Zwischen den bizarren Gesteinsformationen im oxidierenden Sand der Wüste des Nord-Tschad zieht gerade ein Sandsturm auf Foto: © George Steinmetz

Der Himmel ist der Arbeitsplatz des US-amerikanischen Fotografen George Steinmetz. Aus der Vogelperspektive präsentiert er im Naturkundemuseum bizarre Wüstenlandschaften.

Stuttgart - George Steinmetz ist kein Pilot, der Bilder macht, sondern ein Fotograf, der fliegt. Mit einem motorisierten Paraglider schwebt er mit 45 Kilometer in der Stunde langsam über die trockensten, entlegensten und extremsten Gegenden der Welt.

Wüsten sind geprägt von Sanddünen, Felsformationen, Salzseen und Winderosionen – und von Überresten vergangener Zivilisationen. All dies lässt die Landschaften grafisch wirken wie ein abstraktes Gemälde. Die Sonderausstellung „Desert Air – Wüsten von Oben“ im Museum am Löwentor präsentiert die Essenz aus 15 Jahren Wüstenfotografie des Künstlers in 30 Staaten. „Als Geophysiker hat George Steinmetz für seine Motive den geologischen Blick. In seiner Fotografie allerdings steht die Ästhetik im Vordergrund“, sagt Johanna Eder, Direktorin des Museums.

„Die so genannten hyperariden Regionen der Welt mit jährlichen Niederschlagsmengen von weniger als zehn Zentimetern haben mehr und mehr mein fotografisches Interesse geweckt“, sagt George Steinmetz. Auf seinen Arbeitsplatz in luftiger Höhe transportiert ihn ein Nylonschirm in Form einer überdimensionalen Matratze mit Rucksackmotorantrieb. Mit der Tankfüllung von zehn Litern kann er circa zwei Stunden in der Luft bleiben. Zum Starten und Landen braucht er weder Flugplatz noch Landebahn, die Fläche von der Größe eines Basketball-Spielfelds genügt.

„Die Flugausrüstung wiegt mit Tankfüllung ungefähr 35 Kilogramm. Damit ich Gewicht spare, halte ich meine Fotoausrüstung leicht. Eine Digitalkamera und ein bis zwei Objektive, ein Weitwinkelobjektiv und ein 24-70 Millimeter Zoom genügen völlig.“

Im Flug hängt Steinmetz unter der Schirmkappe, wodurch der Schirm automatisch stabilisiert wird: „Wenn ich beim Fotografieren oder zum Objektivwechsel die Lenkleinen loslasse, hält der Schirm im Idealfall mehr als eine Stunde ohne mein zutun Kurs.“ Dies ist die Stunde des Fotografen, der den frühen Morgen oder den Abend nutzt, wenn das Licht weich auf die Landschaft fällt und die Konturern nicht wie mittags im Hitzeflirren verschwimmen.

Flug um Flug hat George Steinmetz in einem von kahlen Bergen des Himalaja gerahmten Tal in Ladakh absolviert, bis der entscheidende Moment kam, als ein seltener Lichtstrahl ins tiefe Tal fiel und ein Buddhistisches Kloster einen kurzen Moment in Licht tauchte. Andere Reisen führten den Amerikaner in den Iran, in den Jemen, in den Tschad und nach Peru. „Es war immens schwierig eine Genehmigung für eine Fotoflug in den Iran zu bekommen, wegen der angespannten politischen Beziehungen mit den USA“, erzählt George Steinmetz.

Umgeben von Aufpassern ist er dann doch 240 Kilometer westlich der Hauptstadt Teheran über eine Ebene der Wüste Dasht-e-Kavir geschwebt. Dort haben Salzdome im Erdinnern von unten die oberen Gesteinsschichten angehoben. Dabei sind Muster entstanden, als hätte ein Gigant mit einem gewaltigen Rechen von Horizont zu Horizont Schlangenlinien in die Landschaft gezeichnet. „Ich bin in Gegenden gekommen, in denen der Iran Militärraketen getestet hat, aber das ist den Aufpassern glücklicherweise entgangen. Es ist kein Spaß in einem iranischen Gefängnis zu landen. Ein aus der Luft fotografierender Amerikaner wird dort leicht für einen Spion gehalten.“ Auch die größte Wüste der Welt, die Sahara, die in zehn afrikanischen Staaten liegt, sei für Fotografen wegen marodierender Milizen ein gefährlicher Ort geworden.

Ein anderes Werk des Amerikaners zeigt die Festung Masada in Israel inmitten kahler Berge. Im Jahre 70 nach Christus war sie der letzte Ort des jüdischen Widerstands gegen die römischen Besatzer. George Steinmetz präsentiert die zerfallene Festung als Skelett der Zivilisation in einer von fruchtbarer Erde skelettierten steinernen Gebirgslandschaft. Doch in der Wüste lauern nicht nur Gerippe, es gibt auch Leben: In den lebensfeindlichen Salar de Uyumi in Bolivien zeichnen vier Vikunjas, Verwandte der Lamas, durch die tief stehende Morgensonne auf dem Boden gigantische Schatten.

Die Sonderausstellung „Desert Art – Wüsten von Oben“ ist bis 27. September im Staatlichen Museum für Naturkunde Löwentor zu sehen. Das Museum ist von Dienstag bis Freitag zwischen 9 und 17 Uhr geöffnet, samstags, sonntags und an Feiertagen zwischen 10 und 18 Uhr. Bis zum 13. Mai kostet der Eintritt für Erwachsene vier Euro; ermäßigt: drei Euro. Familien zahlen neun Euro. Ab 14. Mai werden die Tickets teurer. Erwachsene zahlen dann 5 Euro, die ermäßigte Karte kostet 3i Euro und Familien werden mit 11 Euro zur Kasse gebeten. Der 349 Seiten umfassende Bildband „Wüsten von Oben“ mit Fotografien von Steinmetz ist im Verlag Frederking & Thaler erschienen und im Museumsshop und im Buchhandel für 29,99 Euro erhältlich.