Bei dem Rundkurs kam es auf eine gute Kurventechnik an. Das Bild stammt vom „Großen Preis der Solitude“ im Jahr 1962. Foto: picture-alliance/ dpa

Unter dem Titel „Weilimdorfer Motor-Asse“ wird im neuen Heimatblatt auf zwei Ausstellungen zum Thema Motorsport zurückgeblickt. Dabei geht es unter anderem um das Solitude-Rennen, Fahrerpersönlichkeiten und historische Motorräder.

Weilimdorf - Vor Kurzem ist eine neue Ausgabe des Heimatblattes erschienen: Unter dem Titel „Weilimdorfer Motor-Asse“ blickt die Autorin Edeltraud John zurück auf zwei Ausstellungen, die es zu diesem Themenkomplex in den Jahren 2018 und 2019 gegeben hat. Nicht nur für Rennfans ist das 36-seitige Heft interessant, auch Heimatforscher dürften ihre helle Freude daran haben, werden doch zahlreiche Namen und Ereignisse erwähnt, die unmittelbar mit der Geschichte Weilimdorfs verknüpft sind. Und natürlich geht es auch um die berühmte Solitude-Rennstrecke, auf der bis 1965 Rennen gefahren wurden.

„Alle Hänge waren voller Zuschauer“

„Als junges Mädchen war ich selbst bei einigen Solitude-Rennen dabei“, erzählt Edeltraud John, die Geschäftsführerin des Weilimdorfer Heimatkreises. Das habe nicht zuletzt an ihrem Vater gelegen, der eine gewisse Affinität zu Autos und Motorrädern gehabt habe. Ganz im Gegensatz zu seiner Tochter: Die besaß nie einen eigenen motorisierten fahrbaren Untersatz – immerhin hat sie aber einen Führerschein. Bei Rennen dabei gewesen ist John in den 60er Jahren. „Alle Hänge am Streckenrand waren voller Zuschauer. Viele davon hatten wohl gar keine Tickets“, erzählt sie. Eines ist der heute 72-Jährigen noch gut in Erinnerung geblieben: Die Lautstärke der Motoren und die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der die Fahrzeuge an ihr vorbeibrausten. Da half nur, sich die Ohren zuzuhalten und die Augen hinter Papierschildchen mit Gummiband zu verstecken. Bis zu 200 000 Besucher kamen seinerzeit zu den Rennen. Junge Leute wanderten schon nachts an die Strecke, um einen guten Platz zu bekommen. „Alles in allem empfand man ein großes Gefühl von Freiheit, Sorglosigkeit, Spaß und Unabhängigkeit“, meint Edeltraud John.

Viele ältere Weilemer haben laut ihr noch schöne Erinnerungen an die damalige Zeit. Und kennen noch die Namen ihrer Helden: Eugen Gerlach beispielsweise wurde „König der Kurven“ genannt. Er hatte später eine Fahrschule, in der viele Weilimdorfer ihren Führerschein machten. Sehr bekannt war auch Paul Schaible, Spitzname „Gurkenzwicker“, weil er Gärtner von Beruf war. Artur Hiller hingegen war Inhaber der Alten Apotheke in Feuerbach und Mitbegründer des MSC Feuerbach. Ebenfalls aus Feuerbach kamen Erwin Aldinger und Eugen Raible. Aus Cannstatt stammte Hermann Lang, ein Pilot der berühmten Mercedes-Silberpfeile. Seine Mutter war gebürtige Weilimdorferin. Edeltraud John hat sogar in der eigenen Verwandtschaft einen berühmten Rennfahrer: Großonkel Julius Spiess belegte 1931 auf der Solitude mit seinem NSU-Motorrad einen zweiten Platz. Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete er ein Autohaus an der Pforzheimer Straße. Nicht nur die Herren, auch mutige Damen schwangen sich damals in den Motorradsattel. 1904 beispielsweise stand die zierliche Berlinerin Mariechen Reuschel ganz oben auf dem Siegerpodest.

Sogar die Formel 1 war zu Gast

Im Jahr 1903 wurde in Stuttgart das erste Solitude-Rennen ausgetragen. Es führte vom Westbahnhof hinauf zum Schloss. Später wurde dann ein Rundkurs eingerichtet, auf dem zunächst vor allem Motorräder unterwegs waren. Bis Mitte der 60er Jahre fuhren dann Autos und Motorräder auf der Solitude um die Wette. Zunächst auf einem 22,3 Kilometer langen Kurs, später auf einer halb so langen Strecke. Sogar die Formel 1 war in Stuttgart zu Gast. Unter anderem trugen sich Jack Brabham und Jim Clark in die Siegerlisten ein. 1965 kam dann das Aus – vor allem aus Sicherheitsgründen (insgesamt gab es in der Geschichte des Solitude-Rennens 16 belegte tödlich Verunglückte). Seit 1999 gibt es unter dem Namen „Solitude Revival“ Oldtimerrennen.

Ein anderes Kapitel des Heimatblattes widmet sich schwäbischen Motorrad-Herstellern. Dazu zählen Namen wie „Standard“, gegründet von Wilhelm Gutbrod in Ludwigsburg, sowie die Firmen „UT (UnterTürkheim) und NSU (die drei Buchstaben stehen für Neckarsulm), wo später auch Autos gebaut wurden. Eingegangen wird auch auf die Preise, die die Fahrer gewinnen konnten. Dazu gibt es zahlreiche Abbildungen von Pokalen, Medaillen und Plaketten. Auch wird ein Blick auf die 90-jährige Geschichte des MSC Solitude geworfen. Abgerundet wird die Broschüre durch Bilder von den Ausstellungen in der Stadtteil-Bibliothek und der Heimatstube.

„Das ist ein Stück Heimatgeschichte“, sagt Edeltraud John. Sie habe beim Zusammenstellen der Ausstellungen und beim Schreiben des Heimatblattes viele neue und bislang unbekannte Details entdeckt. „Diese Dinge müssen erhalten werden.“ Erst vor Kurzem hat sie erfahren, dass seit Anfang September eine Ausstellung im Stuttgarter Stadtpalais läuft, die den Titel „Mythos Solitude-Rennen“ trägt: „Da gehe ich auf jeden Fall hin und überreiche den Verantwortlichen dann eine Ausgabe des Heimatblattes.“

Ein Stück Weilimdorfer Heimatgeschichte

Info: Das Weilimdorfer Heimatblatt ist zum Preis von drei Euro im Zeitungs- und Tabakladen Held, Löwen-Markt 5, erhältlich.