In guter Gesellschaft: Nicht nur die Ukrainefahne weht am Stuttgarter Rathaus. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die eigenen Flaggen waren verliehen, die neu bestellte hatte ein paar Tage Lieferzeit. Seit diesem Mittwoch weht nun aber über dem Stuttgarter Marktplatz eine Ukraineflagge.

Stuttgart - Mit dem Verleihen ist das so eine Sache. Wer kennt das nicht? Ein Buch, das seit Jahren unbeachtet im Bücherregal stand und Staub angesetzt hat, drückt man guten Freunden in die Hand – mit dem Hinweis, sie mögen sich bei der Lektüre ruhig Zeit lassen. Aber dann braucht man den Schmöker, um was nachzuschauen.

So ähnlich ist es wohl auch der Stadt ergangen, die vergangene Woche ihre drei Ukraineflaggen ans Land verliehen hat. Nun ist es nicht so, dass das Land nicht wusste, wo die Fahnen geblieben sind – zwei gingen ans Staats-, eine ans Innenministerium. Aber wer in diesen Zeiten mit einem blau-gelben Aushängeschild aus Stoff Flagge zeigen kann, der rückt es nicht wieder raus.

Die Stadt will die Flagge einbetten

Also hat man sich im Rathaus mit der Fahnenfirma Dommer in Feuerbach in Verbindung gesetzt, die nicht nur Fahnen von der Stange, sondern eben auch solche nach Maß verkauft. Am Freitag ging die Bestellung raus, am Dienstag wurde geliefert, am Mittwoch wurde die Ukraine-Fahne in aller Herrgottsfrühe am Rathaus gehisst. Aber nicht nur die, wie Stadtsprecher Sven Matis betont. Wichtig sei es, „die Flagge einzubetten“. Natürlich gehe es darum, seine Solidarität mit den Menschen in der Ukraine zum Ausdruck zu bringen. Aber der völkerrechtswidrige Angriff ziele auch „auf das friedliche Miteinander, in dem wir seit vielen Jahrzehnten in Europa leben“. Aus diesem Grund wehen am Rathaus jetzt nicht nur die ukrainische Flagge, sondern auch eine Stuttgart-, eine Deutschland- und eine Europafahne.

In Sache Flagge zeigen muss sich der Gemeinderat, das heißt, dessen überwiegende Mehrheit, ohnehin nichts vorwerfen lassen. In einem gemeinsamen Antrag haben die Ratsfraktionen von Grünen, CDU, SPD, Linksbündnis, FDP, Freien Wählern und Puls bereits vergangene Woche den Einmarsch Russlands in die Ukraine als „klaren Verstoß gegen das Völkerrecht“ gewertet und diesen „aufs Schärfste“ verurteilt.