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Die Opposition erhöht den Druck auf Innenminister Heribert Rech (CDU). Auf Antrag von SPD und Grünen findet am Mittwoch (8.4) eine Sondersitzung des Innenausschusses statt.

Stuttgart - Die Opposition erhöht den Druck auf Innenminister Heribert Rech (CDU). Auf Antrag von SPD und Grünen findet am Mittwoch (8.4) eine Sondersitzung des Innenausschusses statt. Einziges Thema: Seit wann kannte Rech die neuen Erkenntnisse zum Amoklauf von Wendlingen?

Für Reinhold Gall ist es fünf vor zwölf. "Das Vertrauen in die Amtsführung des Innenministers ist verloren gegangen", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD am Montag. Rech müsse sich überlegen, "ob er den Anforderungen des Amtes" noch gewachsen sei. Auch Hans-Ulrich Sckerl von den Grünen ist über den obersten Polizeichef des Landes verärgert: "Er führt den Landtag an der Nase herum."

Der Zorn der Opposition geht auf den Auftritt des Innenministers am vergangenen Mittwoch im Innenausschuss zurück. Dort hatte Rech über den Ablauf des Amoklaufs am 11. März unterrichtet, aber keine Angaben zu neuen Ermittlungsergebnissen gemacht. Demnach wurde der 17-jährige Täter Tim K. vor dem Betreten des Autohauses in Wendlingen von einem Polizisten in die Wade und ins Sprunggelenk geschossen.

Der Amokläufer habe sich daraufhin auf den Boden gesetzt, die Waffe abgelegt und die Arme zum Zeichen der Aufgabe in die Höhe gereckt. Als der Polizist ihn festnehmen wollte, griff der Amokläufer erneut zur Pistole, schoss auf den Polizisten, der hinter dem Streifenwagen in Deckung ging. Zwar gab der Beamte nochmals mehrere Schüsse ab, Tim K. gelang aber trotz der schweren Verletzungen die Flucht ins Autohaus, wo er zwei weitere Menschen - die Opfer 14 und 15 - ermordete. Bisher war man davon ausgegangen, dass der Täter erst nach dem Überfall des Autohauses von den Polizisten angeschossen wurde, ehe er sich das Leben nahm.

Aus Sicht der Opposition herrscht deshalb nun akuter Aufklärungsbedarf. Es gehe nicht darum, dem Streifenbeamten einen Vorwurf zu machen, immerhin habe sich der beim Schusswechsel in einer Ausnahmesituation befunden. Das bestätigt auch Joachim Lautensack von der Polizeigewerkschaft. In solchen Fällen gelte es, den Täter kampfunfähig zu machen. Zu einem "finalen Rettungsschuss" sei die Polizei nur berechtigt, wenn sie damit das Leben Dritter schützen muss.

Ein solcher gezielter Schuss sei aus großer Entfernung und mit einer normalen Pistole eines Streifenbeamten kaum zu meistern. Die Opposition sieht deshalb den Innenminister gefordert. "Er hat mit seiner Informationspolitik einen schweren Fehler begangen und sich selbst geschadet. Rech muss erklären, weshalb er was verschwiegen und was er bislang noch nicht erklärt hat", so Innenausschuss-Chef Hans-Georg Junginger (SPD).

Der 58-jährige Minister hatte bereits am Wochenende den Verdacht zurückgewiesen, im Ausschuss die halbe Wahrheit gesagt zu haben: "Ich wusste, dass es Ermittlungsansätze in diese Richtung gibt, aber ich kannte keine Ergebnisse." Im Übrigen sei die Staatsanwaltschaft Stuttgart die Herrin des Verfahrens. Das Problem: Sie erhält ihre Erkenntnisse von einer Ermittlungsgruppe der Polizei Waiblingen. Und die informierte offenbar am 20. März die Staatsanwaltschaft über den neuen Tathergang, den man aus Zeugenaussagen und dank einer Überwachungskamera erhalten hatte.

Was aber geschah dann: Wurde auch Rechs Ministerium informiert? "Wir haben dem Innenministerium die neue Entwicklung nicht berichtet", beteuerte die Staatsanwaltschaft Stuttgart am Montag. Im Gegenteil: Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen gewesen, als am Wochenende der neue Tatablauf publik wurde: "Wir wollten mit der Veröffentlichung abwarten, bis alle Informationen auf dem Tisch sind."

Für SPD und Grüne steht deshalb fest: Es war keine Polizeipanne, sondern eine neuerliche Informationspanne in Polizeikreisen des Innenministeriums. Es sei nach der gefälschten Internet-Ankündigung des Amoklaufs und dem Wattestäbchen-Debakel bei der Suche nach der Phantomfrau der dritte Fall in kurzer Zeit, in dem der Minister beim Umgang mit Informationen versagt habe. Die CDU wies das am Montag zurück und stärkte Rech den Rücken. "Ich wehre mich dagegen, dass der Innenausschuss politisch instrumentalisiert wird", sagte der Landtagsabgeordnete Thomas Blenke.