisch verzerrten Scat-Gesang die männliche Gegenstimme zu Bertault bildet. Jedem im Saal war nun klar, was Thomas Wördehoff gemeint hatte, als er die Band vorstellte und bekannte, dass er seine Sammlung von 5000 CDs verkauft: „Keine Tonkonserve kann das Live-Erlebnis eines Konzerts ersetzen.“