Straßenszene in Dubrovnik: Touristen lieben die kleinen Lokale in der historischen Altstadt – doch das Personal wird knapp. Foto: imago/Sergio Monti

An der kroatischen Adria rollt der Touristenrubel – auch ohne russische Gäste. Doch der Branche fehlen die Arbeitskräfte in Hotels und Restaurants. Helfer aus dem Himalaja sollen die Saison retten.

Selbst der Ukraine-Krieg kann die hoffnungsvollen Erwartungen der kroatischen Tourismusstrategen für diesen Sommer kaum trüben. „Es erwartet uns eine sehr erfolgreiche Hauptsaison“, frohlockt Kristjan Stanicic, der Chef des Tourismusverbands HTZ, angesichts einer „ausgezeichneten Vorsaison“.

Tatsächlich klingeln bei den Adria-Gastronomen von Rovinj bis Dubrovnik fast wieder wie vor dem Corona-Zeitalter die Kassen. Auch der Wegfall der ukrainischen und russischen Besucher, die vor dem Krieg rund zwei Prozent der Gäste ausmachten, dürfte Kroatien dank des nach zwei Corona-Sommern verstärkten Drangs zur Adria locker verkraften. Hält der Trend an, könnten die Umsätze in diesem Jahr selbst die im bisherigen Rekordjahr 2019 übertreffen.

Kroatien sucht Zehntausende Saisonarbeiter

Doch ungetrübt ist die Freude der Adria-Gastronomen über den erwarteten Besucherandrang keineswegs. Einerseits machen vielen Kleinbetrieben noch immer die Folgen der Pandemie in Form kräftig erhöhter Schuldenlasten zu schaffen. Andererseits erschweren auch die Folgen des Ukraine-Kriegs wie die starken Preissteigerungen bei Kraftstoff und Nahrungsmitteln die Kalkulationen von Hotelbetreibern, Restaurantbesitzern, Bus- oder Taxiunternehmen.

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Die größte Sorge bleibt jedoch das Personal. „Kroatien sucht Zehntausende Saisonarbeiter“, titelt besorgt das Webportal Index.hr. Es ist die seit Jahren anhaltende Emigration in den Westen, die die Saisonkräfte im Adria-Staat nicht nur im Fremdenverkehr, sondern auch auf dem Bau und in der Landwirtschaft zur Mangelware hat werden lassen. Noch immer fehlen laut unterschiedlichen Schätzungen 30 000 bis 35 000 Arbeitskräfte für die Sommersaison.

Jobs in Westeuropa sind lukrativer

Die Zeiten, dass die Adria-Gastronomen ihren Arbeitskräftebedarf im heimischen Slawonien decken konnten, sind wegen der starken Abwanderung aus Kroatiens krisengeplagter Kornkammer schon lange vorbei. In diesem Jahr sei mit mehr als 100 000 Arbeitsgenehmigungen für Ausländer zu rechnen, berichtet die Zeitung „Slobdona Dalmacija“ in Split: „Niemals zuvor hatten wir so viele ausländische Arbeitskräfte.“

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Wie auf dem Bau, wo die meisten Ausländer beschäftigt sind, scheint auch für Kroatiens Tourismusbranche das bevorzugt angezapfte Saisonkräfte-Reservoir im nahen Bosnien und Serbien erschöpft. Der Mangel an Arbeitskräften in Westeuropa lässt Bosnier, Kosovaren, Mazedonier oder Serben sich lieber gleich einen besser bezahlten Job in Deutschland oder Österreich suchen, statt an der Adria für einen deutlich geringeren Sold zu kochen, zu kellnern oder die Betten zu machen.

Hilfskräfte aus Nepal sollen die Saison retten

Angesichts des leer gefegten Arbeitsmarkts setzen verzweifelte Arbeitgeber ihre Hoffnungen selbst auf Helfer vom Himalaja. In der Rangliste der Herkunftsländer der Ausländer, die in Kroatien eine Arbeitsgenehmigung erhalten, lag Nepal bereits 2021 auf dem fünften Rang und ist in diesem Jahr gar auf den dritten Platz geklettert – noch vor dem Kosovo und Nordmazedonien.

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Ein Kochkünstler aus Kathmandu kann die Zubereitung von Tintenfisch zwar sicher genauso gut erlernen wie seine Kollegen aus dem bosnischen Sarajevo. Doch während Kellner aus dem serbischen Belgrad an der Adria nur wenige Worte ihrer Muttersprache durch kroatische Begriffe ersetzen müssen, um im obligatorischen Ringel-T-Shirt wie Ureinwohner zu wirken, geht der Einsatz von Saisonkräften aus Asien oft auf Kosten der von den Touristen so geschätzten Authentizität.

Für Einheimische keine attraktive Berufsperspektive

Die Gewerkschaften empfehlen nicht nur höhere Löhne, sondern auch verbesserte Arbeitsbedingungen, um heimische Arbeitskräfte wieder vermehrt an die Küste zu locken. Doch die oft nur auf drei bis vier Monate begrenzten Arbeitsverträge machen den Job als Saisonkraft selbst bei einer leichten Erhöhung der Bezüge kaum dauerhaft zu einer attraktiven Berufsperspektive.

Zur Neubelebung des ausgebluteten Arbeitsmarkts plädiert Hrvoje Bujas vom Verband der Kleinunternehmen und Selbstständigen in Sibenik gar für einen radikalen Schnitt in Kroatiens aufgeblähten Verwaltungsapparat: „Nach unserer Schätzung könnten mehr als 50 Prozent unserer Bürokraten schon morgen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.“

Flüchtlinge sind keine Lückenbüßer

Ukraine
Die Hoffnung, mithilfe der 11 000 ukrainischen Flüchtlinge in Kroatien die Personallücken in Hotels und Restaurants füllen zu können, ist gering. Die meisten von ihnen sind Frauen mit Kindern.

Montenegro
Auch der Adria-Anrainerstaat Montenegro hat Probleme. Heimische Kellner und Köche wandern wegen der etwas besseren Löhne in die kroatische Touristenhochburg Dubrovnik ab. Mit Saisonkräften aus Ägypten oder von den Philippinen versuchen die Gastronomen hier ihre Personalnöte zu lindern.