Die Bundeswehr soll künftig besser ausgestattet werden Foto: Imago//Rainer Droese

Die Bundeswehr ist in einem desolaten Zustand. Unter dem Eindruck von Russlands Invasion in der Ukraine soll sich das ändern: Koalition und Union haben sich darauf verständigt, das geplante Sondervermögen für die Streitkräfte schnell zu beschließen.

Lange haben die Parteien der Ampelkoalition und die Union miteinander gerungen, jetzt gibt es eine Einigung: Das Sondervermögen für die Bundeswehr im Umfang von 100 Milliarden Euro kommt. Der Bund wird dafür im großen Stil neue Schulden aufnehmen. Geplant ist eine Änderung des Grundgesetzes. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Montag: „Das wird dazu beitragen, dass die Sicherheit Deutschlands und Europas größer wird.“ Wir erläutern, um was es geht.

Warum soll die Bundeswehr mehr Geld bekommen? Die Streitkräfte sind seit vielen Jahren strukturell unterfinanziert. Es fehlt an modernen Waffen und Munition. Viele Panzer, Flugzeuge und Schiffe aus dem Bestand sind nicht einsatzfähig. Auch die Ausrüstung der Soldaten ist oft lückenhaft, es fehlt etwa an Schutzwesten. Die Missstände sind seit Langem bekannt, die Politik ging sie bislang aber allenfalls halbherzig an. In seiner Bundestagsrede unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine kündigte Kanzler Olaf Scholz Ende Februar dann einen radikalen Kurswechsel in der Sicherheitspolitik an: Russlands Invasion komme einer „Zeitenwende“ gleich, sagte Scholz ehedem. Deutschland werde darauf auch mit einer Modernisierung der Bundeswehr reagieren. Er kündigte in der Rede den Aufbau des Sondervermögens und die Absicherung im Grundgesetz an.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Scholz will Bundeswehreinsatz im Niger verlängern

Warum braucht es für eine Verankerung des Sondervermögens im Grundgesetz die Union? Für eine Grundgesetzänderung ist jeweils eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig. Die kann die Ampelkoalition nur ermöglichen, wenn CDU und CSU mitziehen. Die Verhandlungen zwischen beiden Seiten waren sehr zäh. Die Einigung gelang dann am späten Sonntagabend.

Worauf haben sich die Beteiligten jetzt verständigt? Die Union trägt die geplante Grundgesetzänderung und das Gesetz zur Errichtung des Sondervermögens mit. „Wir stellen gemeinsam sicher, dass die Bundeswehr in den kommenden Jahren mit 100 Milliarden Euro zusätzlicher Investitionen gestärkt wird“, heißt es in einer Erklärung. Das Gesetzgebungsverfahren soll jetzt sehr schnell abgeschlossen werden – möglicherweise bereits in dieser Woche, wie der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte. In der Mitteilung von Ampel und Union heißt es überdies, es werde „unverzüglich und noch vor der parlamentarischen Sommerpause“ eine Initiative zur Beschleunigung der Beschaffung auf den Weg gebracht. Die Beschaffung ist bislang eine der großen Schwachstellen bei der Bundeswehr. Sie ist viel zu bürokratisch und langsam.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Auslandseinsätze: Wo Deutschland verteidigen?

Wofür wird das Geld eingesetzt? Die Union konnte sich mit der Forderung durchsetzen, das Sondervermögen ausschließlich zur Ertüchtigung der Streitkräfte einzusetzen. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens soll ein Wirtschaftsplan mit den genauen Bestellvorhaben beschlossen werden – es geht unter anderem um Panzer, Flugzeuge, Schiffe, Transporthubschrauber, Nachtsichtgeräte, Funkgeräte und Munition. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte: „Wir können jetzt auch loslegen, wenn dieses Sondervermögen zur Verfügung steht.“ In der Erklärung von Ampel und Union ist ferner zu lesen: „Notwendige Maßnahmen zur Cybersicherheit, Zivilschutz sowie zur Ertüchtigung und Stabilisierung von Partnern werden aus dem Bundeshaushalt finanziert.“ Vor allem die Grünen hatten darauf gedrängt, Geld aus dem Vermögen auch für Cybersicherheit auszugeben. Das geschieht jetzt nicht. Fraktionschefin Katharina Dröge sagte am Montag, für Cybersicherheit dürfte ein zweistelliger Milliardenbetrag fällig werden, für die Ertüchtigung von Partnern ein einstelliger Milliardenbetrag.

Was genau ist ein Sondervermögen? Sondervermögen sind Geldtöpfe jenseits des Staatshaushaltes. Kritiker sprechen von „Schattenhaushalten“. Für deren Einrichtung ist eigentlich keine Grundgesetzänderung notwendig. Dies geschieht in diesem Fall trotzdem, um die Regeln der Schuldenbremse zu umgehen. Es gibt bereits diverse andere Sondervermögen – etwa den Energie- und Klimafonds, den die Ampel zu einem Klima- und Transformationsfonds ausbauen will. Wenn der Sondertopf für die Bundeswehr jetzt mit 100 Milliarden Euro gefüllt wird, dann entspricht das dem doppelten Betrag dessen, was 2022 im regulären Haushalt für die Streitkräfte vorgesehen ist.

Ist die Bundeswehr jetzt auf Dauer auskömmlich finanziert? Die 100 Milliarden Euro sollen in den kommenden Jahren ausgegeben werden, zusätzlich zum regulären Verteidigungsbudget. Danach sollen laut der Erklärung von Ampel und Union „die erforderlichen Mittel zur Erreichung der dann gültigen Nato-Fähigkeitsziele“ aus dem Haushalt bereitgestellt werden. Die Nato-Partner hatten sich bereits vor vielen Jahren im Grundsatz darauf verständigt, dass jeder Mitgliedstaat zwei Prozent seiner nationalen Wirtschaftsleistung für Verteidigungszwecke ausgeben soll. Deutschland hat diese Zielmarke zum Verdruss seiner Verbündeten aber noch nie erreicht. Mit dem Sondervermögen soll sich das jetzt ändern – wobei sich Ampel und Union nun darauf einigten, die Ausgaben in einem mehrjährigen Durchschnitt zu betrachten und nicht Jahr für Jahr. Wenn die 100 Milliarden Euro ausgegeben sind, soll die Tilgung der Kredite beginnen und „innerhalb eines angemessenen Zeitraums“ vonstattengehen.