Blick von der Rednerbühne aus auf den Stuttgarter Schlossplatz mit als 2000 Teilnehmern Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Spontan haben sich Grüne, CDU, SPD und FDP in Stuttgart zu einer gemeinsamen Kundgebung auf dem Stuttgarter Schlossplatz entschieden. Den emotionalsten Eindruck hinterließ eine junge Ukrainerin.

Stuttgart - Der Krieg treibt die Menschen in Stuttgart in großer Zahl auf die Straße: Weit mehr als 2000 Menschen sind es, die sich am Sonntagmittag bei strahlendem Sonnenschein auf dem Stuttgarter Schlossplatz versammeln. Grüne, CDU, SPD und FDP hatten kurzfristig zu einer gemeinsamen Kundgebung eingeladen, der sich auch Oberbürgermeister Frank Nopper anschloss.

Ihre Jugendorganisationen hatten es am Donnerstag mit einer Solidaritätskundgebung vor dem russischen Honorarkonsulat in Feuerbach vorgemacht. Auch viele Ukrainer sind gekommen. Der OB macht den Anfang: „Unsere Gedanken sind in diesen schweren Stunden und Tagen bei den Menschen in der Ukraine. Ihnen gilt unsere Solidarität.“ Nopper fordert „mehr Akzeptanz für das Militär und die Sicherheitskräfte in unserem Land“ und betont, wie wichtig es sei, auch jetzt an der Städtepartnerschaft mit dem russischen Samara festzuhalten. Die Kundgebung selbst versteht er als „flammenden Appell für Entschlossenheit und Frieden in Freiheit“.

Eine Städtepartnerschaft mit einer ukrainischen Stadt – sobald es möglich ist

Konrad Walter von den Grünen findet, die Demonstrationen jetzt könnten nur ein Anfang sein. Die Stadtgesellschaft müsse Position beziehen. Er hat die Idee, eine Partnerschaft mit einer ukrainischen Stadt einzugehen. Im Gedächtnis bleibt sein Satz: „Friedenskerzen anzünden, reicht nicht!“ In diesem Fall brauche es auch Waffen! Thrasivoulos Malliaras, Kreisvorsitzender der CDU, feiert den ukrainischen Präsidenten Selenskyj als „Vorkämpfer für die Freiheit in Europa“. In der Kundgebung am Schlossplatz sieht er ein „tolles Zeichen“.

Es sei wichtig, gemeinsam für Freiheit und Frieden zu kämpfen. Für die SPD wirbt ihr Kreisvorsitzender Dejan Perc für die Freiheit, und für die Liberalen ergreift deren Kreisvorsitzende Gabriele Reich-Gutjahr das Wort. Sie erinnert daran, dass auch Stuttgart einst leidvoll erfahren hat, was Krieg bedeutet und fordert unter dem Beifall auch von Landtagspräsidenten Muhterem Aras und anderen Landespolitikern „nachhaltig und energisch gegen den Krieg zu demonstrieren.“ Die politischen Gemeinsamkeiten haben allerdings auch Grenzen. Linke und AfD waren für die Kundgebung nicht angefragt.

„Wie lange hält mein Land noch?“, fragt eine Ukrainerin bange

Den stärksten, emotionalsten Eindruck hinterlässt die Ukrainerin Afina, die aus dem heftig umkämpften Mariupol stammt: „Es ist unmöglich, ohne Tränen in den Augen zu reden“, sagt sie. Die 34-Jährige berichtet von der Bühne aus, was die Menschen in ihrer zuletzt „wunderbar aufgeblühten Stadt“ erleiden und wie sie sich gegen die russische Übermacht stemmen. „Wie lange hält mein Land noch?“, fragt sie bange und listet auf, was dort jetzt dringend an Medikamenten und Hilfsgütern benötigt wird. Verzweifelt, aber entschlossen ruft sie in Richtung Putin aus: „Lass uns in Ruhe!“ Die Menge antwortet mit „Putin-raus!“-Rufen.

Nach eineinhalb Stunden gehen die Menschen friedlich auseinander. Der Platz vor dem Kunstmuseum leert sich langsam. Zusammen mit der ebenso großen Demonstration der Ukrainer am Samstag auf dem Wilhelmsplatz hat Stuttgart an diesem Wochenende einen eindrucksvollen Anfang gemacht.