Der Landkreis Böblingen hat den Sonderparkausweis für das Handwerk Anfang dieses Jahres eingeführt. Foto: Eibner-Pressefoto/Sandy Dinkelacker

Wenn Handwerker direkt am Auftragsort parken können, spart das ihnen und den Kunden Zeit und Geld. Immer mehr Kreise wollen deshalb Sondergenehmigungen schaffen. Jetzt ist sogar die ganz große Lösung in Sicht.

Wenn Betriebsleiter Michael Schmid vom Stuttgarter Unternehmen Türenmann die Fahrzeuge für die 75 Beschäftigten organisiert, muss es oft ganz schnell gehen. Bei einer Kundin ist die Fensterscheibe zerbrochen, anderswo lässt sich die Tür nicht mehr schließen. Fünf bis sechs Aufträge sind es für die Montageteams am Tag: Es geht hinein in die Stuttgarter City oder hinaus in die umgebenden Landkreise, nach Böblingen und Esslingen. „Wenn man dann mehr als 100 Meter entfernt parken muss, sind die Mitarbeiter schon verschwitzt, bevor sie mit der Arbeit beginnen.“

 

Damit Handwerker nahe beim Kunden parken können, hat die Stadt Stuttgart bereits 2011 einen Sonderparkausweis eingeführt, der neben dem Gewerbe auch für soziale Dienste gilt. Von den derzeit 3861 Ausweisen wird das Gros von den Handwerkern genutzt – und das sehr gerne, trotz der 240 Euro Jahresgebühr. Mit den Ausweisen entfallen der Gang zum Parkscheinautomat oder der Griff zur Parkscheibe. Auch auf Anwohnerplätzen ist das Parken während des Einsatzes erlaubt.

Der Ausweis ist auch für viele Kunden ein Gewinn

Mit dem unscheinbaren Papier können die Betriebe viel Zeit und Kosten sparen. Die oft lange Parkplatzsuche entfällt ebenso wie die umständliche Abrechnung der Parktickets für die Beschäftigten. Auch für die Kunden ist er ein Gewinn. Rechnen die Handwerker die genaue Anfahrtszeit ab, sinkt die Rechnung dank des kundennahen Parkens in manchen Gegenden gerne mal um 20 bis 30 Euro.

Kein Wunder, dass der Ausweis bei der Handwerkskammer der Region weit oben auf der Agenda steht. „Das ist eine deutliche Erleichterung im Arbeitsalltag“, sagt Peter Friedrich, der als Hauptgeschäftsführer die Interessen von über 30 000 Betrieben vertritt. Vor allem Dachdecker, Raumausstatter, Elektriker oder Installateure seien schon wegen des schieren Gewichts der transportierten Teile darauf angewiesen. „Wir brauchen den Ausweis nicht nur in Stuttgart, sondern in allen Kreisen, wenn nicht gar für die Region“, fordert Friedrich. „Die Kunden schauen nicht auf die Kreisgrenzen.“

Die Forderung könnte vielleicht Wirklichkeit werden, was auch am Rems-Murr-Kreis liegt, wo man als erster Landkreis der Region 2022 den Ausweis einführte. Seitdem ziehen andere Kreise nach oder beobachten zumindest die Entwicklung in der Großen Kreisstadt Waiblingen und den umliegenden 30 Städten und Kommunen genau. „Das nimmt Fahrt auf“, sagt Timo John, „da bin ich stolz darauf.“

John ist der Kreiswirtschaftsförderer und hat den Ruf der Handwerkerschaft nach dem Ausweis binnen drei Jahren umgesetzt. Stand Juni nutzten 487 Firmen des Rems-Murr-Kreises die Parkgenehmigung und ließen sich für ihre Fahrzeugflotte 1219 Ausweise ausstellen – 50 Euro für drei Fahrzeuge kostet er. Da „dummerweise“ seine Telefonnummer auf dem Ausweis stehe, könne er die Resonanz wie ein Seismograf verzeichnen, meint John. „Es läuft gut, die meisten wollen ihn verlängern.“

