Schon bis April sind in Kroatien die Übernachtungszahlen gegenüber dem Vorjahr um über ein Drittel geklettert Foto: Imago/ingimage/via imago-images.de

Einen Sommer der klingenden Kassen erhoffen sich die Staaten im Südosten Europas. Trotz des Ukraine-Krieges zeigten sich vor allem die Adriastaaten bereits 2022 gut von der Pandemie erholt – und rechnen nun mit Höchstzahlen an Urlaubern.

Weder der Ukraine-Krieg noch das Erdbeben in der nahen Türkei oder das ungewohnt kühle Frühjahr können bisher an den Adria- und Schwarzmeerküsten die freudigen Erwartungen trüben. Stark gestiegene Gästezahlen in den ersten Monaten des Jahres nähren von Kroatien bis Bulgarien die Hoffnung auf einen verstärkten Andrang in der Sommersaison – und neue Besucherrekorde.

Schon bis April sind in Kroatien die Übernachtungszahlen gegenüber dem Vorjahr um über ein Drittel geklettert. „Wir erwarten ein gutes Jahr und noch mehr Gäste aus den deutschsprachigen Ländern“, sagt Marica Mogorovic vom Fremdenverkehrsverband Kvarner im kroatischen Opatija: „Kroatien ist nun in der Schengenzone, die Grenzkontrollen entfallen. Wir sind jetzt noch leichter zu erreichen – egal, ob die Gäste mit dem Auto, Zug oder Flugzeug anreisen.“

Einen Sommer der klingenden Kassen und ohne größere Katastrophen erhoffen sich auch die Touristenhochburgen in den anderen Küstenstaaten im Südosten Europas. Trotz des Ukraine-Kriegs hatten sich vor allem die Adriastaaten bereits 2022 erstaunlich gut von den Einbrüchen der Pandemie erholt – und erwarten für dieses Jahr neue Besucherrekorde.

Wie Kroatien, wo die Zahl der Übernachtungen 2022 bereits wieder auf 96 Prozent des Rekordjahrs 2019 kletterte, sind auch im benachbarten Montenegro die Umsätze des von Corona hart gebeutelten Tourismussektors wieder auf das Vor-Pandemie-Niveau gestiegen. Vor allem 2020 sei für die Branche schwer gewesen, berichtet Liljana Cukic von Montenegros Tourismusverband: „Gerettet haben uns damals die Touristen aus der Region, vor allem aus Serbien.“

Das Fernbleiben der Stammgäste aus Russland und der Ukraine seit Kriegsbeginn hat der Adriastaat laut Cukic im letzten Jahr durch verstärkte Werbekampagnen in ganz Europa, aber auch in Israel erfolgreich kompensiert: „Vor allem die Zahl der Gäste aus Frankreich, Großbritannien und Skandinavien, aber auch aus der Region hat sich stark erhöht.“

In einer Stunde vom heißen Strand in die kühlen Berge: Während Kroatien sich nicht nur vom Schengenzutritt, sondern auch von der Euroeinführung neue Besucherrekorde verspricht, erhofft sich Montenegro durch die im Jahr 2022 eröffnete Autobahn von der Hauptstadt Podgorica in den bergigen Norden des Landes genauso neue Impulse wie von dem Bau der neuen Seilbahnstrecke von der Küstenstadt Kotor auf den Gipfel des Lovcen.

Bereits in den ersten Monaten des Jahres seien die Übernachtungszahlen gegenüber dem Vorjahr um 45 Prozent gestiegen, vermeldet stolz der geschäftsführende Regierungschef Dritan Abazovic: „Alle Parameter zeigen, dass dieses Jahr für Montenegro eine neue Rekordsaison werden wird.“

Auch Bulgarien vermeldet trotz des weitgehenden Wegfalls der russischen Stammgäste vermehrte Vorbuchungen für die Sommersaison. Doch nicht überall hat sich der Tourismussektor beim Schwarzmeeranrainer von den Rückschlägen durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg vollständig erholt.

Gäste aus Ostasien bleiben aus

Nur noch ein großer Stapel chinesischsprachiger Werbeprospekte ist Rumen Kolew vom Fremdenverkehrsamt im bulgarischen Weliko Tarnowo als Erinnerung an bessere Vor-Corona-Zeiten geblieben. Die Gruppenreisen mit kaufkräftigen Kulturtouristen aus Taiwan, Singapur oder Malaysia seien bereits seit 2020 weitgehend weggebrochen, erzählt der Archäologe.

Immerhin habe die vermehrte Zahl von Wochenendbesuchern aus dem nahen Rumänien die Gastronomen in dem schmucken Bergstädtchen in den letzten beiden Jahren über Wasser gehalten, so Kolew: „Aber als im letzten Jahr der Krieg begann, bekamen wir das auch zu spüren. Es kamen weniger Besucher wegen unserer geografischen Nähe zur Ukraine.“

Im Alpen- und Adriastaat Slowenien sei das touristische Leben „längst wieder zur Normalität zurückgekehrt“, berichtet hingegen Mitja Predovnik vom Fremdenverkehrsamt in Ljubljana. Zwar habe sich die Zahl der Besucher aus Asien reduziert, doch dafür steuerten die Stadt vermehrt Gäste aus dem europäischen Umland im Umkreis von 600 Kilometer an.

Die Erwartungen für die Sommersaison seien ebenso gut wie die Vorbuchungen, so Predovnik: „Doch wir jagen keinen Besucher- oder Übernachtungsrekorden hinterher, sondern setzen auf nachhaltigen Tourismus.“ Langfristiges Ziel sei, die durchschnittliche Verweildauer von Besuchern der Stadt von 2,1 auf drei Tage zu erhöhen: „Wir wollen etwas weniger Gäste, die aber länger bleiben – und mehr ausgeben.“

Personal
Sorgen bereiten den Tourismusstrategen im Südosten derzeit weniger der Gästeandrang als der Mangel an Saisonkräften. Der verstärkte Emigrationsaderlass nach Westeuropa hat selbst in den küstenlosen Nachbarstaaten wie Serbien, Nordmazedonien oder Bosnien und Herzegowina, die den Adriagastronomen lange als Arbeitskräftereservoir dienten, Aushilfskräfte zur Mangelware gemacht. Ob Kellner, Köche oder Reinigungskräfte: Händeringend werden helfende Hände gesucht.

Preise
Stark anziehende Löhne werden die Gäste im Sommer in Form steigender Preise zu spüren bekommen. Die Besucher seien bereit, „mehr Euros auszugeben“, ist der Hotelier Milan Sesar im kroatischen Opatija indes überzeugt: „Aber ich fürchte, es wird dem Sektor an Leuten fehlen, die die Gäste adäquat bedienen können. Denn unsere Arbeitskräfte gehen. Und es kommen keine neuen.“