Aus Geldmangel wurden bei der Beschaffung des Schützenpanzers Puma keine Ersatzteile mitbestellt. Sie müssen bei Bedarf erst mal angefertigt werden. Daher muss das Heer lange warten, bis solche Fahrzeuge wieder einsatztauglich sind. Foto: dpa

Es ist nicht länger zu übersehen, dass die Bundeswehr kaputt gespart wurde: Mängel an der Ausrüstung von Soldaten und der Einsatzbereitschaft ihres Materials, wohin man schaut. Umso wichtiger wäre es, die schon eingeleitete Wende zum Besseren endlich zu verstetigen, meint StN-Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart. - Das ist ja rührend. Ausgerechnet aus der Unionsfraktion des Bundestags kommen die lautesten Klagen über Lücken in Ausrüstung und Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Ist das nicht die Fraktion, die seit Ende des Kalten Krieges sechs Verteidigungsminister gestellt hat? Die den Minister-Darsteller Karl-Theodor zu Guttenberg beklatschte, als der ein beispielloses Chaos in Struktur und Finanzierung der Armee anrichtete? Die den Verteidigungsetat auch dann noch wie ein ewig schlachtreifes Sparschwein behandelte, als die Friedensdividende längst aufgezehrt war, die das Ende des Warschauer Paktes abgeworfen hatte?

Thermounterhosen erhitzen die Gemüter

In der Sache sind viele Klagen über den Stand der Dinge berechtigt. Erhitzen gerade fehlende Thermounterhosen für deutsche Soldaten einer Nato-Eingreiftruppe die Gemüter, werden bald weit größere Sünden der Vergangenheit sichtbar – etwa wenn der Wehrbeauftragte an diesem Dienstag seinen Jahresbericht vorstellt oder wenn das Ministerium am Tag danach dem Parlament den Bericht über die materielle Einsatzbereitschaft der Streitkräfte vorlegen wird.

Immerhin: Die CDU-Ministerin Ursula von der Leyen bemüht sich seit gut drei Jahren konsequent und mit vorzeigbaren Ergebnissen, den Negativtrend zu drehen. Nur, das geht nach mehr als 20 Jahren Misswirtschaft leider nicht auf die Schnelle. Nicht mal mit viel Geld. Weil Planungskapazitäten in der Bundeswehr knapp sind. Weil sich – diesmal auf Betreiben der SPD – nichts an der enorm zeit- und ressourcenfressenden Praxis ändern soll, dass das Verteidigungsministerium mit allen per Haushaltsplan schon genehmigten Investitionen oberhalb von 25 Millionen Euro nochmals durch den Haushaltsausschuss muss.

Genehmigtes muss nochmals genehmigt werden

Es geht auch deshalb nicht zügig zum Besseren, weil 25 Jahre Unterfinanzierung der Bundeswehr zu einem massiven Rückbau von Kapazitäten der Industrie geführt haben. Vieles, etwa Schutzwesten oder eben Thermounterhosen, das die Bundeswehr gern schnell kaufen und sehr schnell benötigen würde, kann daher nicht mehr schnell geliefert werden.

Zu den Sünden der Vergangenheit gehört auch diese: Unter fortwährenden Diät-Bedingungen wurde es quasi zum Standard, dass die Bundeswehr neue Waffensysteme unkomplett beschafft hat. Dass zu dem vor drei Jahren in die Truppe eingeführten Schützenpanzer Puma keine Ersatzteile bestellt wurden, bedeutet jetzt: Braucht ein Puma ein Ersatzteil, muss die Industrie erst mal eines bauen. Denn die hält angesichts der Kleinstserien militärischer Fahrzeuge selbstverständlich keine Ersatzteile auf Lager.

Das Material muss zurück zu den Lieferanten

Das zuletzt ebenso augenfällige wie ärgerliche Missverhältnis zwischen dem aufgelisteten und dem einsatzfähigen Bestand von Flugzeugen oder Kampfpanzern hat eine wesentliche Ursache in dieser Art von Beschaffung. Ebenso darin, dass die Bundeswehr schon viel zu lange von der Substanz leben muss. Überaltertes Gerät wird halt besonders störanfällig. Und neue Fahrzeuge, für die Waffen oder Software teilweise erst nachträglich gekauft werden, müssen immer wieder zum Nachrüsten zurück an die Industrie. Meist auf viele Monate.

Umso deutlicher wird: Das Geschwätz von angeblicher Aufrüstung, wo immer es darum geht, die Bundeswehr in einen zeitgemäßen Zustand zu versetzen, ist absurd. Geht es doch nur um einen Zustand, mit dem Deutschland endlich seine Selbstverpflichtungen in EU und Nato einlösen kann. Anders gesagt: in dem es einen glaubwürdigen Beitrag zu seiner eigenen Sicherheit leistet.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de