Petra Bauer und Klaus Huber gehören zum festen Stamm der Helfer bei der Dorffreizeit in Hemmingen. Foto: factum/Granville

Für viele Hemminger ist die Teilnahme an der Dorffreizeit zur Tradition geworden. Etliche Helfer machen seit vielen Jahren mit. Das gilt auch für die Gerlinger Stadtranderholung und für die Kinderspielstadt Ditziput in Ditzingen.

Hemmingen - Klaus Huber gehört zu einer raren Spezies: Mann. Zumindest, wenn es um die Helfer bei der Dorffreizeit in Hemmingen geht. Der überwiegende Teil der rund 90 Freiwilligen, die die einwöchige Freizeit gestalten, ist weiblich. Huber macht seit drei Jahren mit, er spielt in der Theatergruppe und betreut die „großen Jungs“. Für die gibt es ein spezielles Angebot fernab der Kleingruppen, in denen die restlichen Kinder den Tag verbringen – knapp 40 Fünft- bis Achtklässler spielen miteinander, rennen, machen Sport. „Es hat sich bewährt, dass man für die älteren Jungs etwas extra macht“, sagt Petra Bauer. Die 43-Jährige betreut selbst eine Gruppe Jungen, Drittklässler. Der Tag beginnt für alle Kinder gleich: Morgens treffen sie sich im evangelischen Gemeindehaus im Plenum. Dort gibt es Musikspiele, Quizfragen, biblische Geschichten. Die ökumenische Freizeit hat dieses Jahr das Motto „Detektiv Pfeife folgt der Glücksspur“.

Glück ist auch das, was Petra Bauer empfindet, wenn sie mit den Kindern zusammen ist. Zum neunten Mal ist die erste Woche der Sommerferien für die 43-Jährige durch die Freizeit geblockt. Neben der Gruppe, die sie betreut, spielt sie auch in der Band. Ihr geht es darum, den Kindern eine Botschaft mit auf den Weg zu geben: „Gerade in der jetzigen Zeit ist es wichtig, ihnen zu sagen: Ihr seid nicht allein.“ Bauer versteht dieses Nicht-Allein-Sein nicht nur als Dasein der Eltern und anderer Ansprechpartner, sondern auch von Gott. Es ist ihr wichtig, den Glauben zu vermitteln.

Viele fahren erst danach in den Urlaub

Für viele Hemminger ist die Teilnahme an der Dorffreizeit gesetzt. So sagt es Petra Bauer, sie meint Helfer und Kinder gleichermaßen. Ein Großteil der Kinder ist jedes Jahr dabei, dieses Mal sind es 190. In den Urlaub fahren viele erst danach. Viele Kinder bleiben später als jugendliche Helfer dabei. Klaus Huber freut sich, dass auch in diesem Jahr einige „seiner“ Jungs diesen Sprung gemacht haben.

Oft sind ganze Familien an der Dorffreizeit beteiligt. Klaus Hubers vier Kinder etwa sind dabei, seine Frau hilft schon seit vielen Jahren. Auch Petra Bauers drei Söhne machen mit, nur ihr Mann muss arbeiten. Das, da sind sich Bauer und Huber einig, ist ein Problem für viele, die eigentlich gerne helfen würden. „Viele können nicht frei machen“, sagt Huber. Der 47-Jährige ist Maschinenbauingenieur und baut mit der Freizeit Überstunden ab.

Die, die dabei sind, sind es oft viele Jahre lang. Wenn man jemanden auf der Straße treffe, sagt Klaus Huber, frage man: Machst du wieder mit? Und die Antwort sei meist: Ja klar! „Man ist Teil eines Ganzen“, sagt Petra Bauer – die Gemeinschaft untereinander sei schön, zudem treffe man Leute, mit denen man sonst kaum Kontakt hat.