Bürokratieabbau vor Ort

Der Ausweis stehe für Bürokratieabbau, praktische Wirtschaftsförderung und auch für die Digitalisierung der Verwaltung, da er auf der Plattform Service BW beantragt werden könne, sagt John. „Das kommt an bei den Leuten, weil es so augenscheinlich ist.“ John verweist auf den Fall eines Handwerkers, der noch vor einigen Jahren sieben Ausweise in sieben Kommunen beantragen musste – zu unterschiedlichen Gebühren. Auch deshalb setzt sich John für eine große regionale Variante ein, die die Stadt Stuttgart und die fünf umliegenden Landkreise umfasst. „Das wäre ein Signal an das Handwerk und die Wirtschaft, dass wir sie unterstützen.“

Schon jetzt geht es Schritt für Schritt in diese Richtung. Anfang des Jahres hat auch der Landkreis Böblingen den Handwerkerparkausweis in allen 26 Kommunen eingeführt. Kostenpunkt: 100 Euro für drei Fahrzeuge pro Jahr. Bisher wurden rund 150 Ausweise ausgestellt, teilt das Landratsamt mit, die Resonanz bei den Betrieben sei „insgesamt sehr positiv“. Und: „Verbesserungsvorschläge, die eingegangen sind, werden im Rahmen einer Evaluation im September und Oktober besprochen.“

Im Landkreis Esslingen arbeitet man seit Anfang des Jahres an der Umsetzung. Verwaltung und Kreishandwerkerschaft haben die Eckpunkte erarbeitet, sagt Christian Greber, Leiter des Amts für allgemeine Kreisangelegenheiten. Doch es sei schwer, die Interessen von 44 Kommunen unter einen Hut zu bringen. Die einen markierten das Parken in der Fußgängerzone als rote Linie, andere wollten es zulassen. Dann gehe es auch noch um die gegenseitigen Nutzungsentgelte, aber auch um juristische Feinheiten. Jetzt gelte es erst einmal, die Großen Kreisstädte ins Boot zu holen, betont Greber: „An uns wird es nicht scheitern, wir sind auf einem guten Weg.“

Im Landkreis Ludwigsburg ist man laut Landratsamt noch in der Beobachtungsphase. „Wir sammeln derzeit Informationen und Erfahrungswerte aus diesen beiden Landkreisen zu den Vor- und Nachteilen und zum tatsächlichen Mehrwert dieser Lösungen. Der Prozess der Sondierung ist derzeit noch nicht abgeschlossen“, sagt ein Sprecher.

Im Landkreis Göppingen kommt der Ausweis erst einmal nicht

Im Landkreis Göppingen wiederum sind die Versuche für einen kreisweiten Parkausweis für Handwerker gescheitert – „nach intensiver Prüfung und Abstimmung“, wie es aus dem Landratsamt heißt. Die Städte und Kommunen legten jetzt ihre eigenen Ausnahmegenehmigungen fest.

Dass damit auch der erhoffte regionale Parkausweis bereits gescheitert ist, glaubt John nicht. „Auch wenn der Landkreis Göppingen vorerst keinen eigenen Handwerkerparkausweis hat, werden zahlreiche Handwerker aus dem Kreis Interesse an einem regionalen Ausweis der anderen Kreise haben und sich ihn besorgen“, betont er. „Spätestens dann wird auch Göppingen mitziehen.“

Die Stadt Stuttgart zumindest hat sich schon grundsätzlich auf die große Lösung eingestellt – auch weil man dadurch Bürokratie abbauen könne, sagt eine Sprecherin. Die Frage sei nur, unter welchen Bedingungen der regionale Ausweis kommen könnte: „Der Verhandlungsprozess über Ausgestaltung der Inhalte und Gebühr ist derzeit noch nicht abgeschlossen.“