Anstelle alter Obstwiesen sollten hier einmal Wohnblocks entstehen. Foto: factum/Granville

Heute hat die Stadt 19 770 Einwohner. Angestrebt waren 40 000 – ein Thema der Sommerführung des Stadtarchivs. Diese führt in Gegenden, die einstmals zur Bebauung vorgesehen waren.

Gerlingen - Nicht nur der heutige Gerlinger Bürgermeister hat eine runde Einwohnerzahl fest im Blick – auch sein Vor-Vorgänger hatte dies. Bei Wilhelm Eberhard, im Amt von 1955 bis 1983, war die Zahl aber doppelt so groß wie beim heutigen Rathauschef Georg Brenner. Es geht um 40 000 beziehungsweise 20 000. Im Westen der Stadt war ein Aufsiedelungsgebiet vorgesehen, fünf weitere Gebiete sollten Südosten entstehen. Zu den Teilen der Stadt, die früher für massive Bebauung vorgesehen waren, führt die Sommerführung des Stadtarchivs an diesem Wochenende.

Man könnte „Was der Stadt erspart bliebe“ dazu sagen; der Archivchef Klaus Herrmann nennt die Veranstaltung aber lieber „Durch Wiesen und Gärten am Waldrand entlang“. Tatsächlich wurden in den Siebzigern riesige Wohnblocks geplant. Die Gebäude gegenüber des Altenhilfezentrums sind ein Beispiel: Heute stehen dort achtstöckige Häuser, geplant waren 15 Etagen.

Knorrige alte Obstbäume

Herrmann führt seine Teilnehmer vor allem in Gegenden, in denen heute knorrige Obstbäume Streuobstwiese pur demonstrieren – und eben keine riesigen Betonblocks dort stehen. Die Gruppe erkennt eines der Planungsgebiete, wenn sie ein steiles Stück Wegs von der Gartenstraße bergan geht. Links davon war zuerst ein Friedhof geplant. Als das nichts wurde, wegen des ungeeigneten Untergrunds, sollten massive Wohnblocks entstehen. Zuerst war der Friedhof ein Stück weiter oben geplant – gebaut wurde der Waldfriedhof dann dort, wo er heute ist. Rechts des Wegs liegt das Gewann Margaretle – es war noch 1984 als neues Wohngebiet vorgesehen.

Dass dieses Gebiet dort oben, zwischen Tal- und Höhenlage, für die Natur wertvoll ist, wurde schon in der Leonberger Oberamtsbeschreibung 1852 gewürdigt. Johann Caspar Schiller und seine Obstbaumzucht beim Schloss Solitude hatten daran maßgeblichen Anteil. 1984 untersuchten Fachleute ausführlich das etwa 30 Hektar große Streuobstwiesengebiet Stöckach, Hintere Weingart, Margaretle und Gröninger. Damals gab es 672 Obsthochstämme, etliche dürften jetzt weg sein – einen guten Eindruck der Pracht bekommt man aber noch heute. Seit 1988 steht alles unter Landschaftsschutz. Ein Stück oberhalb liegt der Haupt-Wasserbehälter für die Stadt, ein zweites Schmankerl ist die Gänswiese einer Brudergemeinschaft ein Stück weiter.

Waldsiedlung dcs kleinen Mannes geplant

Eine zweite Waldsiedlung war auch einmal geplant – nördlich der Solitudestraße gegenüber dem KSG-Gelände und der Zufahrt zu den Kliniken. Dafür sollten mehr als zehn Hektar Wald geopfert werden, nach 1975 rund 1000 Menschen dort wohnen. 40 Prozent waren als Sozialwohnungen vorgesehen, daher der Name „Waldsiedlung des kleinen Mannes“. Dazu kam es aber nicht. Die Abholzung wurde nicht genehmigt. Das Klima und die Erholungsfunktion des Waldes spielten damals schon eine Rolle. Die „richtige“ Waldsiedlung, für 400 betuchte Familien, war 1962/63 gut einen Kilometer weiter auf der anderen Seite der Stuttgarter Straße entstanden.

Den Schlusspunkt der Wanderung bildet der Minigolfplatz – spielen kann man dort nicht mehr. Die Gaststätte aber lädt noch zur Erholung ein.

Die Führung beginnt am Samstag und Sonntag, 18. und 19. August, je um 14.30 Uhr. Wiederholungen sind am 20. und 21. Oktober; Treffpunkt ist Reiflestraße/Wagensteige.