„Guck mal, da rennt der Saul!“

Wie sehr die Dorffreizeit die 7500-Einwohner-Gemeinde prägt, sieht man auch an anderen Beispielen: „Dann heißt es auf einem Fest: Guck mal, da rennt der Saul!“, sagt Klaus Huber – den nämlich hat er mal verkörpert. Und die „großen Jungs“, die mit ihm auf der Freizeit auch Radfahren, kommen das ganze Jahr über auf Huber zu – und fragen, ob er ihr Fahrrad reparieren könne. Es ist anzunehmen, dass der 47-Jährige solche Wünsche gerne erfüllt – schließlich bastelt er in seiner Freizeit ohnehin gerne in seiner Werkstatt. Dort tüftelt er häufig auch schon lange vor den Ferien an Ideen für die Dorffreizeit. Jedes Jahr basteln die Jungen etwas – dass es dieses Jahr ein Periskop werden würde, mit dem man um die Ecke gucken kann, hatte sich Huber schon vor einem Jahr überlegt.

Spaß und Fantasie auch ohne Smartphone

Gerlingen - Manuel Reichert (24) ist seit zehn Jahren Betreuer bei der Stadtranderholung. Wolfgang Krämer (68) ist ein Neuling. Von Klaus Wagner

Ein Mädchen aus der Gruppe sitzt ihm gleich früh um neun bei der Begrüßung voll im Kreuz. Andere Kinder scharen sich um den 24-Jährigen und die beiden Gruppenleiterinnen. Manuel Reichert ist beliebt bei den sechs- bis 14-jährigen Jungen und Mädchen, die die Stadtranderholung („Stara“) in Gerlingen besuchen. Noch 70 andere Ehrenamtliche geben dieser Veranstaltung der Stadt, die seit 1969 jeden Sommer angeboten wird, ein Gesicht. Wolfgang Krämer ist Neueinsteiger – eine ungewohnte Situation für den 68-Jährigen. Aber eine, die er voll ausfüllt. Denn auch der jünger wirkende Rentner wird gebraucht – nicht nur als Fahrer und Helfer in der Küche.

Manuel Reichert hat vor zehn Jahren als 15-Jähriger in der Küche angefangen. „Ich war oft Teilnehmer und wollte dabei bleiben“, erzählt der junge Mann aus Gerlingen, der nach einem Studium des Public Management in der Kämmerei der Ditzinger Stadtverwaltung arbeitet. Er nimmt für die Stadtranderholung Urlaub – und findet, dass sich das lohnt. „Das sind zwei super Wochen hier“, sagt er begeistert, „mir hat das schon als Kind Spaß gemacht.“ Jetzt wolle er, wie die anderen Betreuer, „den Kindern zwei schöne Wochen bieten“.

Insgesamt 386 junge und ältere Menschen

Sport, basteln, Ausflüge in die Wilhelma oder ins Maislabyrinth, Schnitzeljagd, Arbeiten mit Ton oder Holz, Herumtoben auf dem Außengelände der Breitwiesenschule – der Möglichkeiten gibt es viele, das Programm für die zwei Wochen ist durchstrukturiert. Die Chefin, die Jugendhausleiterin Michaela Höhn-Bea, ist mit ihrem Team von drei weiteren Hauptamtlichen, einigen Bufdis (Bundesfreiwilligendienst), Küchenhelfern und etwa 60 Gruppenbetreuern für das Ganze verantwortlich. Zusammen mit den Teilnehmern kommen so 386 junge und ältere Menschen zusammen – eine große Gerlinger Freizeitgruppe.

Natürlich müssten sich die Kinder an Regeln halten (keine Gewalt, nicht schlagen, den anderen ausreden lassen, nicht vom Gelände gehen), erklärt Manuel Reichert. Außer in der Mittagspause bleiben die Handys aus, man konzentriert sich auf das Programm und die anderen Teilnehmer. Viel verändert habe sich in „seinen“ vergangenen zehn Jahren nicht, sagt Reichert – außer eben den Smartphones.

