Das Fährhaus am Schmalen Luzin, in dem Stefanie Keller während ihres Urlaubs auf der Isomatte schläft Foto: Stefanie Keller

In jeder freien Minute arbeitet Stefanie Keller aus Metterzimmern auf einem kleinen Boot in Mecklenburg-Vorpommern. Hier findet sie Ruhe und Inspiration – und hier traf sie die wichtigste Entscheidung ihres Lebens.

Metterzimmern - Die einzige handbetriebene Personen-Seilfähre Europas verbindet auf dem Schmalen Luzin im Osten Mecklenburgs die Ortschaft Feldberg mit dem Ortsteil Hullerbusch. Die Fähre und das Fährhaus sind das liebste Urlaubsziel von Stefanie Keller aus Metterzimmern, die Fähre zu steuern und zu betreiben, ist ihre liebste Ferienbeschäftigung. Seit einigen Jahren verbringt Keller ihren Urlaub und ihre freien Tage an dem winzigen See.

„Hier finde ich Ruhe, körperliche Beschäftigung und hier habe ich die wichtigste Entscheidung über mein Leben getroffen“, sagt die 43-Jährige. Die gelernte Verlagskauffrau entschied sich in der Ruhe der mecklenburgischen Wälder und angeregt von den dortigen Sagen und Legenden dazu, ihren Beruf aufzugeben und als freischaffende Märchenhexe durchs Leben zu gehen. „Mittlerweile kann ich davon leben“, sagt sie.

Die Seilfähre ist gut für die Oberarme

Durch Zufall kam sie zum Fährhaus am Schmalen Luzin, auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit, die es in Feldberg nicht zuhauf gibt. Der Fährmann bot ihr an, auf einer Luftmatratze im Bootshaus zu nächtigen. Nachdem Stefanie Keller die halbe Nacht einsam auf dem Steg saß und auf den schwarzen See starrte, beschloss sie, einige Tage da zu bleiben. Der Fährmann zeigte ihr, wie man die Personen-Seilfähre betätigt.

Das kleine Boot ist an einem durch den See unterhalb der Wasseroberfläche gespannten Seil befestigt und durch Drehen eines Rades bewegt sich die Fähre. Dann wird das Boot gedreht und es geht wieder zurück. 200 Meter hin, 200 Meter zurück, mehrmals am Tag, immer wenn jemand „Fährmann hol över“ ruft, bringen Keller oder der Fährmann Tom die Wanderer, Urlauber und Radfahrer zum anderen Ufer. „Das macht richtige Oberarmmuskeln und ist ganz schön anstrengend, aber es vertreibt jeden Stress und alle Sorgen aus meinem Kopf. Der Platz am See wurde zu meinem Schicksalsort.“

Die Natur erzählt die Märchen

Schon immer interessierten sie Märchen, Sagen und Legenden, die sich auf dem Land, an Flüssen, Seen und in Wäldern seit Jahrhunderten erzählt werden. Sie hörte sich in der Umgebung des Schmalen Luzins um, stellte ein Programm zusammen. Die Fährgäste, so sagt sie, erzählen ihr viel, sie sauge es auf und erzähle es später. Inzwischen macht sie Märchenführungen im Kreis Ludwigsburg, aber auch in Mecklenburg, auf Bauernhöfen und bei Veranstaltungen. „Nur wenn man viel Zeit in der Natur verbringt, kann man die Märchen hören“, sagt sie geheimnisvoll.

Nach ihrem ersten Aufenthalt am Schmalen Luzin sammelte sie nicht nur alte Volks- und Naturmärchen, sie ließ sich auch zur Märchenerzählerin ausbilden. Sie wandert mit Kindern und Erwachsenen und erzählt. „Einen schöneren Job kann es nicht geben“, sagt sie. Ohne ihr 750 Kilometer entferntes Paradies habe sie aber nie den Mut gefunden, diesen Weg zu gehen.