Plüschige Kulisse und pappsüße Leckereien im Sweet Donuts. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Üppig dekorierte Schmalzkringel und knallbunte Teegetränke boomen. In Stuttgart gibt es mittlerweile zahlreiche Geschäfte mit süßen Kalorienbomben, die gerade bei jungen, gesundheitsbewussten Frauen einschlagen. Wie passt das zusammen?

Stuttgart - Totgesagte leben länger. Die amerikanischen Schmalzkringel erleben gerade ebenso eine Renaissance wie der taiwanesische Tee mit den Kügelchen. In Stuttgart schießen die Läden, die Donuts und Bubble Teas verkaufen, wie Pilze aus dem Boden. Und wieder mal sind die sozialen Medien Auslöser für den Hype.

Zuckerperlen-Deko war gestern. Wer heute als Donut etwas auf sich hält, sollte mit Creme gefüllt sein, mit Glasur überzogen, mit Schokofrüchten oder einem Riegel dekoriert und mit Nüssen oder Glitzer bestreut. Und auch für die Bubble Teas gilt: Es kann nie zu viel sein, was im durchsichtigen Becher landet. Also zum Beispiel Fruchtmus und Kokosmilch als Basis, dazu Schmetterlingblütentee als Farbtupfer und drei verschiedene Boba, wie die Bällchen aus Tapioka heißen.

Ein Laden nach dem anderen eröffnet

Die Fans sind auch in Stuttgart zahlreich. Vor dem Teespresso in der Calwer Straße stehen sie ebenso Schlange wie vor dem Royal Donuts in Feuerbach. Bei Mr Box Tea Box im Stuttgarter Westen sind viele Zutaten ausverkauft, bei Sweet Donuts im Hospitalviertel ist die Theke mittags leer gefegt. Im Milaneo, wo bereits Happy Donnazz und Dunkin‘ Donuts konkurrieren, soll es demnächst auch ein neues Bubble Tea Geschäft geben, im Gerber sollen bald üppig dekorierte Donuts verkauft werden. Ob Stuttgart oder die Region: es eröffnet ein Laden nach dem anderen, der die pappsüßen Snacks oder die knallbunten Getränke offeriert. Zielgruppe sind ausgerechnet jene jungen Frauen, die sich eigentlich sonst oft gesund ernähren. Wie ist das zu erklären?

Eine grüne Wand, über und über mit rosa Blüten besetzt: Die Ladengestaltung von Sweet Donuts in der Hohe Straße lässt ahnen, dass rund 90 Prozent der Kundschaft weiblich sind. „Viele Mädels springen auf unsere Produkte an“, sagt Tommy Schnurrbusch. Und das bei geschätzten 400 bis 700 Kalorien pro Stück. Er spricht von der „Sünde für zwischendurch“, die sich gerade auch gesundheitsbewusste junge Leute an ihrem „Cheet Day“, also dem „Schummel-Tag“ gönnen würden. „Die Lust auf einen Donut kann man nicht mit einem Dattelshake stillen“, meint er.

Das Grundprodukt wird nur veredelt

Schnurrbusch hat mit seiner Frau Verena das Unternehmen mit Sitz in Böblingen gegründet. Das erste Geschäft eröffnete Ende Mai 2020 in Sindelfingen, in diesem Frühjahr dann den Laden im Hospitalviertel, der gleichzeitig auch die Produktion ist. Wobei „Produktion“ hoch gegriffen ist, denn das Grundprodukt wird von einem Hersteller aus den USA mit Europasitz in Holland fertig angeliefert. „Wir machen eine reine Veredelung“, stellt Schnurrbusch klar. Dazu brauche man in der Küche eigentlich nur ein Gerät, das Schokolade schmilzt. Und außerdem viele Behälter für die Toppings. „Die schlimmste Arbeit ist das Auspacken“, so Schnurrbusch. Denn die Schokoriegel müssen alle einzeln ausgewickelt werden, bevor sie auf dem Donut landen.

So arbeitet auch die Konkurrenz, die in Stuttgart vor allem aus dem Royal Donuts in der Stuttgarter Straße in Feuerbach besteht. Hinter Royal Donuts steckt als Franchisegeber Enes Seker aus Aachen, der den Hype um die „Bombastkringel“ angestoßen hat. Im November 2018 startete er mit dem ersten Laden in Köln, mittlerweile gibt es mehr als 100 Shops, in der Region bisher in Schorndorf und Ludwigsburg. Neuste Kreation: Die Sechser-Royal-Deluxe-Box für knapp 30 Euro. Die Franchisenehmer bekommen die fertig gebackenen Rohlinge, die sie dann nach dem Baukastenprinzip füllen und verzieren. Fotos zeigen, wie die fertigen Produkte auszusehen haben - das bekommt auch hin, wer keine Erfahrung in der Gastronomie hat.

Soziale Medien sind eine wichtige Plattform

Apropos Fotos: Die Edel-Donuts richten sich ebenso wie die aufwändigen Tee-Kreationen an eine Generation, die ihr Essen ständig fotografiert oder filmt und auf Instagram oder TikTok postet. Das kann Daniel Di Stefano nur bestätigen. Er hat Anfang Februar 2021 seinen Laden Mr Box Tea samt Café in der Arndtstraße eröffnet, und schon Anfang März haben sie ihm „die Bude eingerannt“, wie er erzählt. Auslöser war ein Video: Eine Kundin filmte, wie sie Schlange stand, dann die mit Stofftieren bedeckte Wand im Laden und schließlich das Getränk in der Comic-Figur. „Das Video ging steil“, so Di Stefano, und die Kundschaft strömte, vom Bodensee bis aus München.

Die sozialen Medien sind für die Branche eine wichtige Plattform, um auf sich aufmerksam zu machen. Aber das kostet auch Zeit. Di Stefano, der Franchisenehmer eines chinesischen Unternehmens ist und bisher noch auf die Genehmigung wartet, in seinen Räumen außerdem ein Katzencafé zu eröffnen, hat mehrere 1000 Abonnenten. „Und die wollen content“, wie er sagt. Also Inhalt, sprich Fotos. „Da darf man nicht nachlassen.“ Das bestätigt Schnurrbusch, der auf authentische Bilder seiner Kundinnen setzt und meint, die Konkurrenz bastle schon mal edle Kreationen ausschließlich fürs Internet.

Der deutsche Markt ist schwierig

Sowohl der Tee-Experte als auch der Donut-Unternehmer, der übrigens im Hauptjob bei Porsche arbeitet, wollen keine Prognose abgeben, wie lange der Hype anhält. Di Stefano bekommt die Auswirkungen insofern zu spüren, als die Ware – die Teeblätter zum Aufbrühen sowie die „Böbbele“ wie er sagt – aus Taiwan kommen und der Nachschub gerade schwer zu organisieren ist, weil es so viele neue Anbieter gibt. Und Schnurrbusch sieht einen großen Unterschied zwischen dem Donut-Mutterland USA und Deutschland. „Die Amerikaner können anders als die Deutschen jeden Tag Donuts essen, auch wenn es heiß ist. Der hiesige Markt ist relativ schwierig, denn die Leute haben Süßspeisen schnell satt, wenn das Angebot zu groß ist.“