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Solarförderung wird zur Klientelpolitik – Staat gehen enorme Summen durch die Lappen.

Stuttgart - Es ist wie eine Gewissheit, die niemand infrage stellt: Die Solarförderung nützt umweltbewussten Hausbesitzern und sonst niemandem. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber: Die Berliner Reformpläne enthalten gut verpackte Boni für spezielle Interessengruppen. Die Zeche zahlen der Stromkunde und der Staat.

Wochenlang stritt sich die Koalition über die geplante Neuregelung der Solarförderung. Ende Februar war es dann so weit. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) präsentierte einen Kompromiss, mit dem auch der Koalitionspartner FDP leben konnte und der die gesamte Solarförderung auf neue Beine stellen soll. Das Bundeskabinett stimmte dem Anfang März zu.

Ziel sollte sein, die Kosten für die Förderung des Sonnenstroms zurückzufahren und damit den - von den Energieverbrauchern getragenen - Ausbau der Solarkraft gerechter zu organisieren.

Ansatzpunkt für die Kürzungen sind die sogenannten Einspeisevergütungen, die Besitzer von Solaranlagen erhalten, wenn sie Sonnenstrom ins allgemeine Netz einspeisen. Diese werden über den Strompreis vom normalen Energieverbraucher getragen. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen sie nun deutlich sinken. Ausnahme: Solarstromer, die den selbst erzeugten Sonnenstrom auch selbst verbrauchen, werden nach der neuen Kabinettsvorlage bessergestellt und kassieren bis zu acht Cent mehr pro Kilowattstunde als früher.

Diese Regelung gerät nun immer mehr in die Kritik. Der Vorwurf lautet, sie sei ein Einfallstor für Lobbyinteressen von großen Solaranlagenbetreibern.

Gewinner der Reform sind die Gewerbebetriebe

Nach Meinung von Fachleuten sind die Profiteure nämlich hauptsächlich Solarstromer im gewerblichen Bereich, etwa Supermärkte oder Hoteliers, hinter denen nicht selten große Ketten oder Konzerne stehen. Der normale Häuslebauer mit einer eigenen Kleinanlage auf dem Dach profitiert demgegenüber nur unterdurchschnittlich.

Beispiel Supermarkt: Ein Großteil der etwa zur Kühlung der Waren nötigen Energie fällt in den sonnenreichen Stunden tagsüber an. In der Nacht dagegen können die Kühlaggregate heruntergeregelt werden. In ähnlicher Weise verbrauchen etwa Handwerks- oder Gewerbebetriebe Energie untertags, und auch in Hotels und Pensionen findet der energieintensive Roomservice tagsüber statt. In allen Beispielen kann per Solarzellen erzeugter Strom direkt im eigenen Betrieb wieder verbraucht werden. Bei Privatleuten dagegen ruht der Energieverbrauch tagsüber. Von den Extracents der Eigenverbrauchsregelung profitieren sie nur unterdurchschnittlich.

"Für die Betriebe sind die neuen Regeln viel lukrativer als für den Privatmann", sagt Holger Krawinkel, Energieexperte vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Gewinner der Reform seien klar die Gewerbebetriebe. Thomas Knapp, Energieexperte der Landes-SPD Baden-Württemberg, hält den Gedanken, den Eingenverbrauch zu fördern, grundsätzlich zwar für gut, sieht aber große Solarstromer auch "im Vorteil".

Das Solar-Fachmagazin "Photon" hat ausgerechnet, dass deren Anlagen selbst die bisher geltenden maximalen Fördersätze noch deutlich toppen - um bis zu vier Cent je Kilowattstunde. Somit bringe die Regelung bestimmten Kundengruppen der Solarbranche "immense Mehrprofite", konstatierte das Blatt. Der Eigenverbrauchsbonus hebele die öffentlichkeitswirksam präsentierte Senkung bei den Einspeisevergütungen wieder aus. Anders ausgedrückt: Der mächtigen Lobby der Solarindustrie ist es offenbar gelungen, durch die Reform ganz neue Kundengruppen im industrienahen Bereich zu erschließen.

Die Zeche zahlen die gewöhnlichen Energieverbraucher. Nach Berechnungen des VZBV werden unter anderem wegen der Eigenverbrauchsregelung die Kosten für den Ausbau der Solarstromerzeugung weiter ansteigen. Zahlen die Verbraucher über die im Strompreis enthaltene EEG-Umlage heute gut zwei Cent je Kilowattstunde, um mehr Sonnen- und Windstrom in die Netze zu bekommen, werden es 2011 schon vier Cent sein, prognostiziert Energiefachmann Krawinkel. Innerhalb gut eines Jahres hätte sich damit der Anteil der Solarstromförderung am Gesamtstrompreis von fünf auf zwanzig Prozent erhöht. Ihr Hauptziel, die Belastung für die Stromverbraucher in Grenzen zu halten, hätte die Politik dann deutlich verfehlt.

Auch den Staat könnten die Solarpläne teuer zu stehen kommen. Wer eigenerzeugten Strom produziert und gleich wieder verbraucht, ohne ihn ins Netz einzuspeisen, umgeht einen Großteil der sonst anfallenden Energiesteuern. Beispiel Stromsteuer: Diese beträgt aktuell zwei Cent je Kilowattstunde und kommt vor allem den Rentenkassen des Bundes zugute. Beispiel Konzessionsabgabe: Auch sie steckt im Bruttostrompreis und beträgt 1,8 Cent. Aus ihr finanzieren die Kommunen öffentliche Aufgaben, etwa den Ausbau von Kindergärten oder Schwimmbädern. Im Extremfall summierten sich die öffentlichen Einnahmeausfälle in 20 Jahren auf "fast zwei Milliarden Euro", schreibt "Photon".

Wieder legt aber auch der normale Stromkunde drauf. Die EEG-Umlage, aus der der Ausbau der erneuerbaren Energien bestritten wird, wird für Eigenverbraucher nämlich nicht fällig. Somit entsteht das Paradox, dass gerade die, die am meisten von der Förderung erneuerbarer Energien profitieren, nichts zu deren Ausbau beitragen. Folge: Die Milliardenkosten des Solarbooms werden auf weniger Schultern verteilt.

Die Auswirkungen auf die gesamte, durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geregelte Förderpraxis könnten enorm sein. Wenn auf Dauer immer weniger Stromverbraucher immer höhere Beiträge zum Ausbau von Wind, Biomasse, Solar und Co. leisten müssten, "sprengt das das System", sagt Krawinkel. Auf dem Spiel stünden dann nicht nur Milliarden, sondern auch knapp 300.000 Arbeitsplätze.

Daher steigt der Widerstand gegen die Röttgen-Regeln. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft läuft Sturm gegen die Eigenverbrauchsparagrafen, und auch in der Politik heißt das Motto seit neuestem wieder: "Alles zurück auf Los." Im politischen Berlin werden Stimmen laut, die die Regeln für nicht durchsetzbar halten. Es gebe weiteren Diskussionsbedarf.