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Lee Hazlewood und Nancy Sinatra haben den "Summer Wine" mit ihrem Lied berühmt gemacht - der Sommelier Stéphane Gass hat darüber geschrieben.

Stuttgart - Lee Hazlewood und Nancy Sinatra haben ihn mit ihrem Lied berühmt gemacht, den "Summer Wine". Stéphane Gass geht der Frage nach, was es damit auf sich hat. Der Sommelier arbeitet bei Sterne-Koch Harald Wohlfahrt. Für unsere Zeitung schreibt Gass in losen Abständen über das Thema Wein.

Sie werden sicher keine einzige Flasche finden, auf deren Etikett die Bezeichnung "Sommerwein" zu lesen ist. Trotzdem verlangen auch die Gäste im Restaurant Schwarzwaldstube im Hotel Traube Tonbach derzeit immer wieder mal nach einem Sommerwein.

Doch was ist das eigentlich? Für mich ein junger Wein mit wenig Alkohol, der durch seine erfrischende Säure Lust auf mehr macht. So wie man im Sommer leichter kocht als im Winter, so verhält es sich auch bei der Getränkeauswahl. Im Sommer hat man mehr Freude an einem filigranen, mineralischen Riesling als an einem kräftigen, vollmundigen Lemberger.

Als Sommerweine bezeichnen wir Sommeliers Weine aus dem Vorjahres-Jahrgang, die sich durch ihren geringen Alkoholgehalt (maximal zwölf Volumenprozent) leicht und spritzig präsentieren und Erfrischung und Abkühlung versprechen. Dies wird natürlich auch durch die Trinktemperatur erreicht, die bei Weißweinen 6 bis 8 Grad Celsius und bei Rotweinen 16 Grad Celsius nicht überschreiten sollte.

Anlässe bietet die heiße Jahreszeit genug, um einen Sommerwein zu genießen. Zum Anstoßen empfiehlt sich ein prickelnder Schaumwein aus Deutschland oder dem nahe liegenden Elsass, aus Rebsorten wie Riesling, Muskateller und Weißburgunder. Für besondere Momente bietet ein Glas Champagner eine edle Erfrischung, der allerdings ein Blanc de Blancs, sprich reiner Chardonnay sein sollte.

Nach oben verjüngendes Glas, Kühlmanschette - und ja keine Eiswürfel ins Glas!

Für den Genuss auf der Terrasse, auf dem Balkon oder im Garten bieten sich Weißweine der Rebsorten Riesling, Sauvignon und Muskateller aus Deutschland an. Die Aromen dieser Weine - grasig exotisch (Sauvignon), Aprikose oder Zitrus (Riesling), duftig blumig (Muskateller) - gehen mit ihren vielen Geruchseindrücken auch im Freien nicht unter. Solche Eindrücke bekam ich letzten Sommer in Italien, auf dem Weingut San Giusto a Rentennano in Gaiole in der Toskana. Der Winzer Francesco Martino di Cigala verspätete sich eine halbe Stunde in den Weinbergen. Doch als er kam, präsentierte er uns unverlangt zehn Jahrgänge, dazu reichte er Schinken. Eine solche Vielfalt in nur zweieinhalb Stunden kennenzulernen, das war ein Erlebnis.

Als Begleiter für viele Speisen der leichten Küche eignen sich auch Roséweine aus Südfrankreich, die schon durch ihre lachsfarbene Couleur bestechen. Ihr Geschmack erinnert an frische rote Beeren. Und sie passen gut zum Picknick. Ich ließ mir das letztes Jahr im französischen Ampuis im Weingut Jean Michel Gerin (Côte Rotie) nicht nehmen. Den Einstiegswein La Champin, einen 2007 Syrah aus jungen Reben in bester Lage, tranken wir an einem kleinen Winzerhäuschen mit Blick auf die Rhône. Den Wein dort zu kosten, wo er entstanden ist, ist etwas Besonderes. Gerins Geschichten über das Terrain und seinen Weinberg zu lauschen war zudem spannend.

