Robert Habeck, Annalenas Baerbock und Christian Lindner (von linke). Foto: dpa/Michael Kappeler

Kein Geplauder über Inhalte oder belegte Brötchen: Dieses Mal wollen Grüne und FDP die Chance aufs Regieren nutzen. Dafür stimmen sie sich eng ab und halten sich gegenüber SPD und Union alle Optionen offen.

Berlin - Robert der Baumeister hat ein gutes Gefühl: „Wenn man die Schraube schräg einsetzt, dann wird sie nie wieder grade“, sagt der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck am Freitag. „Diese Schraube ist jedenfalls in den ersten Tagen sehr grade eingesetzt worden.“ Gerade haben die Grünen und die FDP erstmals in größerer Runde darüber gesprochen, ob und wie sie zusammen eine Regierung bilden wollen. Als „sehr vertrauensvoll“ beschreibt der FDP-Chef Christian Lindner den Austausch. Über die Details der Gespräche vereinbarten beide Seiten Stillschweigen.

Weder sollten Zwischenstände oder Wasserstandsmeldungen über den Verlauf mitgeteilt werden, sagt Lindner. Noch werde verraten, ob Käse oder Wurst auf den servierten Brötchen lag, ergänzt Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Denn: „2017 soll sich nicht wiederholen.“ Nach der letzten Bundestagswahl hatten die beiden Parteien wochenlang mit der Union über eine Koalition verhandelt und dabei irgendwann nicht mehr das Wichtige vom Unwichtigen trennen können. Die Beteiligten veröffentlichten aus laufenden Runden Fotos von Verhandlungsdokumenten oder Tassen mit ihren Ingwertees, schufen aber nicht die inhaltlichen Grundlagen für ein gemeinsames Regierungsbündnis.

Vielfalt im Grünen-Team – Fehlanzeige

Das Ende ist bekannt: Die „Jamaika“-Verhandlungen fuhren voll vor die Wand, es kam zu einer erneuten großen Koalition und damit aus Sicht von FDP und Grünen zu einer Verlängerung des Status quo, den sie nun gemeinsam beenden wollen. „Es soll etwas Neues in Deutschland entstehen“, erläutert Lindner die gemeinsame Deutung des Wahlausgangs. „Wir fühlen uns gemeinsam beauftragt, in Deutschland einen neuen Aufbruch zu organisieren.“ In den Bereichen Klimaschutz und Finanzen sieht Lindner bei aller demonstrativ zur Schau getragenen Harmonie auch Gräben zwischen seiner Partei und den Grünen. Aber deswegen werde nun ja gemeinsam überlegt, welche Brücken gebaut werden könnten.

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Wie dies gelingen kann, sondierten am Freitag zehnköpfige Teams von FDP und Grünen. Neben Baerbock und Habeck nahmen daran für die Grünen etwa die Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter sowie der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann teil. An der Zusammensetzung hatte es Kritik gegeben: Denn ausgerechnet die stets Vielfalt einfordernden Grünen beriefen keinen ihrer prominenten Politiker mit Migrationshintergrund in das Zehnerteam. Dabei hätte etwa mit dem früheren Parteichef Cem Özdemir ein anerkannter Fachpolitiker bereitgestanden, der mit 40 Prozent der Erststimmen auch noch souverän seinen Wahlkreis in Stuttgart gewonnen hatte.

FDP-Verhandler war vor kurzem noch bei der SPD und warnt vor Ex-Partei

Für die Liberalen saßen neben Lindner unter anderem FDP-Generalsekretär Volker Wissing, der Rentenexperte Johannes Vogel, die Europapolitikerin Nicola Beer oder der erst vor anderthalb Jahren in die FDP eingetretene frühere SPD-Wirtschaftspolitiker Harald Christ mit am Tisch. Vor der Wahl hatte Christ die FDP ausdrücklich davor gewarnt, ein Bündnis mit seiner alten Partei einzugehen.

Nicht nur wegen der herben Wahlpleite der Union, sondern auch wegen der anhaltenden Turbulenzen bei CDU und CSU, scheint derzeit eine „Ampel“-Regierung mit der SPD aber als das wahrscheinlichere Modell. Ab dem Wochenende wollen FDP und Grüne zunächst getrennt mit SPD und Union ins Gespräch kommen.

In welche Mutter soll die Schraube denn gedreht werden?

„Und dann wird man sehen, welche Dynamik die nächsten Tage, vielleicht Wochen entfalten“, hält Habeck dem grün-gelben Zweierbündnis alle Optionen offen. In welche Mutter die von ihm angesprochene Schraube denn gedreht werden solle, wird Habeck noch gefragt. Er habe eher an eine Spax-Schraube gedacht, antwortet der Grüne. Denn die braucht keine bestimmte Mutter, nur eine Wand.