Pfad der Sinne: Blätter werden unterm Mikroskop betrachtet Foto: Lichtgut - Oliver Willikonsky

Wie kaum eine zweite Einrichtung widmet sich das Haus des Waldes der Inklusion. Das wurde auch beim Sommerfest deutlich. Andere öffentliche Einrichtungen tun sich schwerer.

Stuttgart - Die kleine Philippa strahlt über beide Backen, denn die Fünfjährige bekommt den Wald nicht alle Tage zu Gesicht. Für eine mehrfachbehinderte Rollstuhlfahrerin wie sie ist der Wald mit seinen Wurzeln, Sträuchern und Bäumen einfach auch kein Ort, an dem man unbeschwert und leicht vorankommen könnte – zumindest an normalen Tagen.

Doch das Sommerfest des Haus des Waldes in Degerloch fand am Sonntag unter dem Motto statt, dass der Wald für alle da sein müsse. „Unser Angebot richtet sich sowohl an Menschen ohne Handicap, als auch an Menschen mit Geh- oder Sehbehinderung, ältere Menschen und Menschen mit Lernschwäche“, sagt Berthold Reichle, Leiter des Hauses. Das Konzept scheint viele überzeugt zu haben: Mehr als 1500 Besucher, schätzt Reichle, sind zum Sommerfest gekommen, um dem Wald mit allen Sinnen zu erleben.

Neun Stationen auf dem Pfad der Sinne

Den Grundstein dafür hat der neun Stationen umfassende Pfad der Sinne gelegt, der vergangenen November fertiggestellt wurde. „Es geht darum, den Wald zu hören, zu riechen, zu tasten oder zu sehen“, erklärt Reichle. Station Nummer vier etwa beschäftigt sich mit dem Thema Hören. Hier werden sogenannte Fiepblattern hergestellt – kleine Pfeifen aus Hasel- oder Ahornholz, die den Ruf der Rehkuh imitieren. Anderswo sind Holzschnitzereien von Eicheln oder Tannenzapfen ausgestellt, die man erfühlen kann. „So wollen wir auch Blinden ein Gefühl für den Wald vermitteln“, sagt Reichle. Ähnliches gilt für einen gefällten, 40 Meter langen Baum am Wegesrand – durch Entlangtasten sollen Sehbehinderte die beeindruckende Größe der Bäume nähergebracht bekommen.

Stege über dem Waldboden dagegen sollen Gehbehinderten die Möglichkeit geben, zu fühlen, wie es ist, mitten im Wald zu sein. Und besonders beliebt bei den Jüngeren sei das Laubbett, in das man sich einfach hineinlegen und die Seele baumeln lassen kann, weiß Reichle.

Doch auch für Menschen ohne Behinderung hat das Haus des Waldes viel zu bietet. „Ein Besucher hat unseren Lernwald mal als grüne Wohlfühloase beschrieben“, erzählt Reichle. Viele Städter würden auch unter der Woche kommen, um sich vom hektischen Stadtleben zu erholen.

Lob vom Behindertenverband

Das schätzt auch Jutta Pagel-Steidl vom Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg besonders. „Hier ist es einfach ganz normal, dass Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam Erfahrungen machen“, sagt sie. Dem Haus des Waldes stellt sie unter dem Aspekt der Inklusion Bestnoten aus. Anders als anderen öffentlichen Einrichtungen. „In der Wilhelma ist beispielsweise die Situation mit behindertengerechten Toiletten katastrophal“, sagt Pagel-Steidl.

Sie hofft, dass das Haus des Waldes anderen bei der Inklusion als Vorbild dienen kann. Die kleine Philippa würde davon sicher profitieren. Vielleicht führt sie ja bald ein Wochenendausflug in den Zoo.