Leichte Rotweine, etwa zum Grillen oder zum Käse, findet man auch bei den Rebsorten Tempranillo (aus Spanien), Syrah (Frankreich) und Spätburgunder (Deutschland), die allerdings nicht im Barriquefass ausgebaut sein sollten. Noch eine Empfehlung: Das Glas, in dem der Wein serviert wird, sollte sich nach oben verjüngen, damit das Aroma nicht verfliegt. Um den Wein zu kühlen, empfiehlt sich eine Kühlmanschette (bitte keine Eiswürfel in den Wein geben!), die man für Weißweine im Tiefkühlfach und für Rotwein im Kühlschrank aufbewahrt. Die Manschetten sind auch praktisch für den Weingenuss unterwegs.

Als Tipp für diesen Sommer empfehle ich einen deutschen Wein aus der Viognier-Traube. Überhaupt muss man auf der Suche nach gutem Wein nicht in die Ferne schweifen. Der Vorteil des Klimas in deutschen Anbaugebieten ist, dass man die gesamte Bandbreite findet - von leichten, frischen Weißweinen bis zu vollmundigen Roten.

Sommerweine - ideal für den Spontaneinkauf

Durch die Klimaveränderung wird mittlerweile auch die Viognier-Traube in Deutschland angebaut. In ihrem ursprünglichen Gebiet an der Rhône präsentiert sie sich eher als kräftiger, aromatischer Weißwein mit wenig Säure. Hier hingegen entfaltet die Rebsorte eine andere Charakteristik: elegant, feinfruchtig und erfrischend. Ob Shrimpscocktail, Geflügelspieß oder Lammkeule: Mit Viognier kann man sogar ein mehrgängiges Essen begleiten, da sich die Aromen den Speisen anpassen.

Probieren könnte man zum Beispiel den Ihringer Winklerberg Viognier vom Weingut Dr. Heger. Die Jungweinproben in diesem Weingut sind für mich immer wieder ein schönes Erlebnis: Man ist in dicke Winterjacken gepackt, sitzt im Keller und probiert sich bei 11 Grad von Fass zu Fass. Manchmal kommen so in vier Stunden bis zu 60 Weine zusammen. Joachim Heger zeigt alles, was er zu bieten hat, so dass man eine unglaubliche Vielfalt erlebt. Obwohl nur probiert und der Wein ausspuckt wird, ist man danach so benebelt, dass man ein Zimmer braucht. Doch so bekommt man ein Gesamtbild eines Jahrgangs.

Sommerweine eignen sich prima für Spontaneinkäufe: Sie kommen trinkfähig auf den Markt, man kann sie nur kurz lagern. Bei allen anderen Weinen empfiehlt es sich, nach Plan vorzugehen, um hohen Trinkgenuss zu erreichen. Möchte man sich eine Sammlung oder gar einen Weinkeller zulegen, sollte man sich auf bestimmte Rebsorten oder Regionen spezialisieren und mehrere Jahrgänge kaufen. So hat man immer einen Wein mit idealer Trinkreife parat und kann die Entwicklung verfolgen.

Zur Person

Stéphane Gass

Geboren am 18. Juni 1971 in Saverne im Elsass.

Im September 1990 Commis de Sommelier in der Traube Tonbach, einem der besten Familienhotels in Deutschland. Neben der Beratung der Gäste gehören der Weineinkauf und die Kellerpflege zu seinen Aufgaben.

Seit September 1991 Sommelier der Schwarzwaldstube, dem Drei-Sterne-Restaurant in Baiersbronn-Tonbach.

Weitere Stationen: 1998 im Louis XV in Monte Carlo bei Alain Ducasse sowie im Crocodile bei Emile Jung und Buerehiesel bei Antoine Westermann in Straßburg. 1997 und 1999 Sommelier des Jahres.

Gass ist mit einer Hessin verheiratet und hat zwei Töchter (11 und 13 Jahre alt). In seiner Freizeit macht er gern Sport, fährt mit dem Rennrad oder Mountainbike und geht Tauchen. Im Winter schnallt er bevorzugt die Tourenski an. Im Urlaub entdeckt er mit seiner Familie gern jedes Jahr etwas Neues.

Den Erfolg des Hauses garantiert die seit zwei Jahrzehnten eingespielte Führungscrew mit Patron Heiner Finkbeiner, Sternekoch Harald Wohlfahrt, Verwaltungsdirektor Jan Kappler, Barchef Bernhard Stöhr, Patisserie-Chef Pierre Lingelser, Oberkellner Ansgar Fischer und Gass. Er leitet auch die Vinothek in Tonbach: www.shop-traube-tonbach.de, Telefon 0 74 42 / 49 26 91.