Kinder haben noch Fantasie

Fantasie aber hätten die Kinder schon noch, meint der 24-Jährige. Erst am Tag zuvor habe er mitbekommen, wie ein Kind einen anderen Betreuer gefragt habe, „was glaubst du, wie viele Köpfe Gott hat?“. Auch beim Malen bemerke man Kreativität oder anderes, was in den Kindern vorgehe. „Da kommen schon mal Monster oder Fantasiekreaturen zum Vorschein“, erzählt Reichert. Es sei gut für die Kinder, wenn sie außerhalb der Schule persönliche Beziehungen pflegen könnten. Deshalb sei es auch ein Ziel der Betreuer, gute Beziehungen aufzubauen und zu Vertrauenspersonen zu werden; jede Gruppe hat darum drei Betreuer, nach Möglichkeit junge Frauen und Männer in unterschiedlichem Alter. Wenn der Ansatz funktioniere, merke man das daran, „dass die Kinder lachen, Spaß machen oder auch mal versuchen, uns auf den Arm zu nehmen“.

Der Senior ist in diesem Jahr der Mann mit dem grauen Bart: Wolfgang Krämer. Er habe schon Erfahrung als Vorleseopa in einem Gerlinger Kindergarten, erzählt der 68-Jährige. Jetzt räumt er Geschirr und Marmeladengläser vom zweiten Frühstück zusammen, kümmert sich um die Reste von Kaffee und Kakao, hat später noch eine Bustour vor sich. Warum er dabei ist? Er habe versucht, seine beiden siebenjährigen Enkel anzumelden. Die gingen dann zwar zu Ditziput, weil sie in Schöckingen wohnen (siehe auch „Nachgefragt“). Er aber ist bei der „Stara“ dabei. „Ich mache da für mich ein Projekt daraus.“ Und vielleicht sagt auch er, wie Manuel Reichert, nach zwei Wochen: „Es sind tolle Ferien.“

Zuhören ist das Wesentliche

Ditzingen - Die 45-jährige Claudia Klatte ist seit zwölf Jahren bei der Ditzinger Kinderspielstadt Ditziput dabei. Dort ist Inklusion völlig normal.

Frau Klatte, was motiviert Sie, jedes Jahr Stress und Zeitaufwand für Ditziput auf sich zu nehmen?
Es ist absolut kein Stress für mich, sondern ein Runterkommen. Ich nehme für Ditziput zehn Tage Urlaub. Ich mache das sehr gerne – es ist so etwas Ehrliches mit den Kindern, beispielsweise, wenn ein Kind sich bei mir bedankt. Die Kinder sind glücklich und zufrieden, wenn man sich mit ihnen beschäftigt. Denn viele haben die Ansprache nicht mehr so richtig. Sie werden oft alleine gelassen. Das motiviert mich.
Dann muss eine familienfremde Frau die Ersatzmutter geben.
Ich glaube nicht, dass die Kinder mich als Ersatzmutter sehen, sondern als Bezugsperson, die sich Zeit nimmt und ihnen zuhört. Das ist das Wesentliche.
Was macht denn Ditziput so einmalig?
Das Konzept: in einer Spielstadt werden die Kinder ernst genommen. Ihre Meinung zählt, sie können Dinge entscheiden, wir haben Bürgermeister und Gemeinderat. Sie müssen arbeiten, um Geld zu verdienen. Erst so können sie sich etwas leisten, etwa Pommes oder einen Ausflug. Der Umgang mit Geld ist einzigartig.
Das heißt, es werden soziale Fähigkeiten und Kompetenzen spielerisch vermittelt?
Genau so ist es.
Ist die Inklusion für alle selbstverständlich?
Total. Es ist unglaublich zu beobachten, mit welcher Selbstverständlichkeit die Kinder mit den behinderten Kindern umgehen. Wir haben körperlich und geistig behinderte Kinder, auch Erwachsene, die einfach dazu gehören zu Ditziput. Sie sind da, wie alle anderen auch, und machen, was sie können. Das ist sehr schön. Eher haben noch die Eltern Berührungsängste.