Vesna Babic vom Stadtmuseum und Adolf Martin Steiner betrachten das Hörrohr, das Steiners Vater als Arzt verwendet hat. Foto: Fritzsche

In der ersten Sonderausstellung des Heimatmuseums Plieningen geht es um Ärzte, Apotheker und Dentisten: Utensilien, Notizbücher und andere Gerätschaften verraten viel von deren Arbeit zwischen 1925 und 1965.

Plieningen - „Einmal kam ein Patient zu meinem Vater, der sich am Fuß verletzt hatte“, erzählt Adolf Martin Steiner. „Mein Vater wollte auch den anderen Fuß sehen, um vergleichen zu können. Da sagte der Patient: Da muss ich noch mal nach Hause gehen, den anderen Fuß habe ich nicht gewaschen.“

Anekdoten wie diese sind es, die Steiner als Sohn des Plieninger Landarztes Adolf Wilhelm Steiner zuhauf miterlebt hat. Und Teile von Steiners Arztausstattung sind nun in der ersten Sonderausstellung im Plieninger Heimatmuseum zu sehen. Sie heißt „Der Nächste, bitte!“ und beschäftigt sich mit der Plieninger Medizingeschichte zwischen 1925 und 1965. Das Besondere dabei: „Die Ausstellung erzählt Geschichte anhand von authentischen Personen“, sagt Vesna Babic vom Stadtmuseum Stuttgart. Neben Adolf Wilhelm Steiner sind dies sein Landarztkollege Helmut Reischle, der Zahnarzt Oskar Straile und der Apotheker Franz Bohner.

Ein Apothekernachlass im Keller

Bohners Nachlass war auch der Auslöser für die Ausstellung: Sarah Kubin-Scharnowski, die Kuratorin, hat im Keller der heutigen Paracelsus-Apotheke an der Filderhauptstraße Rezepthefte und Utensilien von Bohner gefunden. Britta Eckhardt, die Chefin der Paracelsus-Apotheke, ist die Enkelin von Franz Bohner. „Darum ist alles in der Familie geblieben“, sagt Vesna Babic. Franz Bohner, sehr erfahren in der Herstellung von Arzneimitteln, auch nach eigenen Rezepturen, war so unersetzlich für die Gemeinde, dass er im Zweiten Weltkrieg nicht eingezogen wurde.

An der Ausstellung mitgearbeitet hat die Arbeitsgruppe Heimatmuseum, zu der auch Adolf Martin Steiner gehört. „Klein, aber fein“, nennt der emeritierte Hohenheimer Professor das Ergebnis. Wichtig seien die Zeitzeugen, die von damals erzählen können. Zu ihnen gehört er als Arztsohn auch selbst. „Das macht die Ausstellung lebendig.“

Tasche, Hörrohr und Medikamentenampullen vom Landarzt Steiner Foto: privat/Adolf Martin Steiner
Landärzte wie Steiner und Reischle hatten vor 90 Jahren andere Aufgaben als Hausärzte heute. Von Augen- und Ohrenerkrankungen über Knochenbrüche, Gynäkologie bis hin zu kleineren Operationen: Sie waren für vieles zuständig, was heute vom Facharzt oder dem Krankenhaus übernommen wird. In der Ausstellung ist beispielsweise das hölzerne Hörrohr des Landarztes Steiner zu sehen, eine frühere Form des Stethoskops, mit dem der Brustkorb eines Patienten abgehört werden konnte, außerdem das „Rezepttäschle“, mit dem Steiner Hausbesuche machte, und die darin enthaltene Schatulle mit Medikamenten in Glasampullen. „Damals war ein großer Erfahrungsschatz des Arztes sehr wichtig“, erzählt Vesna Babic. „Wie hört es sich an, wie fühlt es sich an? Heute übernehmen technische Geräte viele dieser Aufgaben.“ Als Landarzt war man 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr im Einsatz: Steiner und Reischle waren die letzten Landärzte in Plieningen: Als sie in den 1960er-Jahren in den Ruhestand gingen, übernahmen Hausärzte, Fachärzte sowie Krankenhäuser ihre Aufgaben.

Der Arzt kannte die medizinische Vorgeschichte der ganzen Familie

Ebenfalls im Unterschied zu heute kannte der Landarzt die ganze Familie des Patienten, inklusive der jeweiligen Befindlichkeiten: „Es gab Zuckerfamilien oder Asthmafamilien“, erinnert sich Adolf Martin Steiner. Da die ganze Familie am gleichen Ort lebte, wusste der Arzt von allen Krankheiten in der Verwandtschaft.

Auch zum Plieninger Entbindungsheim am heutigen Windhalmweg gibt es Ausstellungsstücke, etwa den Inhalt eines Hebammenkoffers, der aus dem Jahr 1940 stammt. „Im Heim hatten die Schwangeren eine ganz andere Ruhe bei der Entbindung als zu Hause“, sagt Vesna Babic. Gerade die Ehefrauen von Bauern oder Handwerkern mussten auch kurz nach der Geburt gleich wieder mitschaffen, weil die Arbeit sonst nicht zu bewältigen gewesen wäre. Das Heim wurde während der NS-Zeit in ein NS-Mütterheim umgewandelt. Heute ist ein Kinderheim in dem Gebäude.