Vom Lukasturm erkennt man gut einen Teil des Gehenbühl, hinten Giebel Foto: factum/Granville

Die diesjährige Sommerführung des Stadtarchivs hat den Gehenbühl zum Thema. Die Teilnehmer erfahren dabei etwa, warum früher viele Gummistiefel an der Straßenbahnhaltestelle standen.

Gerlingen - In diesem Jahr feiert die evangelische Lukaskirchengemeinde das Fünfzigjährige ihrer Kirche. Diese wurde am 28. Mai 1967 eingeweiht. Da wohnten im Gerlinger Stadtteil Gehenbühlschon mehr als 2000 Menschen. In den 50-er Jahren waren die ersten Häuser gebaut worden – da gab es an Infrastruktur zwar die Straßenbahn, aber keinen Strom und keine Wasserleitung. Später teilte die Feuerbacher Straße den anderthalb Kilometer langen Stadtteil. All dies spricht Klaus Herrmann, der Leiter des Stadtarchivs, in seiner Sommerführung Ende August an.

Die Geschichten über die Geschichte beginnen auf dem Kirchplatz an der Blumenstraße. Die 18. Sommerführung wird weit zurück in die Menschheitsgeschichte führen. Die ersten Häuser der Neuzeit wurden am östlichen Rand von Gerlingen bereits Ende der zwanziger Jahre gebaut, von 1950 an entwickelte die Verwaltung Ortsbaupläne. Es musste rasch Platz geschaffen werden für die vielen Hundert Menschen, die nach dem Krieg aus ihrer alten Heimat im Osten nach Gerlingen kamen.

In Stiefeln zur Straßenbahn

Die Bezeichnung Gehenbühl gab es als Namen des neuen Stadtteils nicht von Anfang an, in den Fünfzigern hieß es „Laichle“. Doch dies habe sich ähnlich angehört wie „Leiche“, erinnert Herrmann an Diskussionen von einst – und diesen Namen wollten die Leute nicht. Also beschloss der Gemeinderat im Mai 1960, das Wohngebiet Gehenbühl zu nennen. Dabei blieb es.

Das Gewann gleichen Namens befand sich dort, wo sich 1958 die Firma Roller ansiedelte. Die Wortsilben „Geh“ und „Bühl“ bezeichnen einen steil abfallenden Hügel – eine Geländeformation, die man im Stadtteil findet. Eine Straßenbahn, mit der sie in die Stadtmitte oder nach Feuerbach zur Arbeit fahren konnten, hatten die Gehenbühler von Anfang an. In den ersten Jahren gab es aber noch keine Gehwege, sondern viel Matsch. Da marschierten die Leute zur Haltestelle in Gummistiefeln, stellten diese an eine Hecke und zogen für den weiteren Weg saubere Schuhe an. Und abends ging’s dann andersherum.

In den Zwanzigern habe man in Gerlingen „aus irgendwelchen Gründen alles Mögliche genehmigt“, sagt der Archivchef: Ein paar Häuser im Stöckach, ein paar im Forchenrain und zwischen 1928 und 1934 sechs im Gehenbühl. Sie bildeten den Grundstein für das Gebiet, in dem heute mehr als 3200 Menschen wohnen.

Alles Mögliche genehmigt

Von Anfang an hatten die Gehenbühler gute Nachbarn: Die Menschen in Giebel. Viele Gehenbühler sind heute noch eher zu dem kleinen Stuttgarter Stadtteil und seinem Einkaufszentrum am Ernst-Reutter-Platz orientiert als zur Gerlinger Stadtmitte. Die Mischung von Eigentums- und Mietwohnungen, Einfamilienhäusern und sozialem Wohnungsbau präge den Gehenbühl, sagt Herrmann, im Giebel gebe es nur Sozialbau – bis hin zu den Hochhäusern.

Broschüre über zwei Kirchen

Situation
In Gerlingen gibt es vier Kirchen aus der Neuzeit: evangelisch sind die Matthäuskirche (Baujahr 1965) und die Lukaskirche (Baujahr 1967), katholisch die Kirchen Sankt Peter und Paul und Sankt Andreas.

Überblick
Das Stadtarchiv hat im Jahr des 50-jährigen Bestehens der Lukaskirche eine neue Broschüre herausgebracht: In den „Beiträgen zur Ortsgeschichte Nr. 9“ stehen die Lukaskirche und die Matthäuskirche im Mittelpunkt. Die Archivmitarbeiter Moritz Herrscher, Carla Kastner und Beate Wagner haben schriftliche Quellen zu beiden Gotteshäusern aus allen möglichen Büchern und Festschriften zusammengeholt und in einer Publikation im Format A4 zusammengefasst. So kommen auch Sichtweisen und Fakten aus verschiedenen Jahrzehnten zusammen. Die Broschüre ist im Archiv im Rathaus zu haben.